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"Die Stimmung in der Bevölkerung ändert sich"

Olja Melnik7. März 2005

Es wird eng für einen der letzten Autokraten Europas: Die weißrussische Opposition einigt sich auf gemeinsame Aktionen gegen Präsident Lukaschenko - und hofft auf zunehmende Unterstützung durch die Bevölkerung.

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Demonstration in Minsk gegen Präsident Lukaschenko im Oktober 2004Bild: AP

Der Druck auf Andersdenkende in Weißrussland wächst. Jeder Versuch, seinen Protest gegen das autoritäre Regime des Präsidenten Alexander Lukaschenko zu äußern, wird gewaltsam unterdrückt. Immer mehr Weißrussen werden wegen ihrer Ansichten zu hohen Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Zu groß ist die Angst vor dem Übergreifen der "Orangenen Revolution" aus der Nachbarrepublik Ukraine. Um sein Land vor feindlichen Einflüssen zu schützen, hat Lukaschenko die Ein- und Ausreisebedingungen verschärft. Studenten, die im Ausland studieren möchten, benötigen eine Genehmigung des Bildungsministeriums. Der Präsident versucht jeden Schritt der Opposition zu kontrollieren. Doch trotz drohender Repressalien nehmen die demokratischen Entwicklungen in Weißrussland ihren Lauf. Die Opposition, die lange Zeit als zerstritten und inkompetent galt, will nun einen gemeinsamen Weg einschlagen. Die ersten Fortschritte sind bereits zu erkennen.

Opposition unter Lebensgefahr

Es gibt Menschen, die für eine demokratische Zukunft des Landes sogar ihr Leben aufs Spiel setzen. Der junge Unternehmer Andrej Klimov ist einer von ihnen. Mit seinen 40 Jahren hat Klimov schon einiges erreicht: Anfang der 90er Jahre gründete er eine Bank, und kurz darauf erschien seine eigene Zeitung. Durch seine Ideen brachte Klimov frischen Wind in die Gesellschaft. Er gab sich mit dem Erreichten nicht zufrieden und sah seine Zukunft in der Politik. Genau das schien dem Präsidenten Lukaschenko überhaupt nicht zu gefallen. So wurde Andrej Klimov des Diebstahls beschuldigt und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Seine Strafe musste er unter besonders strengen Bedingungen absitzen. Klimov hatte Glück im Unglück: Durch den öffentlichen Druck wurde seine Freiheitsstrafe um zwei Jahre verkürzt. Seit März 2002 ist Klimov wieder ein "freier" Mensch. Doch als solcher fühlt er sich nicht: "Wir haben es in Weißrussland mit einer Diktatur zu tun", sagt er. "Die Machtvertikale versucht ihre Position mit allen Mitteln zu festigen. Seit Jahren versucht Lukaschenko der Opposition seine Spielregeln aufzuzwingen. In Wirklichkeit findet eine ideologische Gehirnwäsche statt. Er will uns einreden, dass wir bloß Versager sind."

Auf dieser Ebene hat die weißrussische Opposition keine Chance, sich gegen die politische Willkür durchzusetzen, so Andrej Klimov. Jetzt ist die Zeit für andere Spielregeln gekommen, so wie es in Jugoslawien, Georgien und der Ukraine der Fall war. Eine weißrussische Revolution schließt Klimov dabei nicht aus: "Tausende von Menschen arbeiten für die Revolution. Wir konzentrieren unsere ganze Kraft darauf und haben bereits eine entsprechende Strategie ausgearbeitet. Wir wollen durch den öffentlichen Druck den Präsidenten zum Rücktritt auffordern." Die erste Aktion findet am 25. März statt. Sie soll auf jeden Fall stattfinden - ob offiziell genehmigt oder eben nicht.

Vorbild Ukraine

Klimov ist siegessicher. Unterstützung findet er in den verschiedensten Schichten der Bevölkerung. Zahlreiche Jugendorganisationen und Unternehmensverbände arbeiten mit ihm zusammen. Anregungen und Tipps holen sie sich von der ukrainischen Bewegung "PORA", die eine entscheidende Rolle bei der 'Orangenen Revolution' gespielt hat. Die ukrainischen Kollegen geben ihre Erfahrungen gerne weiter, so der Chef der Bewegung Andrej Jusupov: "Während der "Orangenen Revolution" nahmen Vertreter verschiedener weißrussischer Organisationen und einfache Bürger an unseren Aktionen teil. Wir tauschten uns intensiv aus und berichteten in speziellen Seminaren über unsere Erfahrungen." Er freut sich, das Nachbarland nun bei der Entwicklung einer Zivilgesellschaft und beim Schutz der Bürgerrechte unterstützen zu können. "Wenn Präsident Lukaschenko weiter seine Politik durchsetzen will, muss er auf alles gefasst sein", sagt Jusopov.

Die weißrussische Opposition nutzt jede Gelegenheit zum Dialog. Bei ihren regelmäßigen Treffen versuchen sich die demokratischen Kräfte auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu einigen, so die stellvertretende Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei Ludmila Grjasnowa. Viel Zeit haben sie jedoch nicht, denn viele halten es für möglich, dass Lukaschenko bereits in diesem Jahr die Präsidentschaftswahl anordnet. "Für ihn verschlechtert sich ja die Situation mit jedem Tag. In diesem Fall müssen wir den Kongress der demokratischen Kräfte im Mai einberufen und dort einen gemeinsamen Kandidaten benennen", meint Grjasnowa.

Einer von den möglichen Präsidentschaftskandidaten ist ihr Parteikollege Alexander Dobrovolski. Trotz der scheinbar ausweglosen Situation sieht er optimistisch in die Zukunft des Landes: "Der Schlüssel zur Verbesserung unserer Situation liegt nicht im Westen und nicht in Russland sondern in unseren eigenen Händen. In erster Linie müssen wir an uns selbst und an unsere eigenen Kräfte glauben. Die Stimmung in der Bevölkerung ändert sich. Immer mehr Menschen sind bereit, uns zu unterstützen."