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Islam

19. September 2009

Für die vier Millionen Muslime in Deutschland geht dieses Wochenende der Ramadan zu Ende. Die zurückliegenden Wochen zeigen: Es fällt der Minderheit zunehmend leichter, hier nach den Regeln ihrer Religion zu leben.

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Frauen mit Kopftuch greifen nach Obst und Gemüse an einem Marktstand (Foto: Heiner Kiesel)
Einkaufen für das ZuckerfestBild: Kiesel

Wer wissen will, was eng ist, der sollte auf den Wochenmarkt am Maybachufer in Berlin-Neukölln gehen. Wer wissen will, was sehr eng ist, der legt seinen Besuch auf den letzten Markttag vor dem Zuckerfest, mit dem dieses Wochenende das Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert wird. In dem engen Gang zwischen übervollen Obst und Gemüseständen, den Auslagen von Stoff- und Gewürzhändlern drängen sich an diesem Nachmittag die Kunden. Türkenmarkt nennen die Berliner den Markt; viele der Händler sind Türken und unter den Besuchern sind viele Frauen mit Kopftüchern und langen Gewändern.

Marktfrau Nuran Usta
Die Marktfrau Nuran Usta will lieber in der Türkei feiern und fastenBild: Kiesel

Im Gang passt man sich dem Tempo am besten an, denn viele der schwer bepackten Marktbesucher sind unterzuckert, was zu Gereiztheit führen kann. Viele haben vier Wochen hinter sich, in denen sie tagsüber weder essen, rauchen, noch Sex haben durften. Mit dem Fest des Fastenbrechens wird jetzt das Ende der entsagungsvollen Zeit gefeiert. "So kurz vor dem Zuckerfest ist schon eine Menge los hier, die letzten Wochen waren ja eher schwach", sagt der Verkäufer Raif Erdem und wendet sich kurz ab, um einer Kundin drei Kilo Birnen abzuwiegen. "Kilo ein Euro, Kilo ein Euro," brüllt er heiser zu den dichtgedrängten Marktbesuchern, von denen viele übervolle Einkaufstrolleys hinter sich her ziehen. Dann erklärt er, leiser, dass die Kunden auch viel mehr kaufen und vor allem auch gerne exotische Produkte, die sonst kaum gehen: "So Sachen wie in der Heimat, frische Datteln zum Beispiel."

Fasten als Minderheit

An die Heimat denkt auch die Marktfrau Nura Usta ein paar Stände weiter. "Nächstes Jahr fahre ich zu meiner Familie." Sie kommt aus Samsun an der türkischen Schwarzmeerküste. "Mit der Verwandtschaft ist der Fastenmonat einfach am schönsten."

Doch selbst wenn die Familie hier lebt - es macht einen Unterschied für Muslime, ob sie den Fastenmonat als Teil einer Mehrheitsgesellschaft oder als Minderheit begehen. Das Fasten wird im Islam sehr ernst genommen. Es ist eine der fünf grundlegenden Gebote der Religion. In islamischen Ländern ist der ganze Alltag umgekrempelt, alle stellen sich auf das Fasten ein. Es gibt besonderes Essen, besondere Feste, Veranstaltungen und TV-Sendungen.

Händler Raif Erdem (Foto: Heiner Kiesel)
Hat viel zu tun: Händler Raif ErdemBild: Kiesel

"Es ist natürlich etwas anderes, wenn man in der Türkei oder in Ägypten fastet", sagt Burhan Kesici, "aber in Deutschland lässt sich inzwischen auch ganz gut fasten." Der bärtige Mittdreißiger ist Generalsekretär des Islamrates, einer der größten muslimischen Vereinigungen in der Hauptstadt. Sein Büro ist eine Viertelstunde Fußweg vom Wochenmarkt entfernt. Kesici ist etwas gestresst. Zum einen wird sein Büro gerade umgebaut, dann hat er den ganzen Tag natürlich nichts gegessen und jetzt müssen noch schnell alle Zuckerfest-Grußkarten seiner Organisation fertiggemacht werden. "Eigentlich ist der Ramadan ja eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung", sagt Kesici und zuckt mit den Schultern. Das Fest des Fastenbrechens an diesem Wochenende ist eines der wichtigsten Feste des Islam, darauf muss man sich eben vorbereiten.

Ein potenzieller deutscher Feiertag

Die vergangenen Fastenwochen bestätigen seinen Eindruck, dass das Fasten von der nichtmuslimischen Bevölkerungsmehrheit akzeptiert wird. "Es entwickelt sich da eine eigene deutsche Ramadan-Kultur", sagt Kesici und erzählt angeregt von den vielen Treffen mit Verwandten und Freunden und den vielen abendlichen Einladungen.

Burhan Kesici, Generalsekretär des Islamrates (Foto: Heiner Kiesel)
Sieht eine neue Fastenkultur: Burhan Kesici, Generalsekretär des IslamratesBild: Kiesel

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Ramadan und das Fastenbrechen irgendwann auch auf einem deutschen Feiertagskalender auftauchen. Dass die Glaubenspraxis der rund vier Millionen Muslime in Deutschland zur Kenntnis genommen wird, zeigen zahlreiche Erklärungen aus Politik und Religion. "Möge Gott Ihr Fasten und Beten annehmen und allen Gläubigen inneren und äußeren Frieden schenken", schrieb der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch und Bundespräsident Horst Köhler wünscht "allen, die das Fest des Fastenbrechens begehen, frohe Stunden, Gesundheit und Glück." Kesici freut sich über die öffentliche Anerkennung. "Das zeigt uns Muslimen doch ganz gut, dass wir in Deutschland angekommen sind und angenommen werden."

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Dеnnis Stutе