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Die Kängurus kündigen Regen an

Nicola Fell25. Juli 2007

Bauern im dürregeplagten Australien können nun über die offizielle Wettervorhersage hinaus planen. Der australische Wetterdienst stellt langfristige Vorhersagen der Aborigine-Ureinwohner auf seine Internet-Seite.

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Kängurus in den Grampians, Australien
Tiere haben ein feines Gespür für das WetterBild: picture-alliance/KPA/Franken

Im offenen Grasland des Grampians-Nationalparks, Südaustralien, steht Aaron Clarke und lauscht den Fröschen. "Froschrufe sind ein sehr guter Hinweis für Regen", sagt der Mitarbeiter des Aborigine-Kulturzentrums Brambuk. "Wenn sie rufen und sich paaren, zeigt das den Aborigines, dass die Gewässer sich füllen." Aaron meint, dass er das Wetter einfach durch Beobachtung von Veränderungen bei Pflanzen und Tieren vorhersagen kann – eine Methode, die Aborigines "die Landschaft lesen" nennen.

"In dieser Gegend ist jetzt viel Zwiebelgras", stellt Aaron fest. "Das ist das erste Anzeichen der feuchten und kühlen Morgen. Es weist auf die Zeit hin, wenn die weißen Kakadus in Scharen kommen und das Gras fressen. Emus rotten sich in großen Horden zusammen. Kängurus mit kleinen Jungtieren werden in dieser Jahreszeit vertrieben."

Das kulturelle Erbe bewahren

Mit seinen grünen Augen und der hellen Haut passt Aaron nicht in das Bild des typischen Aborigines - aber er sagt, dass es für ihn sehr wichtig ist, sein Erbe zu bewahren: "Ich glaube fest daran: Du weißt nicht, wohin du gehst, wenn du nicht weißt, woher du kommst. Ich rede mit meinen Stammesältesten, Tanten und Onkeln, um mein Wissen zu vergrößern. Ich bin in einem Reservat bei Framingham aufgewachsen und hatte das große Glück, bestimmte Elemente unserer Kultur mitzuerleben."

Elemente, von denen Aaron glaubt, dass die moderne Meteorologie davon lernen könnte: "Die westliche Sichtweise beurteilt die Umwelt nach dem Kalender – beispielsweise wird diese Zeit jetzt als Herbst eingestuft. Aber im Moment fühlt man in Australien, dass der Herbst gerade erst beginnt. Die Aborigines haben gelernt, die Umwelt nicht nach solchen Maßstäben zu beurteilen."

"Die Aborigines sammeln wie verrückt Feuerholz"

Aborigine-Tanz, Quelle: AP
Die Aborigines legen großen Wert auf ihre KulturBild: AP

Szenenwechsel. In einem maroden Vorort von Sydney verlässt gerade eine Menschengruppe, überwiegend Aborigines, nach einem Gottesdienst das örtliche Gemeindezentrum. Aus Sicht der Aborigines sei es ein Witz, dass die Weißen das Wetter vorhersagen könnten, erzählt Pastor Johnny Murison: "Ein alter Aborigine in der Gemeinde wurde gefragt: 'Onkel, wie wird das Wetter diesen Winter?' Aber weil er nicht in seiner Tradition aufgewachsen war, kannte er die Geheimnisse des Wetterlesens nicht. Da er schlau war, rief er den Wetterdienst an. Sie sagten: 'Oh, es wird sehr kalt, rüsten Sie sich lieber.' Also ging er zurück zu seiner Gemeinde und sagte: 'Hey, ihr alle, dieses Jahr wird der Winter kalt, also sammelt Feuerholz.' Eine Woche später fragten sie ihn wieder: 'Onkel, wie schlimm wird der Winter?' Er antwortete: 'Ich gehe einmal spazieren.' Die ganze Zeit denken sie, er geht um das Wetter zu lesen. Aber er ruft wieder beim Wetterdienst an und fragt: 'Okay, wie kalt wird es?' – 'Es wird bitterkalt.' Er fragt: 'Woher wisst ihr das alles?' – 'Nun, die Aborigines sammeln alle wie verrückt Feuerholz!'"

