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"Wir sind die Stimme der schweigenden Mehrheit"

Dunja Dragojevic-Kersten18. Juni 2012

Ihre Texte lesen sich wie pointierte Chroniken der kroatischen Gesellschaft: die Hip-Hop-Band "The Beat Fleet". Im DW-Interview reden sie über die Perspektiven ihres Landes und ihre ganz persönlichen Sehnsüchte.

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Die Musiker von TBF aus Split (Foto: TBF)
Bild: DW/D. Dragojevic

Wir trafen sie in Split, in der Stadt, über die sie singen, schimpfen und die sie innig lieben. Drei der sechs Mitglieder, Frontmann Mladen Badovinec, Textschreiber Saša Antić und Luka Barbić, von "The Beat Fleet", kurz TBF, standen uns Frage und Antwort und zeigten uns Orte in ihrer Stadt, die man als Tourist meistens übersieht.

Deutsche Welle: Welche Spuren hat der Krieg in Split hinterlassen?

Saša: Man hat Split als Stadt, als urbane, dynamische Struktur, komplett vernachlässigt. Am Ende sind wir eine Art Lagerhaus für Handel und Schmuggel geworden. Die Industrie ist platt gemacht worden, uns bleiben nur noch Tourismus, Schmuggel und Banken. Ich weiß, dass es blöd ist, all dies so zu vereinfachen, aber jetzt sind 20 Jahre vergangen und manche Sachen sind uns klarer geworden. Wir hinken Europa 20 Jahre hinterher.

In der Öffentlichkeit werdet Ihr wegen eurer gesellschaftskritischen Texte gerne und oft als Rebellen bezeichnet. Was möchtet ihr mit dieser Kritik erreichen?

Luka: Ich würde eher sagen, dass wir über Dinge reden, wie sie sind. Wir mochten uns nie als Rebellen sehen, die zu einer Revolution aufrufen.

Saša: Grenzen verwischen, Rassen vermischen... Wenn wir alles analysieren würden, also das ehemalige System und dieses jetzige, dann haben wir begriffen, dass jedes System totalitär ist und dass es Gehirnwäsche betreibt, Freiheiten nimmt und sich dabei aller Mittel bedient – von Krieg bis zu Medien. Wir sind einfach nur in unserem eigenen Film und bemühen uns, außerhalb von allem zu bleiben. Und wir haben Glück, dass wir über die Jahre damit erfogreich gefahren sind. Man ist heutzutage ein Rebell, wenn man sich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe einsetzt. Das zeigt doch, dass wir in einer verkehrten Welt leben.

Wie erklärt Ihr Euch Euren Mega-Erfolg, obwohl ihr eigentlich zur Subkultur gehört? Wer sind euere Fans in diesem Land, in dem sonst eher leichte Töne hohen Verkaufswert haben?

Saša: Das sind diejenigen, die man "die schweigende Mehrheit“ nennt. Die, die nicht wählen gehen. Wenn wir uns Wahlstatistiken anschauen, dann sehen wir, dass sie nur Menschen erfassen, die ihre Stimme abgegeben haben. Das sind nicht mehr als 40 Prozent.Aber trotz allem, wenn wir zurückschauen, entwickelt sich unsere Gesellschaft zum Besseren. Der Dialog ist zivilisierter, sinnvoller geworden.

Die Musiker von TBF aus Split (Foto: TBF)
Die Musiker von TBF aus SplitBild: Dunja Dragojevic

Was erwartet ihr vom EU-Beitritt Kroatiens?

Saša: Also es liegt offensichtlich in der menschlichen Natur: Alle wollen zu einer Gruppe gehören. Am Ende wird alles darauf reduziert, dass die meisten Menschen vom EU-Beitritt erwarten, dass sie Geld bekommen, dass ihr Lebensstandard steigt... Ok, das kann passieren, aber genauso schnell kann es auch wieder kaputt gehen. Wenn man nicht ein inneres Motiv hat, wie die Welt besser zu machen, dann hat das keinen Sinn.

In welchem Europa sollen eure Kinder einmal leben? Was sind Werte, die euch wichtig sind?

Saša: Toleranz, Gewaltlosigkeit, Dialog, Solidarität in den Bemühungen, dass man diesen ganzen Wahnsinn, der unseren Planeten kaputt macht, stoppt, dass man ein bisschen durchatmet, dass man innehält. Wir drehen uns nur in einem Hamsterrad. Wenn es stehenbleibt, dann haben wir Angst, dass wir herausfallen und uns alle Knochen brechen werden.

Mladen: Dass man die Wissenschaft fördert, im Sinne der Aufrechterhaltung unserer Erde, weil wir sie schon ziemlich kaputt gemacht haben. Und wenn sie zerstört ist, dann werden wir sie nicht mehr haben. Aber die Menschheit funktioniert offensichtlich nicht im Kollektiv. Es ist unmöglich. Der Mensch ist egoistisch, und da gibt es keinen Weg zurück. Ich habe alle Visionen aufgegeben. Ich beschäftige mich nur mit meinem Mikrokosmos und habe keine Ahnung, was wir alle zusammen machen sollten.