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"Die Niederländer sollten nicht denselben Fehler machen"

Das Interview führte Michael Knigge1. Juni 2005

Die Franzosen haben Nein gesagt zur EU-Verfassung, die Niederländer könnten ihnen folgen. Was dies für Europas Zukunft bedeutet, erklärt die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner im DW-WORLD-Interview.

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"Das war ein trauriger Tag"Bild: AP

DW-WORLD: Die Franzosen haben die Verfassung abgelehnt. Was heißt das für die Zukunft der EU? Ist das eine große Krise oder gar eine Katastrophe?

Benita Ferrero-Waldner: Eine große Krise und eine Katastrophe ist es nicht. Aber es ist ein trauriger Tag gewesen. Und ich muss sagen, wir sind alle noch ein bisschen bedrückt. Warum? Weil das Projekt Europa, das wir mit der Verfassung weiterführen wollen, derzeit still steht. Natürlich haben wir den Vertrag von Nizza, und der wird natürlich auch weiter gelten. Also insofern ist es keine Krise, aber es ist schade und ich muss sagen, immerhin schon fast die Hälfte der Bürger Europas hat abgestimmt und jetzt haben wir ein Gründungsmitglied, das hier derzeit ausfällt. Aber ich glaube, wir sollten weiter gehen. Jetzt kommt Holland dran, dann kommt Luxemburg und dann kommt im Herbst eine ganze Reihe von anderen Ländern, die ihre Abstimmungen durchführen. Entweder in Form von einem Referendum oder im Parlament. Aber ich glaube, wir sollten beim nächsten Europäischen Rat ein bisschen inne halten, nachdenken und überlegen, was zu tun ist. Denn man muss natürlich auch den Willen der Menschen und der Bürger respektieren. Und das war natürlich ein Signal, dass sie uns geben wollten. Und das Signal muss man analysieren und zwar zuerst die französischen Autoritäten für sich und dann die europäischen Institutionen.

Sie haben die Abstimmung in den Niederlanden gerade schon angesprochen. Da standen die Zeichen schon vor dem Nein aus Frankreich auf Ablehnung. Und dieser Trend zum Nein ist jetzt noch verstärkt worden. Was erwarten Sie?

Man kann natürlich nichts voraussagen. Aber die Umfragen sind nicht sehr gut, das ist richtig. Nun, wir werden sehen. In jedem Fall sollten wir den 16. und 17. Juni, den Europäischen Rat, nutzen, um über die Situation zu sprechen.

Was würden Sie denn den Wählern in den Niederlanden jetzt empfehlen, wenn Sie ihnen einen Rat geben könnten?

Ich würde ihnen empfehlen, nicht denselben Fehler zu machen, wie in Frankreich. Insofern, als Europa stärker werden muss und zwar vor allem stärker werden muss in dieser globalisierten Welt, in der wir anderen großen Mächten gegenüberstehen: den Vereinigten Staaten, dann natürlich China, Japan, Brasilien, Indien, indem wir dann stärker sind, wenn wir gemeinsam auftreten. Und das hat ja die neue Verfassung vorgesehen.

Sind Sie denn dafür, das Referendum in Frankreich zu wiederholen? Es gibt ja schon Stimmen, die sagen: In einem Jahr probieren wir es noch mal.

Ich glaube es ist viel zu früh jetzt zu spekulieren. Wir sollten uns einmal zusammensetzen und nachdenken, warum das so gewesen ist und was wir dagegen tun können.

Was bedeutet die Ablehnung der Verfassung für die Pläne eines gemeinsamen EU-Außenministers und einer ständigen Ratspräsidentschaft? Ist das jetzt ad acta gelegt?

Ich glaube, es ist überhaupt nichts ad acta gelegt. Aber es ist noch nicht soweit, dass es schon umgesetzt werden kann. Es muss von allen ratifiziert werden, das ist eine Voraussetzung, das ist auch die souveräne Entscheidung jedes Staates. Aber wir gehen einfach weiter in der Vorbereitung und ich glaube wir arbeiten ja alle sehr gut in vielen Dingen zusammen.

Wenn Sie den Franzosen noch etwas auf den Weg geben könnten als Fazit nach der Abstimmung. Hätten Sie da eine Botschaft für die Franzosen?

Meine Botschaft an die Franzosen wäre: Es tut mir leid, dass sie so abgestimmt haben. Aber sie werden sicher ihre Gründe dafür gehabt haben. Wir wollen diese Gründe untersuchen und wollen versuchen, einiges von ihrem Signal aufzugreifen.