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Die Medizin der Zukunft - bezahlbar für alle

9. Oktober 2009

Die Berliner Charité beginnt ihre 300-Jahr-Feierlichkeiten mit einem <i>World Health Summit</i>. Über die Medizin der Zukunft und die Aussichten für die Charité ein Gespräch mit dem Vorstandschef, Prof. Karl Max Einhäupl

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Gegründet wurde sie von Friedrich I. im Jahre 1710: Die Charité sollte als Seuchenhaus dienen, falls die damals in Europa grassierende Pest nach Berlin käme. Weltweit berühmt wurde die Klinik durch Mediziner wie Robert Koch, Paul Ehrlich und Rudolf Virchow. Sieben Nobelpreise gingen an Wissenschaftler des Hauses. Jetzt startet die Charité in das vierte Jahrhundert ihrer Geschichte, unter dem Motto "Medizin der Zukunft".

Interview mit Prof. Karl Max Einhäupl vor der Charité(Foto: DW-TV)
Karl Max EinhäuplBild: DW-TV

DW-WORLD.DE: Die Charité besteht aus 107 Kliniken und Instituten, sie ist Klinik, Universität und Forschungseinrichtung zugleich. In welchem Bereich ist die Charité am stärksten?

Karl Max Einhäupl: Die Charité hat den Anspruch, in allen drei Bereichen gut zu sein. Wir glauben aber, dass wir vor allem eins haben: einen Forschungsauftrag. Und mit Blick darauf denken wir, dass wir es geschafft haben, an die Spitze zu kommen.

Die Charité hat sieben Nobelpreisträger hervorgebracht. Wie wollen Sie an den Ruhm der vergangenen Jahre anknüpfen?

Ich muss zugeben, dass es nicht möglich sein wird, in den nächsten Jahren einen Nobelpreisträger zu präsentieren. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Charité es im Verlauf der letzten siebzehn Jahre wieder geschafft hat, die Nummer Eins in Deutschland zu werden, an den klassischen "science indicators" gemessen. Wenn wir diesen Weg fortsetzen, werden wir auch eines Tages wieder dabei sein, wenn in Stockholm der Nobelpreis vergeben wird.

Prof. Einhäupl beim Interview, aussen (Foto: DW-TV)
Einhäupl: "Der dringlichste Wunsch ist der, dass es uns gelingt, vor allem die jungen Wissenschaftler zu motivieren."Bild: DW-TV

Junge Wissenschaftler motivieren

Wenn ich jetzt eine gute Fee wäre und dem Chef der Charité einen Wunsch erfüllen wollte - welchen Wunsch hätten Sie?

Der dringlichste Wunsch ist der, dass es uns gelingt, vor allem die jungen Wissenschaftler zu motivieren, hier weiterzuarbeiten und sich darüber bewusst zu sein, dass sie in einer ganz herausragenden Institution tätig sind. Daraus kann ihnen die Kraft erwachsen, selbst unter den schwierigen Bedingungen, unter denen wir arbeiten, ihre Arbeit erfolgreich fortzusetzen.

Dass jeder Mensch gesund wird, das wird ja wohl ein Traum bleiben. Aber dass Medizin für alle bezahlbar wird, das müsste doch machbar sein, oder?

Ja, es wird aber immer schwieriger werden, weil der Fortschritt der Medizin so rasant voran geht und weil er immer mehr kostet. Es wird in der Tat für die forschenden Einrichtungen eine wichtige Verpflichtung sein, darüber nachzudenken: Wie können wir es schaffen, dass Medizin bezahlbar bleibt - nicht nur in diesem Land, sondern auch in Ländern, die wirtschaftlich nicht so stark sind wie wir.

Prof Einhäupl im Gespräch mit der Moderatorin Daniela Levy (Foto: DW-TV)
Einhäupl: "Ich hoffe, dass die Medizin der Zukunft dazu beitragen wird, dass die Menschen in Gesundheit älter werden."Bild: DW-TV

Das Ziel: personalisierte Medizin

Sie sind ja nicht nur Chef der Charité, Sie sind auch ein sehr erfahrener Neurologe. Aus Ihrer Sicht: Wie wird die Medizin der Zukunft aussehen?

Ich hoffe, dass die Medizin der Zukunft - wie sie das in der Vergangenheit auch getan hat - dazu beitragen wird, dass die Menschen in Gesundheit älter werden. Wir werden alle älter, aber das muss in Gesundheit geschehen. Ich gehe davon aus, dass es uns zusehends gelingt, Medikamente für ein einzelnes Individuum zu entwickeln. Personalisierte Medizin ist das Ziel, denn die Gene eines Menschen sind im Vergleich zu denen anderer Menschen höchst unterschiedlich. Und wir werden es in Zukunft wahrscheinlich schaffen, dass wir den Menschen individualisierte Medizin anbieten können.

Das heißt, ich gebe mein Genprofil ab, und Sie entwickeln mir die Medizin?

Wenn Sie das so einfach darstellen wollen, dann ist das sicherlich die Erklärung, die im Wesentlichen unsere Vision ausdrückt.

Alzheimer stoppen

Warum dauert es so lange, bis aus Forschung Medizin wird, beziehungsweise bis eine Entwicklung marktreif wird?

Das hat sicherlich damit etwas zu tun, dass Grundlagenforschung in der Regel an Tieren, heute überwiegend an Mäusen oder an Ratten, durchgeführt wird. Und die Maus und die Ratte sind eben etwas anderes als der Mensch. Wenn wir im Tierversuch ein Medikament erproben, dann haben wir einen sehr homogenen Patienten. Alle Tiere in diesem Versuch sind ähnliche oder gleiche Tiere. Menschen sind höchst unterschiedlich. Obwohl wir die gleiche Anzahl von Genen haben, etwa 30.000, reagieren wir in einer völlig anderen Weise auf Medikamente oder auf Krankheitserreger, als es die Tiere tun. Und das alles herauszufinden, dauert viele Jahre.

Welche Krankheit wird man in absehbarer Zeit in den Griff kriegen?

Ich glaube, dass es gar nicht möglich ist, eine ganze Krankheit in den Griff zu bekommen. Aber ich bin überzeugt davon, dass es von großer Wichtigkeit ist, vor allem die degenerativen Erkrankungen - die Alzheimererkrankung ist das beste Beispiel - aufhalten zu können. Wir verstehen heute sehr viel von den Mechanismen der Alzheimer-Erkrankung, aber wir haben noch nicht die Medikamente und Maßnahmen gefunden, die es uns erlauben, diese Krankheit zu stoppen.

Interview: Daniela Levy

Redaktion: Klaus Dartmann

Das Interview als Video sehen Sie bei Projekt Zukunft, dem Wissenschaftmagazin auf DW-TV.

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