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Das Warten auf das erste Eis

Kirstin Hausen9. März 2009

Wann beginnt eigentlich der Frühling? Wenn es nach den italienischen Eismachern geht, bald: In den nächsten Tagen reisen um die 2000 Italiener, die in Deutschland eine Eisdiele betreiben, zurück in ihre Geschäfte.

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Ein Junge schleckt ein Eis aus einer Waffel (Foto: AP Photo/Winfried Rothermel)
Bald können Kinder und Erwachsene wieder leckeres italienisches Eis schleckenBild: AP

Anna schnürt ihrem Sohn Nico noch schnell ein Proviantpaket. Die italienische Eismacherin sitzt auf gepackten Koffern. Nächste Woche geht es zurück nach Koblenz. Die Saison beginnt bald, und Anna will die Eisdiele in Deutschland vorher noch gründlich durchputzen. Nico bleibt in Italien. Er studiert in Padua und wird seine Eltern erst in den Sommerferien wiedersehen.

Anna rafft zusammen, was der Kühlschrank hergibt. Da ist sie ganz Italienerin. Dabei könnte man die Mittvierzigerin auch für eine Deutsche halten. Sie hat grüne Augen, rotgetönte Haare, wirkt unkompliziert und energisch. Anna würde weder Italien noch Deutschland als ihre einzige Heimat bezeichnen. In Deutschland versuche sie sich anzupassen, damit die Leute nicht sagten: "Guck mal, die Italienerin!" Aber als eine solche fühle sie sich auch nicht, wenn sie in Italien sei: "Ich schreie nicht so rum wie die anderen. Da ist schon ein Unterschied, aber ich glaube, das geht hier jedem so", sagt Anna.

Warum heißen so viele Eisdielen "Café Dolomiti"?

Ein Eisverkäufer trägt eine riesige Eiswaffel auf der Schulter (Foto: dpa)
Eismacher sind ein bisschen wie ZugvögelBild: dpa - Report

Die Bewohner des Zoldotals im Nordosten Italiens leben in zwei Welten. Fast alle stammen von Auswanderern aus den Dolomiten ab, die zwischen 1910 und 1960 nach Nordeuropa gingen, um Eis zu verkaufen. Annas Mann Dario Olivier ist in Deutschland geboren, hat in Italien die Schule besucht und führt heute die Eisdiele seines Großvaters weiter. Wie ein Immigrant fühlt er sich nicht: "Mag sein, dass mein Opa vor 70 Jahren, als er ohne bestimmtes Ziel nach Deutschland gefahren ist, mit vielen Hoffnungen diese Reise unternommen hat." Jetzt sei dieses verklärte Bild aber ein Klischee: Die Familie fühle sich wohl in Italien, genauso wie es ihr in Deutschland gefalle.

In Wirklichkeit erwecken die "Gelatieri" - wie die Eismacher auf italienisch heißen - aus Deutschland das Dorf in den Dolomiten erst richtig zum Leben. Wenn sie Ende Oktober bis Anfang November eintreffen, steigt die Einwohnerzahl von 800 auf 3000 Menschen. Sie treffen sich, organisieren Feste und restaurieren nebenbei die alten, traditionellen Bauernhäuser, die ihnen seit Generationen gehören.

Dolce vita und deutsche Gemütlichkeit

Blick auf eine Steinlawine in den Dolomiten (Foto: AP)
In den Dolomiten verbringen viele Eismacher den WinterBild: AP

Benjamino De Pellegin hat mit seinem Sohn Augusto die Dachstube des Holzhauses, in dem seine Vorfahren lebten, ausgebaut und verbringt hier mit Verwandten und Freunden den Winter. Sie vereinen in sich italienisches "Dolce Vita" und deutsche Gründlichkeit. "Wir haben hier zu wenig Ordnung gehabt", scherzt Benjamino, "inzwischen haben wir mehr als früher. Das ist die Globalisierung, gell?"

Benjamino De Pellegrin lächelt amüsiert. Seine Frau räumt schon seit einer Woche die Schränke auf, packt alles zusammen, was mit nach Deutschland muss. "Um die Zeit ist man wie die Zugvögel: Wir sind schon auf der Stange, bereit zum Abfliegen." Man merke es in der Luft.

Zwischen Tradition und Moderne

Eine Eiswaffel mit drei Eisbällchen (Foto: Illuscope)
Ganz klassisch: Erdbeer, Schokolade, VanilleBild: Illuscope

Sein Sohn Augusto freut sich auf Deutschland, auf seine Freunde dort und auf die Arbeit in seiner Eisdiele "San Remo". Jedes Jahr versuchten sie, neue Eissorten auf den Markt zu bringen. Mal sei es etwas ganz Neues, mal gelte es aber auch, etwas wieder auf den Markt zu bringen, was früher Tradition war: Nusseis oder auch Vanille. Es seien nicht viele, die das Eis genauso machten wie früher, erzählt er.

Das Früher mit dem Heute zu verbinden, ist für die jungen Eismacher wie Augusto de Pellegrin ganz selbstverständlich. Die Rezepte stammen noch vom Großvater, die Präsentationsform ist aber den modernen Zeiten angepasst, raffinierte Eiscocktails eingeschlossen. Um neue Ideen und Inspirationen zu finden, fährt er auf Messen in ganz Europa. Überall trifft er Eismacher aus dem Zoldotal, die sich neben Deutschland vor allem auch in den Niederlanden, in Österreich und Belgien niedergelassen haben.