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Die Spendenbereitschaft der Deutschen

Vera Kern16. November 2013

Nach Taifunen und anderen Katastrophen folgen die Deutschen gerne den Spendenaufrufen der Hilfsorganisationen. Ereignet sich das Unglück jedoch in einem Bürgerkriegsland, spenden die Deutschen deutlich weniger.

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Ein Fünf-Euro-Schein wird in eine Spendendose gesteckt. Foto: dpa-Bildfunk/Bernd Thissen
Bild: picture-alliance/dpa

Bilder von verzweifelten Menschen, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, dazu Meldungen von Seuchen und Plünderungen - täglich sind in den Nachrichten die verheerenden Auswirkungen des Taifun "Haiyan" auf den Philippinen zu sehen. Das führt dazu, dass viele Menschen gerne spenden. Die Katastrophen-Berichte aus Südostasien sind ein "individueller Anstoß", wie Daniela Felser vom "Deutschen Spendenrat", einem Dachverband von Spendenorganisationen, es formuliert: "Oh Gott, so was kann mir auch passieren: Wie kann ich helfen?" Eine aufwühlende Schlagzeile oder ein emotionales Bild - und der deutsche Spender reagiert. Allein bei "Aktion Deutschland Hilft", einem Bündnis von Hilfsorganisationen, sind in den ersten vier Tagen nach dem Taifun auf den Philippinen 3,5 Millionen Euro an Spenden eingegangen.

Nach der Bilderflut kommt die Spendenflut

Bei Katastrophen spielen die Medien eine wichtige Rolle. Wenn Bilder anrühren, spenden besonders viele Menschen. Eine Spendenmüdigkeit angesichts der vielen Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren sieht Daniela Felser hingegen nicht. Im Gegenteil: "Gerade in Deutschland bekommen wir ja auch mit, dass es mehr Stürme gibt und es im Sommer manchmal so kalt ist, dass man fast den Wintermantel rausholen möchte." Die Identifikation sei groß - eine wichtige Motivation zu spenden. Das bestätigt auch Burkhard Wilke vom "Deutschen Institut für soziale Fragen" (DZI): "Bei solchen Naturkatastrophen, wenn die Medien berichten und so viele Opfer betroffen sind, ist die Spendenbereitschaft in aller Regel sehr groß."

Wie eng der Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Spendenvolumen ist, zeigte auch die Hochwasser-Katastrophe in Deutschland im vergangenen Sommer, bei der in Bayern und Ostdeutschland Schäden in Milliardenhöhe entstanden. Über die Hälfte der Spenden sei durch die Medien generiert worden, sagt Daniela Felser: "Durch Spenden-Galas und Aufrufe, in den öffentlich-rechtlichen und auch privaten Sendern." Ein erstaunliches Ergebnis, das es so noch nicht gab.

Spendenflaute wenn Nachrichten verwirren

Obwohl die Philippinen 10.000 Kilometer entfernt sind, dürfte die Spendenmaschinerie in Deutschland auch bei dieser Katastrophe weiter gut anrollen. Denn neben der Identifikation seien auch weitere Voraussetzungen erfüllt, so Burkhard Wilke: "Es gibt keine verstörenden Informationen wie etwa im Rahmen von Bürgerkriegssituationen, wo die Spender nicht wissen, wer der Gute und wer der Böse ist."

Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen - Foto: DZI
DZI-Chef Wilke: Große Spendenbereitschaft bei Naturkatastrophen - aber nicht in KriegsgebietenBild: DZI

Ist hingegen die politische Lage im Krisengebiet unübersichtlich, kann umfangreiche Berichterstattung genau das Gegenteil bewirken und zu einer Spendenzurückhaltung führen. Aktuelles Beispiel: Syrien. Die Bilder aus den Bürgerkriegswirren verunsichern potenzielle Spender, sagt Wilke. "Mal wird die Schuld auf Seiten der Regierung gesehen, mal auf Seiten der Rebellen." Hinzu komme der Eindruck, dass es schwierig sei, die Hilfsbedürftigen überhaupt zu erreichen. So kommt es, dass über die katastrophale Situation in Syrien zwar viel berichtet wird, das Spendenvolumen aber vergleichsweise niedrig ist. Da nützt es wenig, dass Organisationen vor Ort wie "Ärzte ohne Grenzen" dringend auf Spenden angewiesen sind. Ähnliche Spendenflauten gab es bei Erdbeben in Pakistan oder dem Iran.

