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Die Notfallkeeper

Andreas Sten-Ziemons30. Oktober 2014

Einige Bundesligaclubs verpflichten ältere Torhüter als "dritte Männer", die im Notfall aushelfen sollen. Eine neue Entwicklung auf der Torwartposition, die ohnehin gewissen Trends unterworfen zu sein scheint.

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Themenbild Kolumne Flügelzange (Foto: DW)
Bild: DW

Früher hieß es immer, das beste Torwartalter sei erst dann erreicht, wenn man sich irgendwo jenseits der 30 befinde. Lange Zeit hielten sich die Bundesliga-Trainer fast sklavisch an diesen unausgesprochenen Alterskodex und stellten lieber einen erfahrenen Keeper zwischen die Pfosten als einen jüngeren. Schaut man stichprobenartig die Kader der Erstligavereine von vor 20 Jahren durch, stellt man schnell fest: Der ältere Keeper stand im Tor, der junge, talentierte saß auf der Bank und hatte sich zu gedulden. Zwei Beispiele von vielen: In der Saison 1994/95 stand Uwe Kamps für Mönchengladbach 34-mal im Tor. Der junge Dimo Wache, später Stammtorwart bei Mainz 05, machte kein einziges Spiel. Beim 1. FC Kaiserslautern war der knapp 30-jährige Georg Koch Stammtorhüter, der junge Roman Weidenfeller saß als Nummer zwei nur auf der Bank. Ausnahmen bestätigen die Regel - zum Beispiel Stefan Klos, der bei Borussia Dortmund dem fünf Jahre älteren Wolfgang de Beer vorgezogen wurde.

Nummer 1a, 1b und 1c

Zudem galt damals noch: Wer Nummer eins ist, der bleibt es auch - egal, was passiert. Zugelassene Gründe für einen Wechsel im Tor waren lediglich Rote Karten oder Verletzungen. Nur dann ließ man die Nummer zwei notgedrungen zwischen die Pfosten, aber auch nur so lange, bis die etatmäßige Nummer eins wieder fit war oder ihre Sperre abgesessen hatte. Die Festlegung einer klaren Nummer eins ist auch heute im Grunde bei allen Bundesligavereinen Standard. Wahrscheinlich deshalb, weil die Erfahrung zeigt, dass es für das Wohlbefinden des Torhüters auf dem Platz und für seine Leistungen besser ist, wenn er weiß, dass er sich durchaus auch mal einen Patzer erlauben kann, ohne gleich seinen Stammplatz zu verlieren.

Vor einigen Jahren wurde es - zumindest bei einzelnen Clubs - Mode, zwei gleichstarke Torhüter als Nummer 1a und Nummer 1b zu bezeichnen - ähnlich wie es ein paar Jahre lang (zumindest offiziell) in der deutschen Nationalelf gehandhabt wurde. Je nach Tagesform, Trainingseindrücken und Taktik des Gegners durfte dann mal der eine und mal der andere ins Tor. Beispielweise hatte der FC Schalke 04 in der Saison 2011/12 mit Timo Hildebrand, Lars Unnerstall und Ralf Fährmann sogar drei Torhüter, die sich als Nummer eins abwechselten. Gleiches gab es mit Tim Wiese, Koen Casteels und Heurelho Gomes in Hoffenheim. Außerdem mit Heinz Müller und Christian Wetklo in Mainz.

Lars Unnerstall, Ralf Fährmann, Timo Hildebrand (Foto: dpa)
Unnerstall, Fährmann und Hildebrand (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/dpa/C. Seidel

Ein weiterer Trend, der vor einiger Zeit einsetzte, war es, immer jüngere Keeper ins Tor zu stellen. Mit Bernd Leno (Leverkusen), Marc-André ter Stegen (Mönchengladbach), Kevin Trapp (Frankfurt) oder Loris Karius (Mainz) standen plötzlich Torhüter im Kasten, die gerade einmal 20 Jahre alt oder sogar noch jünger waren.

Kurz vor der Rente

Nun kommen die Herren Hildebrand, Müller und Wetklo auch beim neuesten Torwart-Trend in der Bundesliga wieder zum Vorschein: Um im Falle einer Verletzung des Stammtorhüters nicht völlig ohne erfahrenen Ersatzmann dazustehen, verpflichtet mancher Bundesligaclub gerne einen Torhüter, der nicht nur deutlich älter als 30 Jahre ist, sondern dessen Karriere eigentlich schon dabei war, zu Ende zu gehen. Wetklo bekam in Mainz keinen Vertrag mehr, war kurz in Darmstadt und ist nun - wegen der Verletzung von Fabian Giefer - Nummer zwei beim FC Schalke. Hildebrand, nach seiner Entlassung bei Schalke zunächst ohne Vertrag, sitzt jetzt bei Eintracht Frankfurt auf der Bank, weil Stammtorwart Trapp verletzt ist. Und Müller darf seit dieser Woche sogar beim FC Bayern München aushelfen, weil dort mit Tom Starke und Pepe Reina die beiden etatmäßigen Notfallkeeper schwere Verletzungen haben.

Ein schöner Trend, denn so bleiben bekannte Gesichter zumindest auf den Ersatzbänken in der Liga präsent. Der Blutdruck der Club-Verantwortlichen steigt nicht ins Ungesunde, wenn der Stammtorhüter sich mal mit Schmerzen auf dem Boden krümmt. Und für das Portemonnaie der älteren Torsteher sind die jeweiligen Arrangements mit Sicherheit auch nicht von Nachteil - quasi als schönes Zubrot, kurz vor der Rente.

Ehemaliger Bundesliga-Torwart - Heinz Müller (Foto: dpa)
Neu-Bayer Heinz MüllerBild: picture-alliance/dpa/ I. Kjer

Bleibt im Grunde nur abzuwarten, wann auch Tim Wiese als Backup wieder im Kader irgendeines Bundesligisten auftaucht. Allerdings bräuchte der - wegen der mittlerweile herkuleshaften Ausmaße seines immer schon muskulösen Körpers - nicht nur einen, sondern zwei Plätze auf der Ersatzbank.