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Die Nacht der Kompromisse

29. Juni 2012

Die wichtigsten Ergebnisse nach der Krisensitzung von Brüssel: Europa schließt einen Wachstumspakt, die Eurozone stützt ihre Sorgenkinder wie auch ihre Währung und Jean-Claude Juncker bleibt Chef der Euro-Gruppe.

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Bundeskanzlerin Merkel verlässt den Tagungsort des EU-Gipfels nach einer nächtlichen Krisensitzung (Foto: rtr)
Bild: REUTERS

In einer dramatischen Nachtsitzung haben sich die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer auf schnelle Hilfen für Spanien und Italien geeinigt. Die bedrängten Länder haben akute Schwierigkeiten, sich frisches Geld zu besorgen. Staaten mit guter Haushaltsführung können vom Sommer an - ohne zusätzliche Sparprogramme - Unterstützung aus den Rettungsschirmen EFSF und ESM erhalten, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Neue Instrumente würden dabei nicht geschaffen, hieß es in der deutschen Delegation. Es bleibe bei dem Prinzip Kontrolle vor Haftung. Details wollen die Euro-Kassenhüter Anfang Juli festlegen.

"Eine gute Entscheidung"

Im Kampf gegen die Rezession hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten zuvor auf ein Wachstumspaket für mehr Beschäftigung geeinigt. Italien und Spanien hatten sich am Donnerstag noch dagegen gestemmt, solange sie keine Hilfe erhalten. Nun aber sollen 120 Milliarden Euro bereitgestellt werden, um vor allem die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Marathonberatungen in Brüssel. Zum Verlauf der Gespräche sagte sie lediglich: "Wir haben eine gute Entscheidung getroffen."

EU-Gipfel: Einigung über Hilfsmaßnahmen für Krisenländer # 29.06.2012 06 Uhr # eu06e # Journal

Dabei war die Kanzlerin zu weit reichenden Zugeständnissen beim Einsatz der Euro-Rettungsfonds gedrängt worden. Künftig sollen nicht nur direkte Bankenhilfen möglich sein, sondern auch der Aufkauf von Staatsanleihen reformwilliger Mitgliedsländer. Im Gegenzug stimmten Rom und Madrid einem EU-Wachstumspakt zu.

Schäuble aus dem Rennen?

Merkel begrüßte am frühen Freitagmorgen, dass sich die Euroländer auf eine unabhängige gemeinsame Bankenaufsicht geeinigt haben, an der auch die Europäische Zentralbank (EZB) beteiligt wird. In einem zweiten Schritt sollen sich dann marode Banken direkt aus Mitteln der Rettungsfonds mit Kapital versorgen können. Allerdings setze dies eine Vereinbarung mit dem betreffenden Land und "angemessene Konditionen" voraus, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker wird als Vorsitzender der Eurogruppe weitermachen. Er wolle aber nicht mehr die volle Amtszeit von zweieinhalb Jahren ableisten, sagte der EU-Veteran. "Das wird am Freitag entschieden", meinte er. "Aber jedenfalls werde ich kein volles Mandat mehr ausüben." Damit scheint Finanzminister Wolfgang Schäuble zunächst aus dem Rennen, der lange als Favorit für die Nachfolge galt. Gegen den CDU-Politiker hatten aber einige EU-Staaten ihre Bedenken angemeldet, darunter auch Frankreichs Präsident François Hollande.

Der luxemburgische Regierungschef und Vorsitzende der Eurogruppe, Juncker (links), im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel (Foto: dapd)
Eurogruppen-Chef Juncker (links): "Die Kanzlerin ist nicht isloiert!"Bild: AP

Offensives Lob für die eigenen Beschlüsse

Juncker zog ebenfalls ein überwiegend positives Fazit der Nachtsitzung: "Ich hätte mir mehr gewünscht. Aber wir haben mehr erreicht, als ich dachte, dass wir erreichen würden." Die Bundeskanzlerin sei beim EU-Gipfel weder isoliert noch bedroht gewesen. Die Einigung bezeichnete der Eurogruppenchef als "Botschaft an die Finanzmärkte".

Auch Italiens Regierungschef Mario Monti ist mit den Beschlüssen zufrieden. Die Einigung sei "eine sehr wichtige Abmachung für die Zukunft der EU und der Eurozone". EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sprach von einem "Durchbruch" und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso von "sehr ambitionierten" Beschlüssen.

Am zweiten Gipfeltag soll an diesem Freitag über eine vertiefte Integration in der EU und der Eurozone beraten werden. Das Brüsseler Treffen steht unter Zeitdruck, weil Merkel am Nachmittag wieder in Berlin sein muss. Bundestag und Bundesrat werden dann über die Gesetze für den neuen Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt abstimmen.

rb/gmf (afp, dapd, dpa, rtr)