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Die Kunst zu versteuern

Stefan Dege / (pt)5. November 2002

Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer erhöhen - auch für Kunstwerke. Die Folgen würden eine schon jetzt eher schwächelnde Szene hart treffen.

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Kunst lebt nicht vom Anschauen alleinBild: dpa

Düstere Farben sehen derzeit Kulturschaffende am Himmel über den deutschen Kunstmarkt aufziehen. Das neue Sparpaket der Bundesregierung kann auch die von jeher auf Steuergelder und Zuwendungen angewiesene Kunstbranche hart treffen: Wenn der Plan, die Mehrwertsteuer von sieben auf 16 Prozent durchgesetzt werde, so Bernd Fesel, Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Galerien, dann sieht er schwarz: "Es wird dazu führen, dass die Künstlereinkommen sinken oder Galeristen ihre Verkäufe im Ausland abwickeln. Galeristen sind nicht in der Lage, (bei einem Jahresverdienst von 30.000 Euro) diese doppelte Steuerlast aufzufangen."

Hohe Steuern und Besucherflaute

Schon jetzt sehen sich Deutschlands Galeristen gegenüber ausländischen Konkurrenten im Wettbewerbsnachteil. Wer hierzulande Kunst kauft, zahlt vier Prozent des Preises für die Sozialversicherung der Künstler. Ist es ein Weiterverkauf, werden noch einmal fünf Prozent fällig. Die Einkommensteuer liegt in Deutschland höher als sonst wo in Europa. Zugleich stagnieren die Besucherzahlen im Kunstmarkt seit geraumer Zeit, während Transportkosten, Versicherungen und Mieten für Ausstellungsräume - spätestens seit der Terrorwelle des 11. September - kräftig gestiegen sind.

Brotlose Kunst

Mic Enneper ist Künstler, lebt und arbeitet in Köln. Seine Arbeiten hängen und stehen am Stand der Düsseldorfer Galerie Bugdahn und Kaimer im Obergeschoss der Art Cologne, die kürzlich in Köln stattfand. Mehr schlecht als recht bringen er und seine Frau Claudia, die ebenfalls Künstlerin ist, die beiden Kinder der Familie durch. Vom durchschnittlichen Jahreseinkommen bildender Künstler in Deutschland, das der Deutsche Kunstrat derzeit mit rund 10.000 Euro angibt, liegen beide nicht weit entfernt. Der Künstler und Familienvater ist besorgt: "Die Sammler drücken heute schon jeden Preis. Wenn da 20.000 Euro steht, dann bekommt man 16.000. Insofern ist das geschäftsschädigend."

Rückschlag für die Kunstförderung

Markus Draper hat eine der begehrten Förderkojen auf der Art Cologne belegt, mit einer raumfüllenden Installation. Als Künstler der Dresdner Galerie Gebrüder Lehmann ist dem 33-Jährigen so die Aufmerksamkeit der Kunstwelt sicher. Es könnte der erste Schritt zum Durchbruch sein.

Doch Galerist Ralf Lehmann benennt die Probleme, die engagierten Galeristen - und ihren Künstlern - durch die Steuerpläne der Regierung drohen. Der Gewinn, der aus dem Verkauf von Kunstwerken entstehe, diene auch der Förderung der Künstler, in Kataloge oder Material beispielsweise. Die Mehrwertsteuer-Erhöhung sei auch "ein Rückschlag" für die Förderung, so der Galerist.

Schlechte Aussichten also für den Künstler-Nachwuchs. Dagegen gute für den Schwarzmarkt: Künftig würden noch mehr Geschäfte am Fiskus vorbei gemacht, prophezeit Lehmann. Sein Kollege Karsten Greve, weltweit operierender Galerist aus Köln, kritisiert das politische Signal: "Die Politik hat nicht begriffen, dass Kultur und Wissenschaft die elementaren Positionen eines Landes sind. Und gerade der dekadente Westen hat nur eine Überlebenschance über Wissen, über Kultur."