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Politik

Die "Landshut" kommt zurück

28. Juli 2017

Die Landshut war vor 40 Jahren ein Schicksalsort nicht nur für die 91 Geiseln. Auch für den deutschen Staat war die Entführung der Boeing eine Herausforderung. Nun kommt das Wrack ins Museum.

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Lufthansa Landshut 1977 - 2017
Bild: picture-alliance/dpa/TMA Fortaleza/P. Wagner

Gaby Coldewey kann sich über die Entscheidung nur wundern. Aber die Rückkehr der "Landshut" nach Deutschland ist beschlossene Sache. In Brasilien zerlegt und später in einer russischen "Antonov" nach Deutschlands ausgeflogen, soll sie ihre wirklich allerletzte Ruhestätte im Luftfahrtmuseum in Friedrichshafen am Bodensee finden - als bleibende Erinnerung an das Geiseldrama von 1977.

Den Hype um das tonnenschwere Alteisen, das ein Stück Zeitgeschichte und sogar Symbol des wehrhaften deutschen Staates sein soll, versteht sie nicht. Dabei war sie mit dabei, vor 40 Jahren, auf dem Höhepunkt des sogenannten "Deutschen Terrorherbstes". Sie war acht und saß in der "Landshut", der Boeing 737, die am 13. Oktober 1977 auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt/Main entführt worden war.

Das Drama um die "Landshut"

Die "Landshut" als Trauerort?

"Ich brauche kein Denkmal", schrieb sie in der Tageszeitung und widerspricht  damit dem Historiker Martin Rupps, der ein Buch über die "Überlebenden von Mogadischu" geschrieben hat. Rupps gehört zu denen, die die Heimholung der inzwischen zur Legende gewordenen "Landshut" begrüßt. "Opfer brauchen für ihre Trauerarbeit Orte", findet er.

Auch Jürgen Vietor, damals Co-Pilot im Cockpit, ist angetan von dem Vorhaben: "Eine tolle Nachricht! Die 'Landshut' …gehört nach Deutschland!" Glücklich zeigt sich auch Gabriele von Lutzau, die vor 40 Jahren als Stewardess Geisel der palästinensischen Terroristen war und damals noch Dillmann hieß. Wir verdanken der "Landshut" unser Leben, sagte sie der Bild-Zeitung.

Tatsächlich hatte auch das Flugzeug damals einiges mitgemacht. Eine Notlandung während der Odyssee hatte die Maschine schwer beschädigt. Fast fünf Tage dauerte die Entführung. Rund 9.000 Kilometer Irrflug über die Stationen Rom, Larnaka, Beirut, Damaskus, Bagdad, Kuwait Stadt, Manama, Dubai und Aden mussten die 91 Geiseln in permanenter Todesangst aushalten. Die hygienischen Verhältnisse an Bord waren unerträglich, die Temperaturen ebenso. Das andauernde Sitzen über 106 Stunden war für einige der älteren Passagiere schon per se ein Gesundheitsproblem mit Risiko. Am schlimmsten war der Moment, als alle mit Alkohol aus den Duty-Free-Shops überschüttet wurden, damit sie "besser brennen" sollten, falls die Entführer das Flugzeug in die Luft jagen sollten. Der Jüngste an Bord war gerade erst drei Jahre alt. Doch alle überlebten, nur Pilot Jürgen Schumann nicht, den hatten die Terroristen schon am 16. Oktober in Aden erschossen und auf die Rollbahn geworfen.

Die entführte Lufthansa-Maschine Landshut (AP)
Kurz vor seinem Tod: Jürgen Schumann, der Pilot am 15. Oktober auf dem Flughafen von Dubai. In Aden wurde er wenig später erschossenBild: picture-alliance/AP Photo/H. Koundakjian

Die RAF und die Internationalisierung des Terrors

Die Entführung der "Landshut" war der Höhepunkt des "Deutschen Herbstes". Zuvor hatten Terroristen der "Rote-Armee-Fraktion" (RAF) Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto ermordet. Am 5. September wurde Hanns-Martin Schleyer, der Präsident des Arbeitgeberverbands, entführt. Die RAF forderte die Freilassung von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und anderen der ersten RAF-Generation. Sie alle saßen im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim ein.

