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Die Liberale und die Scheichs

14. Mai 2009

Aseel al-Ahwdi könnte die erste Frau sein, die in das kuwaitische Parlament einzieht. Das ist schon fast revolutionär, denn bis vor drei Jahren durften Frauen in dem Ölstaat noch nicht einmal wählen.

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Aseel al-Ahwdi, liberale Kandidatin für das kuweitische Parlament (Foto: Aseel al-Ahwdi)
Aseel al-Ahwdi kandidierte bereits 2008 - ohne Erfolg

Es ist ein schwieriger Kampf, vor allem für die weiblichen Kandidaten, wenn am Samstag (16.05.2009) der Ölstaat Kuwait ein neues Parlament wählt: Denn erst vor drei Jahren wurde in Kuwait den Frauen das Wahlrecht zugebilligt und sie dürfen nun auch kandidieren. In dieser Zeit wurden zwar aufgrund innenpolitischer Querelen bereits drei neue Parlamente gewählt, aber immer übten konservative Kräfte derart massiven Druck aus, dass keine der rund 25 Kandidatinnen den Einzug ins Parlament schaffte.

Kuwaitis an der Wahlurne (Foto: AP)
Wahlen im März 2008 - das Parlament hielt sich nicht langeBild: AP

Dieses Mal könnte sich das Blatt jedoch zu ihren Gunsten wenden: "Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass es dieses Mal eine Frau ins Parlament schafft", sagt der kuwaitische Journalist und Politikwissenschaftler Mohamed el-Rumeihi, "vielleicht sogar zwei oder drei Frauen. Das kann man ganz deutlich an den Umfragen ablesen."

Wahlkampf im Internet

Eine der Favoritinnen ist die liberale Kandidatin Aseel al-Ahwdi. Die Philosophieprofessorin gibt sich weltlich: Sie trägt keinen Schleier, wirbt für mehr Demokratie und führt ihren Wahlkampf mit den modernsten Methoden, Blog und Fanseite bei Facebook inklusive.

Doch so viel Fortschritt bringt auch die Kritiker auf den Plan: "Skandal!" schrie die kuwaitische Presse, als vor einigen Wochen im Internet eine Tonaufnahme kursierte, in der al-Ahwdi vor ihren Studenten den Schleier als unislamisch bezeichnet haben soll. Für viele Kuwaitis – auch für die liberalen unter ihnen – grenzt dies an Blasphemie.

Die Aufnahmen seien aus dem Kontext gegriffen, verteidigte sich die Politikerin: "Letztes Semester habe ich an der Universität 'kritisches Denken' unterrichtet", erklärte sie auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Da ist es die Rolle des Professors, die Studenten zum Nachdenken anzuregen, indem er sie mit ungewöhnlichen Meinungen konfrontiert." Das sei natürlich nicht ihre eigene Meinung. Offenbar habe jemand diese Diskussion aufgenommen und später dann geschnitten, so dass der Sinn ihrer Aussagen entstellt wurde, vermutet sie.

Wirtschaft als Wahlkampfthema

Wahlplakat al-Ahwdi, (Foto: Aseel al-Ahwdi)
"Für eine neue Heimat" - mit diesem Slogan wirbt al-Ahwdi

Das Thema Frauen ist jedoch nur einer von vielen Streitpunkten zwischen liberalen und konservativen Kandidaten bei den Wahlen in Kuwait. Auch über die Wirtschaftspolitik sind sie sich uneins: Bisher konnte die konservative Mehrheit im Parlament die Privatisierung von Staatsunternehmen und eine Reform der Sozialpolitik verhindern. Derartige Maßnahmen sind jedoch dringend notwendig angesichts der Finanzkrise, die auch vor den arabischen Staaten nicht halt macht.

Trotz aller Kritik: Von allen Golfstaaten ist Kuwait einer der wenigen, in denen überhaupt gewählt wird und der einzige, dessen Abgeordnetenhaus eine nennenswerte Rolle zukommt. Und neuerdings wagen es die Parlamentarier sogar ab und an, sich mit dem Königshaus anzulegen. "Kuwait ist das Land mit der ältesten Verfassung in der ganzen Region", sagt Mohamed el-Rumeihi stolz: "Demokratie hat hier also Tradition. Aber dabei dürfen wir nicht vergessen, welche Probleme es hier derzeit noch gibt."

Der lange Weg zur Demokratie

Von diesen Problemen ist die Frauenbeteiligung nur eines. Mohamed el-Rumeihi bemängelt auch die relativ geringe Anzahl der Abgeordneten im Parlament: "50 Sitze reichen bei weitem nicht aus, um die Unterschiede innerhalb der kuwaitischen Gesellschaft adäquat zu repräsentieren", sagt er. Außerdem sei das politische System zu sehr auf Einzelpersonen fixiert, es gebe keine Parteien im westlichen Sinne. Seine Bilanz: "Insgesamt kann man sagen, dass es in Kuwait zwar eine demokratische Infrastruktur gibt, aber noch keine demokratische Kultur."

Autor: Mahmoud Tawfik
Redaktion: Ina Rottscheidt