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Die Italiener wollen es wieder wissen

Klaudia Prevezanos30. Mai 2003

Jan Ullrich fährt für Italiens Top-Radbauer "Bianchi" die "Tour de France" mit. Sportler achten darauf, welche Marken bei dem Rennen gewinnen, für den Zweiradmarkt war das bisher eher unwichtig. Das soll sich ändern.

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Möchte den Triumph von 1997 für "Bianchi" wiederholen: Radprofi UllrichBild: AP
Lance Armstrong gewinnt die elfte Etappe bei der Tour de France 2002
Lance Armstrong gewann erst die elfte Etappe der Tour de France im Jahr 2002, dann das gesamte RennenBild: AP

Als Jan Ullrich 1997 die "Tour de France" gewann, hat er den deutschen Radsport auf einen Schlag beliebt gemacht. Auch seine ehemalige Fahrradmarke "Pinarello" konnte von Ullrichs Sieg beim wichtigsten Radrennen der Welt profitieren. Am 23. Mai 2003 hat der internationale Radsportverband UCI (Union Cycliste Internationale) nun bestätigt, dass Ullrich und seine Coast-Mannschaft für "Bianchi" an der diesjährigen "Tour de France" (5. bis 27. Juli 2003) teilnehmen dürfen. Das italienische Traditionsunternehmen für Fahrräder übernimmt damit die Lizenz des bisherigen Sponsors Günther Dahm. Ab Dienstag (3. Juni 2003) fährt die Ex-Coast-Mannschaft als neugegründetes Bianchi-Team bereits im mintfarbenen Trikot bei der Deutschland-Tour in Dresden mit.

Beste Werbung

"Bianchi", der Velo-Fabrikant mit dem mehr als 100 Jahre alten Namen, erhofft sich Einiges von seinem neuen gesponsorten Schützling. Ullrich gilt als einziger Fahrer der "Tour de France", der dem vierfachen Titelverteidiger Lance Armstrong gefährlich werden kann. Und ein Sieg des deutschen Sportlers wäre für die italienische Radmarke die beste Werbung. Das deutsche Bianchi-Team ist zudem die einzige Mannschaft der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt, die eine Fahrrradmarke als Namen trägt. Alle anderen Teams fahren für Banken, Post- oder Getränkeunternehmen.

Jan Ullrich gewinnt das Radrennen "Rund um Köln"
Am Ostermontag, dem 21. April 2003, gewann Ullrich das Radrennen Rund um Köln noch für seinen alten Sponsor CoastBild: AP

In Italien ist "Bianchi" bereits Marktführer. Und früher haben laut Markus Fritsch vom Fahrradfachmagazin "SAZbike" alle Teams der "Tour de France" Zweiräder italienischer Marken gefahren: Neben "Pinarello" auch "Colnago", "Zinelli" oder "De Rosa". "In den vergangenen fünf Jahren sind bei der 'Tour de France' aber US-Firmen sehr stark geworden", sagt der Fachredakteur: "Cannondale", "Specialized" und besonders "Trek".

Vor allem die vier Siege des Amerikaners Armstrong mit seinem Trek-Rad haben den Hersteller, der in den USA Marktführer ist, auch in Europa populär gemacht. "War die Marke früher vor allem für seine Mountainbikes berühmt, ist sie jetzt auch im Rennradbereich stark", sagt Siegfried Neuberger vom deutschen Zweirad-Industrie-Verband (ZIV).

Gut für den Radsport

Marken, die bei der "Tour de France" gewinnen oder populär auftreten, werden anschließend auch in Radsportkreisen beliebter, meinen Experten. "Was bei Armstrong mit 'Trek' funktioniert hat, sollte auch mit Ullrich und 'Bianchi' gehen", sagt Radredakteur Fritsch. Dafür spricht auch die Fahrrad-Markt-Studie 2002 des Delius Klasing Verlages. Unter den zehn beliebtesten Marken für Rennräder finden sich vor allem Hersteller, die Mannschaften der "Tour de France" ausstatten.

Bianchi Rennrad
Ein Bianchi-Rennrad in mintgrün - der gleichen Farbe wie das neue Trikot von Jan Ullrich und seiner Mannschaft bei der diesjährigen Tour de FranceBild: Bianchi

Anders sieht der Einfluss der Tour auf den europäischen Radmarkt insgesamt aus. Bei Freizeiträdern soll sie sich kaum auswirken. Fritsch vom Fachblatt "SAZbike" sagt sogar, dass der Alltagsradler gar nicht weiss, welche Marken die Sieger fahren. "Und wenn doch, hat es meist keinen Einfluss auf dessen Kaufentscheidung."

Drei Große auf Europas Zweiradmarkt

Die Marke "Bianchi" will das mit ihrem gleichnamigen Team nun ändern. Die Chancen für mehr Popularität stehen nicht schlecht, auch wenn Kapitän Ullrich und seine Mannschaft nicht gewinnen sollten. Denn "Bianchi" gehört zu einer der drei Unternehmensgruppen, die am europäischen Velo-Markt führend sind.

Neben dem italienischen Hersteller finden sich Marken wie "Puch" unter dem Dach des Konzern Cycleurope. Die französisch-schwedische Gruppe vertreibt zudem noch Peugeot-Räder, für deren Produktion sie eine Weile die Lizenz besaß. Die anderen großen Mitspieler in Europa sind die niederländische Accell-Gruppe mit Marken wie "Hercules", "Winora" oder "Staiger" sowie das US-Unternehmen Derby Cycle mit Rädern von "Kalkhoff", "Raleigh" oder "Focus".

Muskelkraft für Politik
Europas Staats- und Regierungschefs schienen sich 1997 nicht von den Topmarken der Rennradhersteller beeinflussen zu lassenBild: AP

Jeder der Drei verkauft pro Jahr mehr als eine halbe Million Zweiräder in Europa bei einem Gesamtmarkt von rund 15 Millionen abgesetzter Drahtesel. Mit zusammen rund zehn Prozent Marktanteil gehören die drei Konzerne in Europa bereits zu den Großen. Denn anders als in anderen Branchen gibt es am europäischen Fahrradmarkt noch viele Klein- und Mittelbetriebe mit geringen Stückzahlen von einigen Tausend bis Zehntausend Velos im Jahr.

Die Herstellung und Montage von Fahrrädern ist noch immer mit viel Handarbeit verbunden", sagt Verbandsvertreter Neuberger vom ZIV. Darum wird in der Branche der Absatz auch mit Stückzahlen angegeben und nicht mit Umsatzzahlen. Denn kleine Betriebe müssen ihre Geschäftszahlen nicht veröffentlichen - und sie wollen es auch nicht. Von den drei Marktführern statten derzeit mit "Peugeot" und "Bianchi" nur zwei Marken auch Tour-de-France-Teams aus. Sollte "Peugeot" als Zweiradmarke demnächst eingestellt werden, wären die Italiener sogar die Einzigen. Jetzt muss Ullrich nur noch gewinnen.