1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Ohnmacht der UN

Andreas Zumach2. August 2012

Der UN-Sicherheitsrat ist im Konflikt zwischen dem Sudan und dem Südsudan vorerst gescheitert. Sanktionsdrohungen und ein Ultimatum haben nicht zu einer Friedensvereinbarung zwischen den Nachbarn geführt.

https://p.dw.com/p/15hl1
Die südsudanesische Flagge vor einem dämmernden Himmel (Foto: AP)
Bild: AP

Einmal mehr ist ein Ultimatum des UN-Sicherheitsrates wirkungslos verpufft. Der Sudan und der seit Juli vergangenen Jahres abgespaltene Südsudan haben ihre Konflikte um den gemeinsamen Grenzverlauf sowie die Aufteilung von Ölvorkommen und -einnahmen nicht bis zum 2. August gelöst. Dazu hatte der Sicherheitsrat die beiden afrikanischen Staaten mit seiner Resolution 2046 vom 2. Mai unter Androhung von Sanktionen aufgefordert. Die Lösung der Konflikte sollte bei Friedensverhandlungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gefunden werden. Mit Hilfe der Afrikanischen Union (AU), die den ehemaligen südafrikanischen Regierungschef Thabo Mbeki als Vermittler nach Addis entsandte.

Die Verabschiedung der Sudan-Resolution des Sicherheitsrates war einstimmig erfolgt, mit Unterstützung der beiden vetoberechtigten Mächte Russland und China. Das ist zumindest hinsichtlich der Beschlussfähigkeit des obersten UN-Gremiums ein klarer Unterschied zum Syrien-Konflikt. In diesem Fall haben Moskau und Peking westliche Resolutionsentwürfe mit Sanktionsandrohungen bislang drei Mal mit ihrem Veto verhindert.

Omar al-Baschir (Foto: DPA)
Baschir kann sich in vielen Ländern frei bewegen - nützen da Reisesanktionen?Bild: picture alliance / Photoshot

Sudan nimmt Ultimatum nicht ernst

Doch trotz der Einstimmigkeit wurde das Ultimatum des Sicherheitsrates zumindest von der sudanesischen Regierung unter Präsident Omar Hassan al-Baschir nicht ernst genommen. Sein Land lasse sich "von dem Ultimatum nicht einschüchtern", erklärte Mutris Siddiq, der Sprecher der sudanesischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Addis Abeba vor knapp zehn Tagen. Kurz zuvor präsentierte Kompromissvorschläge des Südsudan zu allen offenen Streitfragen lehnte der Sudan ohne weitere Verhandlungsbereitschaft ab.

Der UN-Sicherheitsrat lässt sich nach seinem gescheiterten Ultimatum zunächst einmal eine Woche Zeit. Erst nach einem Bericht von AU-Vermittler Thabo Mbeki am 9. August will der Rat über weitere Schritte diskutieren. Ob und wie die in Resolution 2046 einstimmig angedrohten Sanktionen nun auch in die Tat umgesetzt werden, ist nach Aussagen von Diplomaten aller fünf Vetomächte noch offen. Die Frage könnte möglicherweise zum Streit führen.

Sanktionen gegen beide Staaten?

Die USA sehen den Sudan als Hauptverantwortlichen für das Scheitern der Friedensverhandlungen und drängen - unterstützt von Großbritannien -auf die schnelle Verhängung politischer und wirtschaftlicher Sanktionsmaßnahmen gegen die Regierung von Präsident al-Baschir. Russland und China sind hingegen - wenn überhaupt - nur zur Verhängung von Sanktionen gegen beide Konfliktparteien bereit. Abgesehen von dem möglichen politischen Streit unter den fünf Vetomächten ist unklar, welche Sanktionen im Konfliktfall Sudan gegen Südsudan überhaupt möglich wären. Aber noch wichtiger ist die Frage, welche Sanktionen wirksam sein könnten, um doch noch eine Friedensregelung zwischen den beiden Nachbarstaaten herbeizuführen?

Wirtschaftssanktionen zur Unterbindung von Exporten oder Importen kommen kaum in Frage: ein vom Sicherheitsrat verhängter Ölboykott würde wenig bewirken, da die Ölförderung und der Export beider Länder auf Grund des Konfliktes ohnehin weitgehend daniederliegen. Andere wirtschaftlich relevante Güter werden aus dem Sudan und dem Südsudan nicht exportiert.

Innenansicht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Foto: Soeren Stache)
Wieviel Handlungsfreiheit hat der UN-Sicherheitsrat?Bild: picture-alliance/dpa

Wenn Sanktionen, dann welche?

Das Verbot von Waffenlieferungen an den (damals noch vereinten) Sudan hat der Sicherheitsrat bereits 2005 beschlossen. Bis dahin waren Russland und zunehmend China die wichtigsten Lieferanten gewesen. Möglicherweise werden Moskau und Peking nun verlangen, dieses Waffenembargo auf den Südsudan auszuweiten. Das dürfte aber am Veto Washingtons scheitern.

Individuelle Sanktionen wie etwa die Sperrung von Auslandskonten oder Reiserestriktionen für die Mitglieder der politischen und militärischen Führung beider Länder dürften ebenfalls wenig bewirken. Gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschir liegen seit 2009 eine ursprünglich vom UN-Sicherheitsrat initiierte Anklage und ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes vor. Dennoch erfreut sich al-Baschir zumindest innerhalb Afrikas weiterhin einer fast uneingeschränkten Reisefreiheit.

Was können die UN überhaupt tun?

Im Sudan-Südsudan-Konflikt zeigt sich, dass die Handlungsfähigkeit des UN-Sicherheitsrates und seine Einwirkungsmöglichkeiten mit Sanktionsinstrumenten seit Ende des Kalten Krieges vor über 20 Jahren nicht größer geworden sind. Das liegt zum einen an alten, keineswegs überwundenen Gegensätzen zwischen Russland und dem Westen. Hinzu kommen die geopolitischen Interessen der aufstrebenden Weltmacht Chinas sowie das wachsende Selbstbewusstsein der gewichtigen Regionalmächte Brasilien, Indien und Südafrika. Diese sind keine ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat.

Über sogenannte intelligente Sanktionen, die nur die politische und militärische Führung eines Landes treffen, nicht aber die Bevölkerung, wird bei den UN seit den schlimmen Erfahrungen mit den Irak-Sanktionen der 90er Jahre zwar viel diskutiert. Ein erfolgreiches Beispiel solcher intelligenter Sanktionen gibt es bis heute aber nicht.

Schließlich haben sich bislang auch die Hoffnungen nicht erfüllt, dass Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union mehr Verantwortung für die Beilegung von Konflikten in ihrem Zuständigkeitsbereich übernehmen. Im Fall Sudan/Südsudan lässt sich sogar feststellen, dass zumindest einige Mitgliedsstaaten der AU die Bemühungen des UN-Sicherheitsrates offen konterkarieren. Denn solange diese Staaten den sudanesischen Präsidenten weiterhin ungehindert über ihre Territorien reisen lassen und ihn in ihren Hauptstädten empfangen, wird sich Baschir im Konflikt mit dem Südsudan kaum empfänglich zeigen für Druck des UN-Sicherheitsrates.