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Die Manager der Meere

Britta Jahn3. April 2003

Umweltschützer schlagen Alarm. Die Bestände der Haie schrumpfen mit beängstigender Geschwindigkeit - und fatalen Folgen. Doch langsam formiert sich eine Lobby von Hai-Liebhabern, die um das Überleben der Tiere kämpfen.

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Droht auszusterben: Der weiße HaiBild: AP

Der Hai ist der fleischgewordene Alptraum jedes Strandurlaubers. Lautlos taucht er zu seinem arglos im Meer planschenden Opfer und beißt blitzschnell mit dem mächtigen Kiefer zu. So lautet zumindest eine weitverbreitete Vorstellung. Diese Mär vom blutrünstigen Monster schadet den Tieren: Unbemerkt von der Öffentlichkeit drohen Haie auszusterben.

Wissenschaftler der Dalhousie Universität im kanadischen Halifax schlugen in der Fachzeitschrift "Science" Alarm: Im Nordwestatlantik sei die Zahl der Haie in den letzten acht bis 15 Jahren um mehr als die Hälfte geschrumpft, bei den Hammerhaien gar um 89 Prozent. Auch die Bestände der so sehr gefürchteten Weißen Haie gingen an Amerikas und Kanadas Küsten um 80 Prozent zurück, konstatieren die Forscher. Der Trend ist alarmierend, auch wenn die Wissenschaftler keine konkreten Schlüsse auf die Haibestände im gesamten Atlantik ziehen können.

Ohne Haie droht das Chaos

Haiforscher Erich Ritter
Haiforscher Erich RitterBild: AP

Ein Haie-Sterben bedeutet für die gesamte Meeresfauna eine ökologische Katastrophe, erklärt Haiforscher Dr. Erich Ritter (Foto) in einem Interview mit DW-RADIO: Da die Tiere an oberster Stelle der Nahrungskette ständen, seien sie auch die "obersten Kontrolleure". Ohne sie würde auf den unteren Ebenen Chaos herrschen. Im übertragenen Sinn übten sie eine Managerfunktion aus und "ohne einen Manager fällt die Fabrik auseinander", so der Zoologe. Anders ausgedrückt: Das ökologische Gleichgewicht kippt. Ritter hat aus Sorge um die Tiere das "Sharkproject" gegründet, eine internationale Initiative zum Schutz und zur Erforschung der Haie, die auch deren Bedrohung aufklären will.

Halbtoter Beifang

Experten sehen drei Hauptgründe für den Rückgang der Bestände: die allgemeine Überfischung der Meere, umstrittene Fangmethoden mit Langleinen und die gezielte Jagd. Da Haie eben nicht vornehmlich Menschen fressen, sondern Fische und Robben, benötigen sie zum Überleben reiche Fischgründe. Wenn diese jedoch von Fischereiflotten ausgeschöpft werden, müssen die Haie verhungern, beklagen EU-Experten. Die kanadischen Forscher betrachten jedoch die Verwendung von Langleinen mit vielen Tausend Haken zum Fang von Tun- und Schwertfisch als Hauptproblem. Auch Haie werden damit geködert, mit den anderen Fischen an Bord gezogen und anschließend halbtot zurück ins Wasser gekippt. Der WWF konstatiert in einer Studie vom Dezember 2002, dass weltweit jährlich 12 Millionen Haie als so genannter Beifang sterben.

Zusätzlich werden Haie auf brutale Art und Weise als Fleischlieferant gejagt. Die EU-Kommission prangerte schon Mitte 2002 das weit verbreitete "Finning" an. Dabei werden den Haien bei lebendigem Leib die Flossen abgeschlagen und die halbtoten Tiere anschließend zurück ins Meer geworfen, wo sie qualvoll verenden. Ihre Extremitäten landen in ungezählten asiatischen Haifischflossensuppen, ihr Torso ist als Beilage weniger gefragt.

Keine Menschenfresser

Trotz dieser alarmierenden Entwicklung steht der Hai in seinem Überlebenskampf weit seltener in den Schlagzeilen als die "süßen" Delfine. Schuld daran ist sein negatives Image, meint eine wachsende Haie-Fangemeinde, die eine Lobby für die großen Räuber der Meere aufbaut. Darunter sind Vereine und private Initiativen, aber auch die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft.

Information ist alles. Schließlich enthüllt die Statistik, dass es weit wahrscheinlicher ist, von einer Kokosnuss erschlagen zu werden, als einer Hai-Attacke zu erliegen. Warum Haie trotzdem gelegentlich Surfer angreifen, will die Wissenschaft auch schon herausgefunden haben: Von unten betrachtet sieht das Brett mit den paddelnden Armen einer schmackhaften Robbe zum Verwechseln ähnlich.