Kakadus warnen vor dem Regen

Der Witz hat tatsächlich einen wahren Kern. Der australische Wetterdienst sammelt das Wetterwissen der Eingeborenen im ganzen Land und stellt die jahreszeitlichen Vorhersagen der Aborigines auf seine Internet-Seite, erklärt der Meteorologe Harvey Stern: "Auf der Karte sehen wir die Kalender der Aborigine-Gemeinden von Jawoyn, Yanyuwa, Walabunnba und Brambuk mit vielen interessanten Beschreibungen der Jahreszeiten, der Pflanzen und des Verhaltens der Tiere. In Australien haben wir die vier Jahreszeiten von Europa übernommen, aber sie passen nicht sehr gut, vor allem in den subtropischen Zonen. Manche Eingeborenen haben sechs oder sieben Jahreszeiten, andere zwei."

Die westliche Meteorologie könne nur das Wetter nur vier Tage vorhersagen, erklärt Stern. "Unsere Jahreszeiten-Vorhersage ist in einem sehr frühen Stadium. Wir haben erst 1989 begonnen, daher sind unsere Kenntnisse sehr begrenzt." An dieser Stelle kommt das Wissen der Eingeborenen ins Spiel. Stern gibt ein Beispiel: "Erst vor einigen Wochen haben Menschen in Brambuk das Verhalten der Kakadus beobachtet und es als Vorbote sehr starker Regenfälle gedeutet. Und eine Woche später gab es heftige Schauer, bis zu fünf Millimeter Niederschlag, die nach der vorherrschenden trockenen Wetterlage sehr ungewöhnlich waren."

Das Wissen stirbt aus

Dieses traditionelle Wissen aber stirbt aus, sagen einige von Johnny Murisons Gemeindemitgliedern im Gemeindezentrum in Sydney. Pam Ingram aus Karo, South West New South Wales, hat als Kind wenig von dem Wissen um die traditionelle Wettervorhersage mitbekommen, weil die Familie sehr westlich orientiert war. "Aber um so weiter man zurückgeht", erzählt Pam, "um so scharfsinniger waren die Leute. Als der Wirbelsturm Tracy 1974 Darwin heimsuchte, war kein Aborigine und kein Hund in Darwin. Sie wussten alle, dass der Sturm kommt und verließen die Stadt einige Tage vorher."

Pam findet es traurig, dass dieses Wissen ausstirbt: "Weil Zukunftsfähigkeit so wichtig wird. Man hat uns nie irgendetwas in der Landwirtschaft zugetraut, aber wir sind perfekt darin und wir bewirtschaften unser Land sehr gut."

Ranger richten sich nach dem Aborigine-Kalender

Buschfeuer in den Grampians, Quelle: dpa
Feuer in den Grampians: uralte Traditionen helfen bei der BrandvorsorgeBild: picture-alliance/dpa

Zurück im Grampians-Nationalpark. Parkranger Mike Stevens sagt, es sei viel einfacher, das Land zu pflegen, wenn man etwas von dem Wissen der Aborigines einbezieht. "Wir fahren gerade in die Grampians", erzählt Mike Stevens. "Die Grampians sind ein Sandstein-Gebirgszug mit ganz vielen Bächen, Rinnsalen und Fluss-Systemen." Bisher, sagt Mike Stevens, seien dort für die kontrollierten Feuer zur Vorbeugung von Waldbränden Wege und Pfade nötig gewesen. "Nun versuchen wir etwas, was wir 'unbegrenzter Brand' nennen. Wir nutzen keine Chemikalien und Bulldozer-Schneisen, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern, sondern den Jahreszeitenkalender und die existierenden Grenzlinien wie Grate und Bäche. Und wir stellen die Fallen für Säugetiere jedes Jahr im Frühling entsprechend dem Aufzuchtkalender der Tiere und dem traditionellen Wissen auf."

Viele Australier wollen vor allem wissen, wann eine Linderung der sechsjährigen Trockenheit zu erwarten ist – aber Aarons Vorhersage wird sie nicht beruhigen: "Nach den Anzeichen ist die Temperatur nicht niedrig genug, dass das Moos wachsen kann. Die Kängurus werfen ihre Jungen nicht aus dem Beutel. Die meisten Vögel müssen jetzt nach Norden wandern. Es scheint weit von einem starken Regen entfernt zu sein, so wie sich die Tiere verhalten. Ich würde sagen: Wir werden das ganze Jahr hindurch lange Trockenzeiten haben." Das klingt nicht gut für Australiens Bauern.