Helmut Schmidt (SPD), damals Bundeskanzler, ging darauf nicht ein. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verschaffen kaperten vier palästinensische Terroristen der PLFP, der Volksfront zur Befreiung Palästinas, die "Landshut" am 13. Oktober. Die Kooperation zwischen deutschen und palästinensischen Terror-Kommandos gilt als ein frühes Beispiel für koordinierte Anschläge internationaler Terrorgruppen. Der Versuch scheiterte am 18. Oktober. Dank eines Mannes, der sich und seine kleine Truppe jahrelang für einen solchen Einsatz vorbereitet hatte: Ulrich Wegener. 
Die Stunde der "GSG9"

RAF Flugzeugenführung Mogadischu 1977 Bundesminister Hans-Juergen Wischnewski
Er war der Emissär des Bundeskanzlers: Hans-Jürgen Wischnewski nach seiner Rückkehr von der Operation MogadischuBild: picture-alliance/dpa

Die Aktion der GSG9, eine Spezialeinheit der deutschen Bundespolizei, begann im Schutze der Nacht. Mit Leitern und Übungshandgranaten, die nicht scharf waren, enterten die Schwerbewaffneten das Flugzeug. "Köpfe runter! Wo sind die Schweine?", soll einer von ihnen gerufen haben. Drei der vier Terroristen wurden erschossen. Eine der beiden palästinensischen Frauen erlitt schwere Verletzungen. Keine einzige Geisel wurde bei dem Einsatz verletzt. Seitdem gilt Ulrich Wegeners GSG9 als deutsche Legende. Als die Nachricht die Runde macht, nehmen sich die RAF-Anführer in Stammheim das Leben. Einen Tag danach wird Hanns-Martin Schleyer tot in einem Kofferraum eines abgestellten Autos im Elsass aufgefunden. Er wurde durch Kopfschuss hingerichtet. Auch in den Folgejahren mordet die RAF weiter, doch der Herbst 1977 gilt als Höhepunkt der deutschen Terrorzeit. Und die kategorische Weigerung der Bundesregierung, den Forderungen der Terroristen nachzugeben, gilt seitdem als Beispiel für den unbeugsamen Staat.  

Was vom Flugzeug übrig bleibt

Die "Landshut" war zur Chiffre der Zeit geworden, doch das Flugzeug selbst geriet in Vergessenheit. Es wurde nach der Geiselbefreiung von Mogadischu repariert und von der Lufthansa bis 1985 für Linienflüge eingesetzt. Selbst nach ihrem Verkauf leistete die Boeing noch sechs weiteren Besitzern Dienste - zuletzt auch als Frachtmaschine. 2008 legte die brasilianische Airline TAF Linhas Aéreas die Boeing still. Seitdem steht sie in Fortaleza auf dem Flugzeugfriedhof und rostet vor sich hin. 38 Jahre war die Landshut in Betrieb und absolvierte dabei mehr als 60.000 Flüge.

Mogadischu-Geiseln in Frankfurt/Main gelandet
Gerettet: Co-Pilot Jürgen Vietor und die am Bein verletzte Stewardess Gabi Dillmann nach ihrer Rückkehr in FrankfurtBild: picture-alliance/dpa

Nun wird sie filetiert und am Bodensee wieder aufgehübscht präsentiert, sozusagen als Fremdkörper der Dauerausstellung, in der sonst nur Flugzeuge des Herstellers Dornier zu bewundern sind. Es bleibt bei all dem Rummel um so viel altes Eisen, ein Nachgeschmack. Denn um die Geiseln hat sich niemand in all den Jahren danach so gekümmert, wie seit Jahren das "Unternehmen Heimholung" um die "Landshut". Viele der heute noch Lebenden leiden unter Traumata und plötzlichen Panikattacken. Psychologische Betreuung oder gar eine Entschädigung wurde ihnen zu keinem Zeitpunkt angeboten, gibt die Ex-Geisel Gaby Coldewey zu bedenken. Das Flugzeug aber hat das Außenministerium jetzt für 20.000 Euro zum Schrottpreis angekauft, Transport und  Restaurierung sollen dem Vernehmen nach rund zwei Millionen Euro kosten.        

RAF  - "Todesspiel" - Landshut-Entführung als Film
Das Drama um die Geiseln der "Landshut" wurde später verfilmt. Der Zweiteiler "Todesspiel" thematisierte auch Entführung und Tod von Hanns-Martin SchleyerBild: picture-alliance/dpa/N. Bachmann
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Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe