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Die Kanzlerin, Zingst und die Kinder

Jens Thurau, Zingst11. Juli 2016

Inmitten der vielen Weltkrisen eröffnet Angela Merkel im Ostseebad Zingst den Wahlkampf für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Bei bestem Wetter und vor vielen Urlaubern. Ein Heimspiel.

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Angela Merkel gibt Autogramm (Foto: picture alliance/dpa/B. Wüstneck)
Bild: picture alliance/dpa/B. Wüstneck

Gleich kommt die Kanzlerin. Die Uferpromenade in Zingst ist gut gefüllt. Am Strand ist jetzt kaum jemand, die Menschen wollen sich die deutsche Regierungschefin nicht entgehen lassen. Am 4. September ist Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, die CDU liegt knapp vor der SPD, die im Land seit 18 Jahren den Ministerpräsidenten stellt. Von der permanenten Wirtschaftskrise im Nordosten, von Perspektivlosigkeit und Rechtsradikalismus, von der AfD, die in Umfragen bei 19 Prozent liegt, ist hier nichts zu spüren. Zingst boomt im Sommer, und die Menschen finden Merkel einfach gut. Tatsächlich, alle, die man anspricht. "Darf ich auch was sagen?", drängt sich eine Frau vor die Kameras der Journalisten: "Diese Frau wird überall auf der Welt angefeindet und behält immer die Nerven, das muss ihr erst einmal einer nachmachen". Und eine andere Frau ergänzt: "Wenn sie wieder antritt, wird sie auch gewählt". Und Sigmar Gabriel? Das ist doch nicht Ihr Ernst, ist die Botschaft der Blicke im weiten Rund.

Landesmutter und Weltpolitikerin

Und dann ist sie da, macht Selfies mit den Urlaubern, erträgt die Reden des Bürgermeisters und des CDU-Spitzenkandidaten von Mecklenburg-Vorpommern und darf dann endlich selber sprechen. In einer halben Stunde streift sie alle großen und kleinen Themen. Den Terrorismus, die Flüchtlingskrise, die Bildung, die Wirtschaftsförderung. Auch die Elektromobiliät findet Platz in ihrer Rede. Es wirkt etwas arg detailverliebt, was sie den Urlaubern da zumutet. Andächtige Stille legt sich über das Publikum. Merkel merkt das und sagt schnell: "Jetzt denken Sie, die ist auch schon abgehoben, oder?" Und schnell stellt sie fest, dass viele Kinder unter den Zuschauern sind: "Ich komme ja viel rum, und ich sage euch: Die Kinder in Asien und Afrika schlafen auch nicht, also seid schön fleißig. Aber erst einmal genießt den schönen Sommer!" Landesmutter und Weltpolitikerin. Und das alles im bekannten ruhigen Merkel-Singsang. Der Funke muss nicht überspringen, es gibt längst eine stille Übereinkunft von Rednerin und Publikum.

Deutschland CDU-Wahlkampfveranstaltung in Zingst Angela Merkel und Lorenz Caffier (Foto: picture alliance/dpa/B. Wüstneck)
Sind bester Laune: CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier und Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture alliance/dpa/B. Wüstneck

Die SPD erwähnt Merkel nicht

Dabei ist eigentlich jeder Punkt ihrer Rede eine komplette Weltkrise. Russland? "Man muss schon die Integrität von Grenzen beachten, wir werden weiter mit Moskau darüber reden." Brexit? "Das ist wohl endgültig, denke ich, aber Großbritannien bleibt ja da, wo es ist, und bleibt wichtig." Es entsteht das wohlige Gefühl, dass diese Frau alles im Griff hat. Zur Flüchtlingskrise: "Die Türken, die Jordanier, die nehmen viele Millionen Flüchtlinge auf, wir in Europa mit 500 Millionen Einwohnern etwas über eine Million. Also, das müsste doch gehen!" War die Beliebtheit der Kanzlerin wegen solcher Sätze nicht dramatisch gesunken in den letzten Monaten? Hier in Zingst nehmen die Menschen diesen Satz jedenfalls ohne Unmutsäußerung hin.

Ach so, die SPD. Wird nicht erwähnt. Zum Ende kommt Merkel noch mal auf die Kinder zu sprechen. "Einige von euch sehen aus, als seien sie schon etwas müde. Ich bin dann auch fertig." Noch ein paar Selfies, ein Gruppenbild mit der einheimischen Countryband, die zu Beginn aufgespielt hat. Und dann ist sie wieder weg, die seelenruhige Weltlenkerin. Wenn sie weitermachen will nach der Bundestagswahl in nächsten Jahr: An den Menschen hier in Zingst wird es nicht scheitern.