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Die japanische Überraschung

Rafael Heiling19. Mai 2004

Für Japan geht endlich die Sonne auf: Nach langer Krise ist die Wirtschaft wieder gewachsen - sogar stärker als erwartet. Jetzt hoffen die Experten, dass der Aufschwung nicht gleich wieder versiegt.

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Mehr Wachstum als gedacht - das freut auch die Börse in TokioBild: AP

Die Wirtschaft habe von Januar bis März 2004 um real 1,4 Prozent gegenüber dem vorigen Quartal zugelegt, verkündete die japanische Regierung. Aufs Jahr hochgerechnet ergäbe sich dann ein Wachstum von 5,6 Prozent. Mir derart guten Werten hatte kaum jemand gerechnet: Volkswirte hatten eine Jahresrate von 3,6 Prozent auf dem Plan. Im abgelaufenen Fiskaljahr (das am 31. März endete) ist die Wirtschaft mit 3,2 Prozent so stark gewachsen wie seit sieben Jahren nicht. Und das kann ein Zeichen setzen: Japan ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Mehr Konsum - damit hat keiner gerechnet

Der Aufschwung könnte das Happy End in Japans jahrelanger Krise sein, zumal die Wirtschaft schon seit einiger Zeit Boden gutmacht. "Den größten Anteil hat die private Inlandsnachfrage beigetragen", erklärt Franz Waldenberger, Professor für japanische Wirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Vor allem der Konsum war eine große Stütze." Und darin liege wahrscheinlich die Überraschung.

Auch die Unternehmen würden beim Geldausgeben weniger zögern, sagt Waldenberger gegenüber DW-WORLD: "Es gibt einen Nachholbedarf an Investitionen." In schlechten Zeiten hätten die Firmen sich nämlich zurückgehalten. "Die Unternehmen hatten auch zu viele Schulden. Die sind jetzt zum großen Teil abgebaut." Außerdem hätten die Unternehmen sich in einem langwierigen Prozess umstrukturiert - in Richtung Effizienz.

Japan entdeckt den asiatischen Markt

In der Tat: Viele Firmen machen seit ein bis zwei Jahren Rekordgewinne. Toyota zum Beispiel verdiente im abgelaufenen Geschäftsjahr mehr als eine Billion Yen. Das Bilanz-Plus der Unternehmen führt auch zu mehr Jobs: Die Arbeitslosenquote sank im März auf 4,7 Prozent, ein Drei-Jahres-Tief. Beim Aufwind könnten auch deutsche Firmen mitsegeln, wie die Möbelkette Hülsta, der Wäsche-Hersteller Triumph, Autozulieferer oder Chemie-Unternehmen. "In der deutschen Wirtschaft wächst das Interesse an Japan", stellt Waldenberger fest.

Angefangen hat die Erholung beim Export, selbst wenn er laut Waldenberger nur zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. "Japan profitiert vor allem von der Arbeitsteilung mit China", erklärt der Wirtschafts-Professor. "Bisher war man eher auf Nordamerika fixiert" - langfristig werde der Export wichtiger. Waldenberger prophezeit: "Mit der Integration nach Südostasien öffnet sich einiges."

Einigkeit schafft Aufschwung

Was Japan aber vor allem nützt: "Die Wirtschafts- und die Fiskalpolitik ziehen endlich an einem Strang und in eine Richtung", sagt Stefan Bergheim, Volkswirt bei der Deutschen Bank Research.

Trotzdem: Einige Probleme bleiben, sagt Waldenberger: "Der Bankensektor ist nach wie vor krisengefährdet." Außerdem sei die Staatsverschuldung enorm hoch - laut Bergheim 160 Prozent des BIP. "Wenn man die zu früh abbaut," warnt Waldenberger, "wird die Konjunktur wieder abgewürgt."

Strohfeuer oder handfestes Wachstum?

Der Deutsche-Bank-Experte sorgt sich deutlicher: Wenn sich der Aufschwung in China abschwäche und es am Aktienmarkt wieder abwärts gehe, "könnte das eine neue Runde im Teufelskreis nach unten sein". Bergheim sieht die japanischen Statistiken generell skeptisch, denn darin werde die Preisentwicklung zu oft falsch bewertet. Außerdem arbeiteten zu viele Unternehmen noch immer ineffizient. Also werde die Wirtschaft wohl mittelfristig wieder am Stock gehen.

Waldenberger ist da zuversichtlicher. "Es gab eine Umfrage von Roland Berger und der deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokio. Die haben europäische Unternehmen befragt, die auch in Japan sitzen. Und es hat sich gezeigt, dass die die Zukunft ganz optimistisch einschätzen."