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Bücher des Südens

28. September 2009

Ein neuer Literaturpreis soll Autoren aus Afrika, Asien und Lateinamerika mehr Präsenz auf dem deutschen Buchmarkt geben. Und zeigen, was "Weltliteratur" wirklich bedeuten könnte.

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Bücherstapel, ganz oben ein aufgeblättertes Buch. © Mike Wolff
Bild: picture alliance/dpa

Mit dem Stichwort "Weltliteratur" ist häufig US-amerikanische oder europäische Literatur gemeint. Diese eingeschränkte Wahrnehmung wollen das Haus der Kulturen der Welt und die Hamburger Stiftung Elementarteilchen nun erweitern - mit dem neuen "Internationalen Literaturpreis", der am 30. September in Berlin vergeben wird und internationale Erzählliteratur in deutscher Erstübersetzung prämiert. Er soll den Blick auf literarische Stimmen aus Asien, Afrika oder Lateinamerika lenken und dazu beitragen, eine "Globale Literatur" in ihrer gesamten Fülle wahrzunehmen. Doch der deutsche Buchmarkt braucht da noch Nachhilfeunterricht.

Großes Angebot – wenige Leser

Buchhandlung, in der eine Kundin vor vollen Bücherregalen in einem Roman des amerikanischen Bestseller-Autors Stephen King blättert. (Foto: dpa)
Amerikanisch-europäische Dominanz: In deutschen Buchhandlungen hat es Literatur anderer Regionen schwerBild: dpa

"Die spezifische Form der europäischen und der amerikanischen Literatur hat offensichtlich bei vielen Lesern so eine starke Prägung hinterlassen, dass es für die meisten regelrecht Arbeit bedeutet, sich auf andere Literaturen einzulassen", sagt Buchhändlerin Barbara Klefisch. In der Kölner Buchhandlung Bittner ist sie verantwortlich für das Sortiment der außereuropäischen Literaturen. Bücher afrikanischer, asiatischer oder lateinamerikanischer Autoren sind hier anders als in vielen anderen Buchhandlungen nicht nur in großer Zahl vorhanden, sondern werden auch gesondert präsentiert. Die Leser sollen so aufmerksam werden auf das große Angebot an deutschen Übersetzungen, die ohne besondere Vermittlung leicht untergehen in dem riesigen Alphabet anderer Bücher.

Politische Literatur aus den 70er Jahren

DAs Haus der Kulturen der Welt bei Nacht (AP Photo/Miguel Villagran)
Auch für Literatur engagiert: das Haus der Kulturen der Welt in BerlinBild: AP

Die Zahl der Übersetzungen aus außereuropäischen Literaturen hat sich in den letzten Jahren erweitert. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre waren es nur wenige kleine politisch engagierte Verlage, die Interesse für die postkolonialen Entwicklungen wecken wollten. So auch der Peter Hammer Verlag aus Wuppertal, der als einer der ersten Verlage Übersetzungen afrikanischer und lateinamerikanischer Autoren auf den deutschen Buchmarkt brachte. Damals war das politische Klima günstig für diese Bücher. "Es gab sehr viele Menschen, die sich genau für solche Dinge interessierten, die zum Teil in 'Dritte-Welt-Gruppen' tätig waren", erzählt Verlagsleiterin Monika Bilstein. "Wenn ich allein an die 'Dritte-Welt-Läden' denke, die zu der Zeit regelmäßige Abnehmer für ein solches Buchprogramm waren, dann war das eine ganz beträchtliche Anzahl. Das hat sich im Laufe der Jahre leider sehr gewandelt und reduziert. Aber in den letzten Jahren habe ich dennoch den Eindruck, dass es wieder ein bisschen bergauf geht."

Demokratische Republik der Weltliteraturen

Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus mit großer schwarzer Sonnenbrille
Weltberühmte Ausnahme: Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus (1911-2006)Bild: picture-alliance/ dpa

Das Interesse an außereuropäischen Literaturen war in den 70er Jahren vor allem politisch motiviert. Die literarische Qualität eines Werkes nahm man oft erst in zweiter Linie wahr. So lagen bis in die 80er Jahre hinein viele große Autoren aus Afrika, Asien, dem karibischen und dem arabischen Raum noch nicht in deutscher Übersetzung vor. Eine Marktlücke, in die der damals junge Zürcher Unionsverlag stieß. Ziel des Verlagsgründers Lucien Leitess war, "eine Art demokratischer Republik der Weltliteratur" zu schaffen, "ohne Ansehen der Herkunft und Sprache, des Stils". Leitess wollte, dass die großen zeitgenössischen Autoren aus aller Welt gleichberechtigt vertreten sind. Damit war er ein Trendsetter, der Gespür für herausragende Autoren bewies. So erschien Mitte der 80er Jahre im Unionsverlag das erste Buch des ägyptischen Schriftstellers Nagib Machfus in deutscher Übersetzung. 1988 wurde Machfus für seine großen Kairo-Romane mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet – als erster und bis jetzt übrigens einziger Autor arabischer Sprache. Machfus ist auch ein Beispiel dafür, was Literaturpreise bewirken können. In drei Jahren hatte der Unionsverlag nur 300 Romane von Machfus verkaufen können, am Tag der Nobelpreisbekanntgabe waren es 30.000.

Fremdes ist schwer zu vermitteln

Porträt Isabel Allende (AP Photo / Roberto Candia)
Bestseller-Autorin aus Chile: Isabel AllendeBild: AP

Erfolge einzelner Autoren können neugierig machen auf die Literatur einer ganzen Region. Allerdings gibt es länderspezifische Unterschiede. Monica Bilstein vom Peter Hammer Verlag glaubt, dass die lateinamerikanische Literatur von großen Namen wie Gabriel García Márquez, Isabel Allende oder Mario Vargas Llosa profitiert. Diese Autoren sind auf dem deutschen Buchmarkt bekannt und erzielen hohe Auflagen. "So haben auch junge lateinamerikanische Autoren in den Jahren danach einen gewissen Vorteil", sagt Bilstein. Das treffe leider für afrikanische Autoren nicht zu. Auch die bekannten Namen, so Bilstein, seien "für viele hier eher unbekannt, und die junge Generation hat einen viel schwierigeren Start".

Je fremder ein Land oder eine Kultur erscheint, desto schwieriger ist es, deren Literatur in Deutschland zu vermitteln. Das beobachtet auch Buchhändlerin Barbara Klefisch: "Selbst bei sehr offenen Menschen, die bereit sind, sich mit vielem Neuen auseinanderzusetzen, ist außereuropäische Literatur immer ein bisschen außen vor."

Dabei melden sich gerade aus Weltgegenden, die so weit entfernt zu sein scheinen, Autoren zu Wort, die viel zu erzählen haben über die Veränderungen in der globalisierten Welt. Das sind Erfahrungen mit Migration und Exil und dem damit verbundenen Wandel kultureller Identitäten. Es ist also an der Zeit, mit einem neuen Literaturpreis den Blick auf diese neuen literarischen Stimmen zu lenken.

Autorin: Christel Wester

Redaktion: Aya Bach