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Politik

11. Dezember 2009

In Chile gibt es keine Briefwahl. So bleibt 850.000 Chilenen im Ausland die Teilnahme an Wahlen in ihrer Heimat verwehrt. Auch den chilenischen Studenten in Deutschland. Was denken sie über den Urnengang in ihrer Heimat?

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(Foto: DW / Athene Pi Permantier)
"Kaum Unterschiede zwischen Frei und Piñera", sieht Francisco MondacaBild: DW

Vor der romanistischen Bibliothek der Kölner Universität sitzen zwei Studenten an Lerntischen und sprechen über ihre Heimat Chile. Denn dieses Wochenende sind dort Wahlen. Chilenische Studenten in Deutschland dürfen kein Kreuz machen, denn in Chile gibt es keine Briefwahl. Da stellt sich die Frage, ob sie überhaupt gerne wählen würden.

Catalina Heroven ist 23, studiert Romanistik und kommt aus Concepción. Vor vier Jahren war sie dort schon einmal wählen und würde auch dieses Jahr gerne wieder ein Kreuz setzen: "Die Möglichkeit müsste es immer geben, auch wenn es per Brief ist. Anders geht es ja nicht, ich kann ja nicht dahin reisen, um zu wählen und das ist ziemlich ärgerlich." Am Sonntag wird Catalina dann mit ihrer Familie telefonieren und die Wahl übers Internet verfolgen.

 

Francisco Mondaca kommt aus Santiago. Mit seinen 26 Jahren hat er noch nie gewählt, obwohl er sich generell schon für Politik interessiert. Es gibt keine großen Unterschiede zwischen Frei und Piñera, findet Francisco, eine Wahl würde ihm aus diesem Grund schwer fallen. Wenn das politische System in Chile anders wäre, würde er allerdings gerne wählen. Die Möglichkeit der Briefwahl wäre ihm wichtig.

Keine Zeit zum Wählen

 

Auch an der Universidad Católica de Valparaiso gibt es viele Studenten, die nicht wählen gehen werden. Das chilenische Wahlsystem sieht vor, dass man sich einmal zur Wahl registriert, ab dem Zeitpunkt der Registrierung ist die Wahl dann verpflichtend. Deswegen ist es vielen jungen Chilenen zu aufwendig sich für die Wahl zu registrieren. Sarah Sofía Galvez, Studentin der Sozialarbeit glaubt, dass es viele Studenten vorziehen nicht zu denken und sich keine Meinung zu bilden. "Die meisten sind uninformiert und lassen sich durch die allgemeine Tendenz im Land leiten, nicht durch die eigene Meinung", erklärt Sarah.

Daniela Gómez wollte sich dieses Jahr einschreiben. "Aber letztendlich habe ich mir nie Zeit genommen, um zum Wahlregister zu gehen und dann war die Frist vorbei." So groß könne die Motivation dann doch nicht gewesen sein, gibt die 21-Jährige zu. Viele ihrer Freunde sehen das anders. Sie finden es wichtig zur Wahl zu gehen und haben sich daher dieses Jahr registrieren lassen.

Auch Sarah Sofía Galvez. Am Sonntag wird sie ihr Kreuz setzen. Sie beobachtet Desinteresse unter der jungen Generation an der chilenischen Gesellschaft. Neue Ideen könnten so keinen Einzug in die Politik halten. Die aber seien wichtig für die Entwicklung des Landes. Auch Coté Vera, Studentin der Sozialarbeit hat sich in diesem Jahr zur Wahl registrieren lassen, um ihrer politischen Meinung Ausdruck zu verleihen und durch die Regierung repräsentiert zu werden.

"Viel heiße Luft"

 

(Foto: DW / Athene Pi Permantier)
Fand keine Zeit zur Registrierung: Daniela GomezBild: DW

Den Wahlkampf hat Daniela in Chile kritisch verfolgt: Viel heiße Luft und persönliche Kritik unter den Kandidaten, aber am Ende alles leere Versprechen, findet sie. Coté spricht von einer Medienshow, die sich die Kandidaten geliefert haben. Zentrale politische Ideen seien dabei zu kurz gekommen. Themen wie die "Homoehe" oder die "Pille danach" seien dazu missbraucht worden, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Im Wahlkampf würden sich die Kandidaten für alles Mögliche aussprechen, um Stimmen zu bekommen, kritisiert Coté.

Auch wenn sie diesmal von Köln aus nichts zum Ergebnis beitragen kann, befürchtet Catalina, dass der Kandidat der konservativen Opposition gewinnen könnte: "Piñera möchte ich nicht so gerne bei uns als Präsidenten haben." Doch am Sonntag erhält voraussichtlich kein Kandidat die erforderliche absolute Mehrheit, die endgültige Entscheidung fällt wahrscheinlich erst im Januar.

"Piñera ist gefährlich"

Auch für Francisco ist Sebastián Piñera von der rechtsgerichteten "Alianza por Chile" ein ganz spezieller Kandidat: "Piñera ist nicht ungefährlich. Er ist ein bisschen wie Berlusconi , ein Rechtspopulist." Der Christdemokrat Eduardo Frei, war schon mal Präsident. Durch seine schlechte politische Bilanz ist er für die Studenten als neuer Präsident indiskutabel.

Der unabhängige, linke Kandidat Marco Enríquez Ominami ist dagegen jung, dynamisch und unverbraucht. Mit ihm würde Chile einen völlig neuen Weg einschlagen. Catalina hat allerdings mit Ominami als potentiellem Präsident Schwierigkeiten und zweifelt an seinen politischen Erfahrungen. Der sozialistische Kandidat José Arrate hingegen ist für sie ein Idealist, aber eigentlich die beste Lösung für Chile. So denkt auch Sarah Sofía Galvez. Ihrer Ansicht nach repräsentiert sein Projekt das was Chile braucht: "Die Gewinne sollen nicht in ausländische Hände gelangen und sie sollten gerechter verteilt werden", findet Sarah. Ihrer Ansicht nach würden viele Menschen Arrate wählen, trauen sich aber nicht, da sie nicht die Arbeit der Concertación, der Regierungs-Koalition in Frage stellen wollen.

Francisco findet José Arrates Ideen im Gegensatz dazu nicht mehr zeitgemäß. Dessen Ideen erinnern ihn zu sehr an die Ära Salvador Allendes und somit an das, was seiner Ansicht nach in Chile nicht funktioniert hat.

Chile noch auf dem Weg zur stabilen Demokratie

20 Jahre nach dem Ende der Diktatur fordert die junge Generation mehr direkte Beteiligung am politischen System. Das theoretische Wahlrecht reicht ihnen nicht, sie wollen direkt Einfluss auf die Politik nehmen. Die Problematik besteht für Coté Vera darin, dass sich viele Studenten nicht durch die Regierung repräsentiert sehen. "Viele junge Wahlberechtigte fürchten, dass ihre Stimme nichts wert ist und nichts verändert. Das bedeutet, wenn sie einen Außenseiter wählen würden, dann wählen sie lieber gar nicht, um ihre Stimme nicht zu verschenken."

Ganz anders argumentiert Daniela. Für sie befindet sich Chile noch auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie: "Ich verstehe nicht wie wir von einer Demokratie sprechen können, solange wir noch immer eine Verfassung aus der Militärregierung haben."

Autorin: Athene Pi Permantier

Redaktion: Sven Töniges