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Senegal wählt

Peter Hille2. Juli 2012

Die Senegalesen haben ein neues Parlament gewählt. Das Ergebnis soll in den nächsten Tagen feststehen. Es könnte den demokratischen Aufbruch im Land bringen, sagt Ute Bocandé von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Stimmabgabe bei der Wahl 2012 (Bild: Reuters)
Bild: Reuters

DW: Die Senegalesen sind erst im März an die Urnen gegangen und haben sich in einer Direktwahl für einen neuen Präsidenten entschieden. Was hat sich mit Macky Sall, dem neuen Mann an der Spitze, verändert?

Bokandé: Die Stimmung in der Bevölkerung hat sich grundlegend gewandelt! Die letzten Jahre unter Macky Salls Vorgänger Abdoulaye Wade waren immer mehr von einem autoritären Regierungsstil geprägt. Das hat den Leuten Angst gemacht. Diese Angst ist plötzlich abgefallen und es herrscht neue Zuversicht. Trotzdem sind die großen Probleme natürlich immer noch da: Die Wirtschaftslage ist schwierig und in Teilen des Landes herrscht Hungersnot, weil die letzten Ernten sehr schlecht waren. In dieser kurzen Zeit kann ein neuer Präsident da natürlich nicht viel machen.

Leere Schüssel (Bild: AP/dapd)
Besonders in der Sahel-Zone herrscht weiter HungerBild: dapd

Macky Sall hat sich viel vorgenommen. Er will nicht nur die Wirtschaft ankurbeln und das Bildungssystem verbessern, sondern gleichzeitig auch die Staatsausgaben senken. Wird die Parlamentswahl den neuen Präsidenten stärken?

Auf jeden Fall. Bislang gab es fast nur Mitglieder der ehemaligen Regierungspartei von Abdoulaye Wade im Parlament. Das war die Applaudierkammer des Präsidenten, das war schon fast unerträglich für eine Demokratie. Es kann also nur besser und demokratischer werden. Im Moment gibt es eine große Wanderungsbewegung von der ehemaligen Regierungspartei hin zur Partei des neuen Präsidenten Macky Sall. Meine vorsichtige Schätzung ist, dass seine Koalition bei den Parlamentswahlen zwischen 60 und 70 Prozent der Stimmen erhält. Das Parlament wird bunter!

Ute Bocandé (Bild: privat)
Ute BocandéBild: privat

Gilt das auch für den Frauenanteil? Derzeit ist nur jedes fünfte Parlamentsmitglied weiblich.

Ja, denn im letzten Mai wurde sogar ein Gesetz verabschiedet, dass alle Parteilisten paritätisch besetzt sein müssen. Das heisst, es müssen 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen auf den Kandidatenlisten stehen. Und das wird automatisch dazu führen, dass in Zukunft sehr viel mehr Frauen im Parlament vertreten sein werden.

Der Präsidentschaftswahlkampf im Frühjahr wurde sehr heftig geführt – bis hin zu Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten. Wie erleben Sie derzeit die Stimmung vor den Parlamentswahlen?

Die Parlamentswahlen jetzt werden weniger leidenschaftlich angegangen. Ich befürchte, dass auch die Wahlbeteiligung nicht sehr stark wird. Es ist noch nicht so stark ins Bewusstsein der Bevölkerung vorgedrungen, wie wichtig die Rolle des Parlaments ist. Die Leute sind noch ganz auf das Bild eines starken Präsidenten ausgerichtet und nicht so sehr auf die Partizipation des Einzelnen.

Macky Sall Premierminister Senegal (Bild: AP/dapd)
Im Mittelpunkt: Präsident Macky SallBild: AP

Wenn Senegal weiter zurückfindet zu Demokratie und Stabilität, was bedeutet das dann für die Rolle des Landes in der Region? In den Nachbarländern Mali und Guinea-Bissau ist die Situation nach Militärputschen im März und April weiter angespannt.

Senegal hatte ja bis vor einigen Jahren die Rolle des diplomatischen Vermittlers inne, zum Beispiel bei den Konflikten im Kongo, im Tschad oder in der Elfenbeinküste. Das hat sich leider dadurch verändert, dass die Regierung Wade an Glaubwürdigkeit verloren hat. Generell ist Senegal ein friedliches, ein ruhiges Land. Und ich denke, mit der neuen Regierung, die dies noch weiter vorantreibt, wird Senegal auch wieder eine diplomatische Vorreiterrolle bekommen in der westafrikanischen Region.