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Verlieren, um zu gewinnen

Volker Wagener21. Mai 2012

Fußball ist grausam! Es gewinnt nicht immer der Bessere. Bayern München war im Champions-League-Finale überlegen und hat dennoch verloren. Die Niederlage könnte Konsequenzen für die Nationalmannschaft haben.

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Zwei Tage nach einem Fußballspiel noch einmal darüber reden, macht das Sinn? Es macht! Fußball hat mit Emotionen zu tun, mit großen sogar und die lassen sich nicht so einfach abschalten, nur weil über dem Ereignis schon zwei Nächte vergangen sind. Die Fakten sind bekannt: Bayern München verliert nach haushoher Überlegenheit das Champions-League-Finale im eigenen Stadion im Elfmeterschießen gegen Chelsea London. Allein diese Tatsachenfeststellung liefert dem Fußballkundigen gleich mehrere quälende Gewissheiten.

Wenn Statistik nichts mehr zählt

Bayern München verliert ein Endspiel zwischen den besten Europas. Das ist für sich betrachtet schon traurig genug für den Fan, denn die Champions-League ist das Nonplusultra im europäischen Vereinsfußball. Noch heftiger wird der Schmerz dadurch, dass die Münchner dem Gegner haushoch überlegen waren. Und: Sie verloren zuhause. Geradezu unerträglich wird der Wundschmerz durch die Umstände der Niederlage. Und das Allerschlimmste: Ein deutsches Team verliert im Elfmeterschiessen, was so gut wie nie vorkommt. Aber gegen Engländer? Eher schlägt Deutschland die Briten im Cricket. Nun ist es also geschehen, Chelsea therapiert sich selbst und straft alle Lügen, die da sagen, Engländer können vieles, nur keinen Ball aus elf Metern im Netz versenken.

DW-Redakteur: Volker Wagener
DW-Redakteur: Volker WagenerBild: DW

Mit dem 19. Mai hat sich auch eine der populärsten Fußball-Philosophien überlebt. Gerry Linneker, legendärer englischer National-Mittelstürmer der 80/90er Jahre, hatte stets betont, Fußball sei ein Spiel von 22 Männern die hinter einem Ball her rennen und am Ende gewännen immer die Deutschen. Schade, dass diese historisch gerechtfertigte Formel nun nicht mehr stimmt. Selbst das Elfmeter-Trauma der Engländer scheint kuriert. Jahrzehntelang waren britische Mannschaften im Duell mit Deutschen geneigt, unentschiedene Spiele schon vor dem Ritual Schütze gegen Torwart verloren zu geben.

Jogi Löw und die Psycho-Abteilung der Nationalmannschaft

Wie schwer die Fußball-Nation Deutschland das Drama vom Samstag nimmt, verrät die mediale Begleitmusik seit dem Wochenende. Von einem Trauma ist die Rede. Einem von der Art, das nun mit dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft schon in der Vorrunde der Europameisterschaft gerechnet werden müsse. Die halbe Mannschaft Jogi Löws besteht aus Bayern-Spielern. Sie sind frustriert, sie haben nichts gewonnen in dieser Saison.

Und es gibt noch mehr Saison-Verlierer in der Truppe mit dem Adler auf der Brust. Allein für Publikumsliebling Lukas Podolski, der mit seinem 1. FC Köln abgestiegen ist und ab Sommer für Arsenal London auflaufen wird, hat Trainer Löw einen Psychotherapeuten einbestellt. Der Stürmer soll mental wieder aufgerüstet werden für das Turnier in Polen und der Ukraine. Mit dem halben Dutzend deprimierter Bayern-Spieler dürfte die Maßnahme nun zur Gruppentherapie werden.

Eine kollektive Depression lässt sich allerdings vermeiden. Es waren die Engländer, die 1966 im WM-Finale von Wembley dem deutschen Team den allergrößten Respekt in der Stunde der Niederlage entgegenbrachten. Die deutschen Spieler hatten die bittere Niederlage geradezu ritterlich ertragen. Merke: Nur wer gut verlieren kann, gewinnt auch wieder. So war es auch nach 1966. Statt Niedergang erlebte der deutsche Fußball in den 70er Jahren seine künstlerische Blüte.

Und es gibt noch einen Trost mit Blick auf die EM: Zu den Bayern-Verlierern zählen auch Frank Ribery, Arjen Robben und Ivica Olic, um nur einige zu nennen, die im Juni die Nationalmannschaften von Frankreich, den Niederlanden und Kroatien mit ihrem angeschlagenen Selbstbewusstsein schwächen könnten. Und die Tristesse auf Seiten der Bayern-Nationalspieler sollten die Dortmunder ausgleichen. Insofern gibt es auch Sieger im Team von Jogi Löw.