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Leben ohne Trinkwasser

Thomas Kruchem Redaktion: Christine Harjes23. Februar 2009

Das Leben in Slums ist für viele Afrikaner bittere Realität. Auch in Südafrika leben Millionen Schwarze in tristen Wellblechhütten, fernab von jeglicher Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung.

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Gestank und Verfall: Plumpsklo im SlumBild: Thomas Kruchem

Von Thomas Die Morgensonne beleuchtet Beton- und Wellblechverschläge in öder Steppe, Autowracks, eine von grauem Staub bedeckte Akazie. Unter dem Baum diskutieren zornig schwarze Frauen und auch einige Männer. Orange Farm heißt ihre schäbige Siedlung. Sie liegt 50 Kilometer südlich von Johannesburg am so genannten "Golden Highway". Das größte Problem hier heißt "Wasser".

Heim für Oma und drei Enkel. Millie Sentis Wellblech-Hütte
Heim für Oma und drei Enkel: Millie Senti vor ihrer Wellblech-Hütte.Bild: Thomas Kruchem

"Für unser Trinkwasser stehen wir Tag für Tag Schlange", sagt Millie Senti, eine alte Frau mit blutunterlaufenen Augen unter dem verwaschenen Kopftuch. "Dann stellen sie die Leitung ab; und erst abends um neun oder zehn kommt wieder Wasser. Wir schlafen dann schon, wachen auf vom Lärm, ziehen uns an – und stehen Schlange." Etwas einfacher hätten es nur "Wohlhabende", die illegal die Hauptleitung anzapfen.

Doch auch das Wasser aus den "privaten" Leitungen sei schmutzig, klagt, aggressiv gestikulierend, der etwas jüngere Bramich Seget. "Wenn wir den Wasserhahn öffnen, riecht es nach Fisch und manchmal nach sehr schmutzigen Dingen. So viele Leute hier werden krank und haben Bauchschmerzen."

Orange Farm liegt nicht weit vom Vaal River entfernt. Der 1200 Kilometer lange Vaal, der weiter südlich in den Orange mündet, ist eine Kloake. In ihn entlassen Bergbau und Industrie der Provinz Gauteng ihre Abwasser. Millionen Schwarze, die sonst keinen Platz gefunden haben, siedeln an seinen Ufern. Und die meisten trinken unzureichend gereinigtes Wasser aus dem Fluss.

"Bleach" und Plumpsklo

Millie Senti, dreifache Großmutter, hat eine Tochter durch Aids verloren. Die zweite, Miriam, liegt tuberkulosekrank auf einer Matte. In der zitternden Hand hält sie ein Glas Wasser, an dem sie ab und zu nippt. Weil Strom und Kohle teuer sind, kochen die meisten hier ihr Wasser nicht ab, sagt Millie Senti. Stattdessen rühren sie zwei Löffel eines Mittels, das sie "Bleach" nennen, in das Wasser und lassen es über Nacht stehen.

Und wie steht es um die sanitären Anlagen? Die alte Frau deutet auf eine kaum zehn Meter entfernt stehende, von Fliegen umsurrte Blechkabine, von der ein unerträglicher Gestank ausgeht. "Wir benutzen Plumpsklos. Und ich habe kein Geld, mein Klo leeren zu lassen. Deshalb benutze ich jetzt einen Eimer, den ich jeden Morgen leere – dort hinten, neben dem Komposthaufen." Mit dem Kompost düngt die alte Frau, die mit ihren drei Enkeln in einem Blechverschlag lebt, ihre Kohl- und Karottenbeete. Die braucht sie, weil ihr Geld nur für "millimeal", billiges Maismehl, reicht. Gemüse bekommt die Familie ausschließlich aus dem eigenen Garten.

Sauberes Wasser umsonst?

Die Wasserversorgung in Townships wie Orange Farm sei vor allem deshalb so schlecht, weil Millionen Bewohner südafrikanischer Armensiedlungen für ihr Wasser nichts bezahlten, sagt Peter Ashton, Wasserexperte am staatlichen Forschungsinstitut CSIR in Pretoria. "Menschen in Afrika wehren sich entschieden dagegen, für Wasser etwas zu bezahlen. Das Wasser sei ein Geschenk Gottes, sagen sie, und die Regierung verpflichtet, ihre Bürger mit sauberem Wasser zu versorgen – und zwar umsonst." Südafrikas Regierung, berichtet Ashton, versuche diese in traditionellen Werten wurzelnde Einstellung zu ändern und die Versorgung mit kostenlosem Wasser zumindest zu begrenzen. Bislang fast ohne Erfolg. So mussten die Behörden Wasseruhren, die nach Entnahme einer recht großzügig bemessenen Menge das Wasser abstellten, wieder abbauen: Bewohner eines Townships in der Nähe von Johannesburg hatten gegen die Uhren geklagt. Und so hätten lokale Wasserbehörden heute einfach kein Geld, Leitungen zu reparieren und Kläranlagen zu sanieren für die halblegalen Siedlungen außerhalb der Städte Südafrikas, sagt Peter Ashton achselzuckend.

Frauen in Orange Farm Südafrika
Die Frauen von Orange Farm machen mobil gegen kostenpflichtiges Wasser.Bild: Thomas Kruchem

Geld für Fußball statt für Wasser?

In der Bevölkerung von Armensiedlungen wie Orange Farm wächst derweil die Wut. Die Regierung gebe Milliarden aus für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010, sagen Millie Senti und ihre Nachbarn. "Und wenn wir uns beschweren, sagen die Bürokraten, die Rohre seien eben alt. Und seit Jahren versprechen sie, neue Rohre zu legen, was aber nicht geschieht."

Jetzt helfe nur noch entschlossene Gegenwehr, sagt die alte Frau und ballt die Fäuste. "Wir gehen von Tür zu Tür und erklären unseren Nachbarn, wie wir auf den Wasser-Missstand reagieren müssen. Und wenn wir die Nase voll haben, schließen wir den 'Golden Highway'. Darauf werfen wir dann eine ganze Nacht lang Steine. Erst um vier Uhr früh gehen wir zurück in unsere Hütten."