Der typische Spender: Über 60 und finanziell abgesichert

Nicht nur bei Naturkatastrophen und humanitären Krisen greifen die Deutschen zum Portemonnaie. "Der Großteil wird durch unspektakuläre Förderbeziehungen zu kleineren Vereinen gespendet", so DZI-Leiter Wilke. Darunter sind auch viele Dauerspenden für Hilfsorganisationen, die sich in Deutschland engagieren. Insgesamt spendeten 2012 rund ein Drittel der Deutschen für Hilfsorganisationen, Kirchen oder gemeinnützige Organisationen. Das ergab die Studie "Bilanz des Helfens", eine gemeinsame Erhebung vom Deutschen Spendenrat und dem Meinungsforschungsinstitut GfK. Dafür wurden 10.000 Menschen zu ihrem Spendeverhalten befragt. Als Spende gilt, was eine Privatperson freiwillig für einen wohltätigen Zweck gibt - Geld, Sachen oder Zeit. 2012 waren das rund 4,2 Milliarden Euro.

Hilfsgüter werden am Frankfurter Flughafen für die Taifun-Opfer auf den Philippinen geladen - Foto: World Vision
Deutsche Hilfsgüter für die Philippinen: Katastrophenhilfe braucht SpendenBild: World Vision

"Insbesondere die Generation 60 Plus spendet sehr viel", beobachtet Daniela Felser. Das bestätigt Eckhard Priller vom "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung" (WZB). Er untersuchte die Sozialstruktur der deutschen Spender. Sein Ergebnis: Der typische Spender ist über 60 und finanziell gut abgesichert. Denn ältere Menschen haben meist mehr Geld - und sie erinnern sich noch an die klammen Nachkriegsjahre oder sogar eigenes Kriegsleiden. "Die eigene Lebenserfahrung spielt eine große Rolle", sagt der Sozialforscher Eckhard Priller. Ein weiterer Grund: Die "Kultur des Spendens" sei bei jüngeren Altersgruppen in Deutschland nicht so stark verankert wie etwa in den skandinavischen Ländern.

Spendenweltmeister Deutschland? International nur Mittelfeld

Hartnäckig hält sich das Klischee in den deutschen Medien, die Deutschen wären besonders spendabel - immerhin gibt es hierzulande etwa 600.000 gemeinnützige Vereine. Zum Vergleich: In den Niederlanden sind es gerade mal an die 30.000. Doch die Vorstellung vieler Deutscher, "Spendenweltmeister" zu sein, ist ein Irrtum. "Wir Deutschen liegen eher im Mittelfeld, wenn man sich die Höhe der Pro-Kopf-Spenden ansieht", sagt Burkhard Wilke. Beim Tsunami 2004 kamen zwar insgesamt beachtliche 670 Millionen Euro zusammen. Im internationalen Vergleich war das jedoch kein Spitzenwert: Länder wir Norwegen, die Schweiz oder die Niederlande spendeten zum Teil mehr als das Doppelte oder Dreifache pro Kopf. Eine ausgeprägte "Charity"-Kultur herrscht zudem traditionell eher in den USA als in Deutschland.

Selbst wenn die Deutschen also keine Spendenweltmeister sind - dieses Medienklischee schadet dennoch nicht. Im Gegenteil: Wer sich als Teil einer "tollen Sache" sehe, einer großen Spendenbewegung, werde großzügiger, schätzt Sozialforscher Eckhard Priller. "Es hört sich erst mal gut an und hat natürlich einen sehr guten Effekt, Leute zum Spenden zu bewegen." Und dieser Effekt könnte letztlich nun auch den notleidenden Menschen auf den Philippinen helfen.