1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Energieriesen unter Beschuss

Bernd Riegert19. September 2007

Die EU-Kommission will die Marktmacht großer Energieversorger brechen und verspricht sich davon sinkende Preise zum Wohle der Strom- und Gaskunden. Ein Gesetzesvorschlag soll jetzt für mehr Wettbewerb sorgen.

https://p.dw.com/p/BhX2
EU-Kommissionspräsident Barroso (l.) und EU-Wettberwerbskommissarin Neelie Kroes, Foto: AP
Zahlen Verbraucher den Preis für mangelnden Wettbewerb?Bild: AP

Ein explosives Gemisch aus Gas und Strom hat die Brüsseler EU-Kommission zusammengerührt und am Mittwoch (19.9.) kalkuliert gezündet. Die Kommissare beschlossen ihr drittes Energiepaket. Die EU-Kommission bläst darin zum Großangriff auf die Energiekonzerne.

Die Preise für Strom und Gas seien zu hoch, vor allem in Deutschland. Eine Untersuchung der EU-Kommission habe gezeigt, dass es in vielen Teilen Europas keinen Wettbewerb, sondern Monopole gibt. In Deutschland haben sich vier Konzerne den Markt aufgeteilt. Strom sei für deutsche Kunden um ein Drittel teurer als in Großbritannien, wetterte die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes: "Konsumenten und gewerbliche Kunden zahlen den Preis für den Mangel an Wettbewerb. Effektiver Wettbewerb ist längst überfällig."

Einer der vier großen deutschen Stromkonzerne: EON-Logo vor russischer Flagge, Foto: AP/DW
E.ON steigt auch auf dem russischen Strommarkt einBild: AP Graphics/DW

Zehn Jahre habe man versucht, die europäischen Märkte mit kleinen Schritten zu liberalisieren. Ohne Erfolg. Jetzt sei ein Quantensprung nötig, dem im Prinzip alle Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im März zugestimmt hatten, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er schlägt vor, dass sich Energieerzeuger von ihren Verteilungsnetzen, also Überlandleitungen für Strom und Fernpipelines für Gas trennen müssen: "Das Modell, das wir bevorzugen, ist vollständige Entflechtung, das von einer Firma verlangt, Erzeugung und Verteilung zu trennen. Das bringt mehr Wettbewerb und neue Verbindungen."

Enteignungen in Deutschland?

In Großbritannien ist dieser Schritt schon gemacht worden. Die deutschen Energiekonzerne befürchten hingegen eine Enteignung. Da Deutschland und Frankreich zusammen mit sieben weiteren EU-Staaten Widerstand leisten, hat die Kommission eine zweite Option im Angebot. Die Konzerne könnten die Netze behalten, müssen sie aber einem unabhängigen Betreiber zur Nutzung überlassen. Darüber wacht dann eine neue Aufsichtsbehörde. EU-Kommissionspräsident Barroso gab zu, das sei ein kompliziertes, bürokratisches Verfahren, das er nur anbiete, um Deutschland und Frankreich zufrieden zu stellen.

Der Chef des staatlichen französischen Energiekonzerns Gaz de France nannte die Vorschläge der Kommission bereits "gefährlich" und "unwirksam". Grenzüberschreitende Investitionen in europäische Überlandleitungen würden abgewürgt. Der Gefahr, dass ausländische Unternehmen wie die russische Gesellschaft Gazprom, europäische Netze aufkaufen, soll mit besonderen Klauseln begegnet werden, sagte EU-Kommissionspräsident Barroso: "Um unsere offenen Märkte zu schützen und die Vorteile der Entflechtung zu bewahren, ist es nötig, dass wir strikte Bedingungen für die Investitionen von Firmen aus Nicht-EU-Staaten festlegen. Alle müssen nach denselben Regeln spielen."

Preisvorteile ungewiss

Gazprom soll nur Leitungen in der EU kaufen können, wenn im Gegenzug Europäer Anteile am russischen Staatskonzern und dessen Förderanlagen erwerben können. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis eventuelle Reformen auf den europäischen Energiemärkten in Kraft treten. Jetzt sind erst einmal das Europäische Parlament und die Regierungen der Mitgliedsstaaten gefragt: "Natürlich wird jetzt die Diskussion um die konkreten Vorschläge beginnen", so Barroso, "Das wird ein hartes schwieriges Geschäft", so seine Prophezeiung.

Die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes wollte nicht beziffern, ob denn am Ende deutsche Stromkunden tatsächlich ein Drittel weniger für ihre Energielieferungen bezahlen müssen. Zumindest, so Frau Kroes vielsagend, werde der Preis nicht so stark ansteigen wie bisher.