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"Die Leute wollen keinen Wahlkrieg, sondern wählen!"

Das Interview führte Lenz Hörburger25. Januar 2006

In Palästina wird heute (25.1.) gewählt. Der Urnengang verläuft ausgesprochen ruhig, die Stimmung ist fröhlich und Unregelmäßigkeiten konnte Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Wahlbeobachterin in Nablus, auch nicht feststellen.

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Palästinenser an die Urnen gerufenBild: AP

DW-World: Frau Vermot-Mangold, Sie sind als Wahlbeobachterin des Europarates in den Palästinensergebieten unterwegs. Wo verfolgen Sie am heutigen Wahltag (25.1.) den Urnengang?

Ruth-Gaby Vermot-Mangold: Heute morgen um sechs Uhr sind wir losgefahren nach Nablus. Wir hatten große Schwierigkeiten nach Nablus hinzukommen, die Israelis wollten uns nicht durchlassen. In Nablus sind wir dann bis Mittag geblieben und wir haben in etwa 20 Wahllokalen beobachtet, wie es abläuft. Es ist sehr ruhig vorgegangen. Die größte Aufregung ist dann immer in den Straßen, da sind die verschiedenen Parteien, die verteilen auch Papiere und ihre Unterlagen. Aber in den Wahllokalen ist alles sehr ruhig. Die Leute machen das wirklich sehr professionell: sowohl diejenigen, die wählen, als auch jene, die hinter den Tischen sitzen und den ganzen Ablauf garantieren.

Die Europarat-Abgeordnete Ruth-Gaby Vermot-Mangold
Europarat-Wahlbeobachterin Ruth-Gaby Vermot-MangoldBild: presse

Gestern (24.1.) wurde in Nablus im Westjordanland ein palästinensischer Wahlkampfhelfer erschossen. Ist die Situation dort vor Ort zugespitzt?

Es war eine Fatah-interne Abrechnung, dass dieser Wahlhelfer leider erschossen wurde. Heute als wir da waren, war gerade die Beerdigung. Und das trägt natürlich nicht zur Beruhigung bei. Aber die Leute lassen sich jetzt nicht provozieren, auch in der Nähe dieser Beerdigung nicht. Die Leute kämpfen immer noch für ihre Kandidaten und Kandidatinen: Es ist zwar viel Musik, viel Lärm, es gibt viele Autos mit Fahnen, viele Menschen mit Hüten in den Farben ihrer Partei, aber es ist wirklich sehr ruhig. Jetzt sind wir in Qalqiliya, das ist die Stadt, die völlig umschlossen ist von einer Mauer. Auch hier ist es ruhig. Soeben hat mir jemand gesagt, sie seien ganz glücklich, dass alles so gut geht, weil es wirklich wichtig ist zu zeigen, dass sie demokratisch wählen können und wollen.

Kann man nach Ihren bisherigen Beobachtungen von einem Wahlgang unter fairen und freien Bedingungen ausgehen? Konnten Sie Unregelmäßigkeiten feststellen?

Nein, überhaupt nicht. Es ist alles okay und ich denke auch die Vorwahlzeit war außer diesen verschiedenen Abrechnungen ziemlich okay. Die Kandidatinnen und Kandidaten der verschiedenen Parteien waren ebenfalls in den Medien gerecht vertreten. Auch die EU-Kommission, die die Wahlen vorbereitet hat mit den Leuten, ist eigentlich sehr zufrieden und sehr zuversichtlich, dass diese Wahlen frei und fair ablaufen werden. Es gibt natürlich Auseinandersetzungen zwischen der Hamas, der Fatah und den anderen Parteien. Diese Auseinandersetzungen sind natürlich politisch sehr hart. Es ist zu hoffen, dass die politische Härte, die mit Worten und Bildern gemacht wird, dann nicht übergreift. Aber ich bin im Moment sehr zuversichtlich. Ich bewege mich auch total frei in diesen großen Menschenmengen. Es ist eine fröhliche Stimmung, und es ist wirklich zu hoffen, dass es so bleibt.

Fühlen Sie sich nicht akut in Gefahr oder sehen eine Gefahr für andere internationale Wahlbeobachter?

Palästinenserin auf dem Weg zum Wahllokal Wahlurne Wahlen Gaza-Stadt
Palästinenserin geht wählenBild: AP

Hier in Nablus und Qalqiliya im Moment ganz sicher nicht. Ich habe gehört, dass in anderen Orten auch keine Gefahr besteht. Die Leute wollen keinen Wahlkrieg, sondern sie wollen wählen. Sie drücken uns die Hände, wenn wir reinkommen, erklären uns, dass schon ein Drittel oder die Hälfte gewählt hätten, und dass die Leute alle kommen. Es sind sehr, sehr viele Frauen beschäftigt. Palästina hat ja jetzt eine Quote eingeführt, so dass Frauen zuvorderst auf der Liste sein müssen, damit auch Frauen im Parlament sind. Das ist wirklich sehr fortgeschritten. Ich hoffe, dass es bis heute Abend so bleibt.

Wie spürbar macht sich die erste Teilnahme der Hamas an den Parlamentswahlen?

Das ist das erste Mal, dass die Hamas an den Wahlen teilnimmt. In Nablus war natürlich eine sehr starke Vertretung der Hamas und der Fatah. Da sieht man schon: die wollen in diese Regierung, die wollen ins Parlament. Es ist natürlich ein Novum und daher sind alle sehr gespannt, wie das ausgeht zwischen der Hamas und der Fatah. Das sind ja die beiden Exponenten, die sich zentral gegenüberstehen.

Wahlen in Palästina Hamas
Hamas noch ruhigBild: AP

Wie werden Sie schlussendlich beurteilen, ob die Wahlen nach den demokratischen Spielregeln verlaufen sind?

Bis zwei, drei Uhr Nachts werden wir bei den Auszählungen dabei sein. Das ist ja dann auch das wichtigste: wie wird ausgezählt, gibt es da noch irgendwelche Betrügereien. Aber morgen werden wir das dann wissen. Die Resultate werden nicht vor 24 Stunden bekannt werden. Das ist ja klar, es ist ja auch ein kompliziertes Verfahren: es sind viele Kandidaten, viele Parteien. Morgen werden wir unsere Beobachtungen deponieren und fragen: Haben wir Unregelmäßigkeiten bemerkt oder nicht? Es wird sich dann herausstellen, ob die Wahlen fair, frei und transparent waren.

Ruth-Gaby Vermot-Mangold ist Schweizer Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europartes. Derzeit ist sie im Auftrag des Europarates als Wahlbeobachterin in Palästina unterwegs.