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Unternehmen Kindergarten

Anne Herrberg30. Mai 2008

Es gibt in Deutschland zu wenig Betreuungsangebote für Kinder. Könnten private Anbieter die Lücke füllen? Gefährlich, sagen die einen. Sie müssen sogar, sagen die anderen.

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Kinder in einer privaten Kita auf Rügen (Quelle:dpa/lmv)
Privat oder gemeinnützig: den Kindern ist das egal, wenn die Atmosphere stimmtBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

"Todunglücklich und gelangweilt" sei ihre Tochter in ihrem Kindergarten gewesen, sagt Jelena Wahler. Damals, als die junge Familie, nach einem Studienaufenthalt aus den USA nach Deutschland zurückkehrte. Denn im Gegensatz zu den Kitas dort, wäre sie im deutschen Kindergarten "nur verwahrt" worden. Wie ihre Tochter erwartet auch Jelena und Peter Wahler mehr von Kinderbetreuung.

Mit dem zweiten Kind kam die Entscheidung: Die beiden studierten Maschinenbauer gründeten in Stuttgart selbst eine Krippe. Später folgte ein Kindergarten. Das war 2006. Mittlerweile ist daraus das Unternehmen "Little Giants" geworden – die erste bundesweite private Kita-Kette. 50 Einrichtungen sollen in drei Jahren aufgebaut werden – schon jetzt ist die Nachfrage riesig. Hinter "Little Giants" steht ein ausgefeilter Businessplan und eine klare Zielsetzung: kleine Gruppen, gemeinsame Projekte, genügend gut ausgebildete Betreuer - auch englischsprachige Erzieher gibt es.

Kinder sind nicht Paprika

Kinder früh zu fordern und zu fördern ist auch Ziel eines Gesetzesentwurfes der Bundesregierung (Kinderförderungsgesetz KiFöG). Der sorgt derzeit jedoch für hitzige Debatten. Dabei geht es eben genau um die Frage, wie mit privaten Anbietern wie "Little Giants" zukünftig umgegangen wird. Sollen nicht nur gemeinnützige, sondern auch kommerzielle Kindergärten, Zuschüsse vom Staat bekommen? Für Wahler wäre das nicht nur ein wichtiger Schritt, um die Beiträge senken zu können. Bis zu 1000 Euro zahlen Eltern in manchen Kommunen für einen Platz: "Ganz schön happig", sagt der Stuttgarter Vater Michael Weinmann. Als Sachbearbeiter gehört er nicht zu den Top-Verdienern. Einen anderen als den privaten Platz, gab es damals aber nicht für Tochter Natasja. Private zu fördern sei daher unbedingt notwenig für einen Staat, der angekündigt hat 750.000 neue Kita-Plätze zu schaffen: "Das schafft er nicht allein."

Kinder in Kindergarten
Wer in Kitas früh gefördert wird, hat später bessere ChancenBild: AP

Contra gibt es dagegen von Kirchen und Gewerkschaften. "Kinderbetreuung ist keine Angelegenheit, mit der man Geschäfte macht wie mit dem Handel von spanischer Paprika", sagt Bernhard Eibeck von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er befürchtet, mit dem Gesetz könnte eine zentrale Hürde fallen: Nämlich, dass sich der Staat aus der Fürsorgepflicht zurückzieht und nationale Qualitätsstandards den Regeln des Marktes überlassen werden. Damit, so Eibeck, seien die Türen geöffnet für globale Kindergarten-Multis und ihre "Aldi-Kitas".

Fällt der Kurs fällt der Kita-Platz?

Beispiel Australien: Dort wurde der Unternehmer Eddy Groves mit dem börsennotierten Kindergarten-Konzern "ABC-Learning" zum reichsten Mann des Kontinents, expandierte nach Kanada, England und die USA – bis 2008 der Aktienkurs einbrach. Nach wie vor bangen Tausende von Eltern um die Sicherheit der Kinderbetreuung – gemeinnützige Einrichtungen gibt es kaum noch. Für England, wo mittlerweile 85 Prozent der Kinderbetreuung in privater Hand liegen, kommt Helen Penn, Professorin für Früherziehung an der Universität East London, zu dem Schluss: Privaten mangle es oft an Qualität und sozialer Verantwortung.

Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie (FIBS) warnt vor dem "Zerrbild“ – "alles was nicht öffentlich ist, ist schlecht". Richtig sei, dass gerade im Bereich Fürsorge, Bildung und Betreuung nicht die Börse und kurzfristiges Gewinnstreben die Regeln bestimmen sollten. Doch gerade in Deutschland gäbe es auch genügend Beispiele für "enorm schlechte" gemeinnützige Bildungseinrichtungen. Deswegen, so Dohmen, sei er grundsätzlich für Wettbewerb auch mit Privaten – "wenn er fair abläuft". Für ihn geht die Diskussion am Thema vorbei. Die Frage sei nicht, privat oder gemeinnützig: "Der Kernpunkt ist Qualitätskontrolle." Warum nicht alle drei Jahre eine Art Kita-TÜV einführen, so Dohmen. "Sehr zufrieden," lautet das Urteil der Weinmanns für "Little-Giants" bisher - die kleine Natasja lernt gerade Buchstaben und Tomaten pflanzen.