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Die SPD zwischen Agenda 2010 und linker Konkurrenz

Heinz Dylong11. Juli 2005

Der SPD steht ein Wahlkampf bevor, der kaum zu gewinnen ist. Die Partei muss sich mit ihrer unpopulären Agenda 2010 gegen Kritik von allen Seiten behaupten. Steht die Partei vor einer Zerreißprobe?

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Die Umfragen sind eindeutig: Danach wird die SPD bei der eventuell im September anstehenden Bundestagswahl eine deutliche Niederlage erleben und auf die Oppositionsbänke verdrängt werden. Das ist die aktuelle Ausgangsposition, die natürlich nicht von heute auf morgen entstanden ist. Mit der Agenda 2010, die Bundeskanzler Gerhard Schröder vor gut zwei Jahren verkündete, ist der Umbau der Sozialsysteme verbunden, der eben auch schmerzliche Einschnitte ins soziale Netz beinhaltet. Das hat die SPD Wählerstimmen gekostet und ihr heftige Niederlagen bei Landtagswahlen beschert.

Konkurrenz von beiden Seiten

Dass der Kanzler Gerhard Schröder und der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in dieser Situation Neuwahlen anstreben, kann man getrost mutig nennen. Denn die SPD sieht sich in einem Zangengriff. Auf der einen Seite stehen CDU/CSU und FDP. Die Unionsparteien haben es geradezu meisterlich geschafft, sich den Wählern als Retter des Sozialstaates zu präsentieren, gleichzeitig aber zum Teil härtere Schnitte zu fordern, als sie die rot-grüne Regierung vornahm.

Und auf der anderen Seite werden die Sozialdemokraten von links bedrängt. Dort bildet sich ein Wahlbündnis zwischen PDS und der westdeutschen "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG). Das verfügt mit dem PDS-Matador Gregor Gysi und dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine über zugkräftige Repräsentanten, die auch einem Wahlkämpfer vom Format Gerhard Schröders zu schaffen machen werden.

Soziale Gerechtigkeit als Schlagwort

Zudem wird sich die Linkspartei ihr politisches Auftreten auch nicht allzu schwer machen: Die schiere Ablehnung der Sozial- und Arbeitsmarktreformen läßt sich trefflich - und wählerwirksam - mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit begründen. Aktuelle Umfragen sehen die Linkspartei deutlich im Bundestag.

Vor diesem Hintergrund hat die SPD ihr Wahlmanifest formuliert. An Schröders Agenda 2010 soll festgehalten werden. Und doch finden sich Elemente, die auch der Parteilinken die Zustimmung erleichtern können: Ein Steuerzuschlag für Top-Verdiener, die Forderung nach Mindestlöhnen und nach Einführung einer Bürgerversicherung gehören dazu. Manches davon mag Symbolpolitik sein, doch auch sie hat ihre Berechtigung. Die SPD, deren Anspruch seit jeher die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit ist, hat seit dem Regierungsantritt 1998 kaum mehr darüber diskutiert, ob der Begriff der sozialen Gerechtigkeit neu definiert werden muss, ob die hergebrachten Vorstellungen der gerechten Verteilung angesichts von Massenarbeitslosigkeit und grundlegend veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch zu halten sind. Über dieses Versäumnis ist die Partei in den vergangenen Jahren gestolpert. Sie war kaum darauf vorbereitet, was Schröder in seiner Agenda präsentierte. Und gerade eine diskussionsfreudige und gelegentlich theorielastige Partei wie die SPD hätte diese Auseinandersetzung gebraucht.

Nun zieht die SPD voraussichtlich in einen Bundestagswahlkampf mit eher mäßigen Aussichten. Sollte sie die Wahl verlieren, wird intern eine gewisse Linksorientierung stattfinden. Sollte sie - wider Erwarten - gewinnen, wird der Kurs Schröders zum neuen Glaubensbekenntnis der SPD, die sich dann weiter wandeln wird. Neue heftige Zerreißproben sind dann wahrscheinlich.