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Die Kidnapper kommen

Daryl Lindsey19. Dezember 2002

Sängerin Victoria Beckham wäre um ein Haar entführt worden, ein Mitglied der schwedischen Königsfamilie ebenfalls. Experten befürchten, dass Lösegeld-Erpressungen in Westeuropa zu einem wachsenden Problem werden.

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Prinzessin Madeleine ist noch einmal davongekommen.Bild: AP

Bis vor kurzem konnte die schwedische Prinzessin Madeleine unbehelligt mit ihren Freunden durch die Straßen von Stockholm streifen. Aber das ist nun vorbei. Die schwedische Tageszeitung "Expressen" berichtete, die Polizei habe eine Verschwörung gegen die 20-jährige Prinzessin auffliegen lassen: Beamte nahmen zwei Männer fest, die die Dritte in der Thronfolge kidnappen und für sie Lösegeld verlangen wollten.

Es war der zweite groß angelegte Entführungsversuch in Europa innerhalb von nur zwei Monaten. Im November verkündete die britische Zeitung "News of the World", ihre Reporter hätten ein Komplott gegen Ex-Spice-Girl Victoria Beckham aufgedeckt. Die Täter planten demnach die Entführung Victorias und ihrer Söhne, die sie mit Fußballmillionär David Beckham hat – angestrebtes Lösegeld: fünf Millionen Pfund.

Familie Beckham
Bild: AP

Banden nutzen offene Grenzen

Beide Male gehörten die verhinderten Täter zu osteuropäischen Verbrecherbanden. "Da die Grenzen immer durchlässiger werden, wird das Risiko von Entführungen zunehmen", sagt Leslie Edwards, Vorsitzender von Clayton Consulting im englischen Lincoln. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Versicherungen gegen Kidnapping. Edwards erklärt, die Polizei sei bis jetzt sehr erfolgreich darin, Entführungen zu verhindern. "Aber die Banden aus Osteuropa verfügen über wohlorganisierte Strukturen und dehnen sich nach Westen aus. Und Fußballspieler oder sonstige Berühmtheiten sind leicht aufzuspüren und zu verfolgen."

Das Problem in Zahlen zu fassen, ist schwierig, weil Polizeibehörden wie Europol keine Statistiken über Erpressungen führen und wahrscheinlich viele Opfer das Verbrechen nicht melden – aus Angst vor der Rache der Entführer. Im Jahr 2000 berichtete die "Times of London" von 12.500 Entführungen weltweit – doppelt so viele wie fünf Jahre vorher. Die russische Mafia soll sogar ein U-Boot benutzt haben, um einen schwedischen Geschäftsmann zu entführen.

Sicherer, aber immer noch gefährdet

"Die Bedrohung ist in Europa nicht so groß wie anderswo", sagt Jeffrey Green, Vorsitzender von "Asset Security Management" in London, der seit mehr als 20 Jahren Versicherungen gegen Kidnapping verkauft. "In Europa haben wir ausgereiftere Sicherheitssysteme. Die Polizei ist vertrauenswürdig und Korruption kaum verbreitet." Im Vergleich zu Kolumbien etwa ist die Entführungsrate hier deutlich niedriger.

Trotzdem sieht Green eine wachsende Bedrohung durch Banden aus Osteuropa. "Sie müssen nur ein paar Hundert Kilometer nach Westen fahren und haben dann eine große Auswahl an potenziellen Opfern, die sich ihrer Gefahr kaum bewusst sind."

Routine kann gefährlich sein

Green findet aber auch, dass Westeuropäer beginnen, die Bedrohung verstärkt wahrzunehmen. "Es tauchen mehr Fälle auf. Aber die Frage ist, ob es sich dabei um eine Zunahme der Entführungen handelt oder ob die Menschen bloß eher geneigt sind, sie zu melden."

Mitglieder der Königshäuser, Popstars und Geschäftsleute können eine Versicherung abschließen, um sicher zu gehen, dass im Ernstfall ihr Lösegeld bezahlt wird. Laut Diane Borden von der New Yorker Versicherungsgesellschaft AIU ist eine 5-Millionen-Dollar-Police für 10.000 bis 20.000 Dollar pro Jahr zu haben. Aber man kann günstigere Schutzmaßnahmen treffen. Eine Prinzessin sollte sich von einem Leibwächter begleiten lassen. Außerdem sollten Promis versuchen, einen für andere möglichst unvorhersehbaren Tagesablauf zu entwickeln, rät Green.