1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Die Stoppuhr läuft"

Das Gespräch führte Steffen Leidel 21. Juli 2005

Der Bundeswahlleiter Johann Hahlen erklärt im Interview mit DW-WORLD, warum Deutsche im Ausland sich besonders beeilen müssen, damit ihre Stimme bei den vorgezogenen Neuwahlen berücksichtigt werden kann.

https://p.dw.com/p/6wVc
50.000 Stimmen von Deutschen im Ausland erwartetBild: AP

DW-WORLD: Herr Hahlen, nach der Auflösung des Bundestages durch Bundespräsident Köhler wird es ja jetzt Mitte September voraussichtlich zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Die Zeit bis dahin ist ja ziemlich knapp. Müssen sich denn die Auslanddeutschen jetzt besonders beeilen, um zu wählen?

Johann Hahlen, Bundeswahlleiter
Johann Hahlen, Bundeswahlleiter und Präsident des Statistischen BundesamtesBild: dpa

Johann Hahlen: Ja, das ist so, denn nachdem der Bundespräsident den 15. deutschen Bundestag aufgelöst hat, läuft jetzt gewissermaßen die Stoppuhr, denn unsere Verfassung schreibt vor, dass die Neuwahl spätestens 60 Tage nach der Auflösung des Bundestages erfolgen muss und das bedeutet für die Deutschen im Ausland schon, dass sie sich doch mehr beeilen müssen als sonst vor einer Bundestagswahl.

Wie machen sich denn die verkürzten Fristen bei Ihnen im Haus selbst bemerkbar?

Wir haben uns schon im Vorfeld auf diese Entscheidung des Bundespräsidenten eingerichtet, so dass bei uns die Vorbereitungsarbeiten jetzt eigentlich normal weiterlaufen, die sind auch alle im Plan. Aber um noch mal auf die Auslandsdeutschen zurück zu kommen: Die müssen jetzt doch sehr schnell ihren Antrag auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis in der Bundesrepublik hier stellen, denn ein solcher formgebundener Antrag muss spätestens am 21. Tag vor dem Wahltag und das ist nach der Entscheidung des Bundespräsidenten der 28. August hier in Deutschland bei der Gemeindebehörde eingegangen sein.

Trotz der Entscheidung von Köhler, noch gibt es ja keine hundertprozentige Gewissheit, dass es zu Wahlen kommt, denn verschiedene Abgeordnete haben ja angekündigt, dass sie vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wollen gegen die Auflösung. Sollten die Verfassungsrichter jetzt diesen Klagenden Recht geben, dann könnten die Wahlen ja noch in letzter Minute abgeblasen werden. Was machen Sie denn dann?

Hier rate ich jedem, der an der Wahl teilnehmen möchte: Bitte stellen Sie sofort den Antrag auf Eintragung in das für Sie zuständige Wählerverzeichnis in Deutschland und warten Sie nicht auf etwaige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Dieser Antrag ist wichtig, denn ohne diesen rechtzeitigen Antrag wird man später nicht an einer Wahl teilnehmen können. Die Antragsformulare können die Deutschen im Ausland sich aus dem Internet herunterladen. Das ist in meinem Internetangebot (www.bundeswahlleiter.de). Aber die Anträge müssen ausgedruckt werden, weil dort eine eidesstattliche Versicherung verlangt wird und deshalb genügt es nicht, wenn man diesen Antrag jetzt eventuell per Internet nach Deutschland schickt. Das wäre schön und einfach, geht aber wirklich nicht. Bitte den Antrag aus dem Internet herunterladen, ausdrucken und dann in Papierform nach Deutschland schicken und das braucht natürlich seine Zeit

Wenn wir uns jetzt mal die Deutschen im Ausland ansehen: Sie sind ja traditionell eine wichtige Zielgruppe auch der Deutschen Welle. Können Sie denn denen einen besonderen Tipp geben, was Sie beim wählen beachten müssen. Sie haben gerade schon die Fristen genannt, aber gibt es denn auch typische Fehler, die vermieden werden könnten?

Ich kann den Deutschen im Ausland sehr beruhigend sagen, wir haben festgestellt, dass Briefwähler, und die Auslandsdeutschen sind ja Briefwähler, deutlich weniger Fehler machen, als Urnenwähler. Die Zahl der ungültigen Stimmenabgaben ist bei Briefwählern deutlich geringer, als bei Urnenwählern.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Neuerungen es bei dieser Wahl geben wird und wo die meisten Auslandsdeutschen wohnen.

Gibt es denn irgendwelche Neuerungen?

Es gibt eine Neuerung: Bislang mussten Personen, die im amtlichen Auftrag zum Beispiel als Angehörige des Auswärtigen Dienstes oder als Zollbeamte oder in anderer amtlicher Funktion im Ausland waren, ihre Eintragung ins Wählerverzeichnis über ihre oberste Dienstbehörde hier nach Deutschland richten und wurden dann in dem Ort eingetragen, wo das Auswärtige Amt oder das Ministerium nun ansässig war. Diese Regelung, die sehr aufwändig, sehr kompliziert war und die nur wenig in Anspruch genommen wurde, die ist nun bei der Bundestagswahl ersatzlos entfallen.

Das bedeutet, dass zum Beispiel der Botschaftsangehörige in Australien oder der deutsche Soldat in Afghanistan seinen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis nicht mehr über das Auswärtige Amt oder über das Verteidigungsministerium leiten muss, sondern selber unmittelbar direkt am Ort seiner letzten Wohnung in Deutschland seine Eintragung ins Wählerverzeichnis beantragen muss. Wobei ich hinzufüge, dass der deutsche Soldat in Afghanistan, der da ja in der Regel nur einige Monate im Einsatz ist, weil das ja ein roulierender Einsatz ist, der hat ja in der Regel seine Wohnung im Inland behalten, das heißt, der ist im Inland noch gemeldet und von daher braucht der eigentlich gar nichts zu tun, außer Briefwahlunterlagen zu beantragen. Er wird von Amtswegen in Deutschland ins Wählerverzeichnis eingetragen.

Haben Sie denn Daten darüber, wie viel Deutsche im Ausland eigentlich wahlberechtigt sind und wie viele auch dann davon wählen?

Also wir wissen nicht, wie viele Deutsche im Ausland wahlberechtigt sind, weil es darüber keine Register gibt. Wir beobachten nur, wie viele bei den Wahlen ihre Eintragung in ein Wählerverzeichnis hier in Deutschland beantragen, um dann wählen zu können. Und diese Zahl ist relativ gering. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2002 waren es knapp 50.000, die sich haben eintragen lassen. Bei der Europawahl vor einem Jahr waren es nur 6.000, aber da war die Wahlbeteiligung ja leider auch insgesamt nur sehr gering. Ich rechne damit, dass wir wieder in dieser Größenordnung um 50.000 Deutsche aus dem Ausland haben werden, die an der bevorstehenden Bundestagswahl teilnehmen werden.

Nun könnte sich ja der ein oder andere fragen, wie wichtig ist denn jetzt eigentlich meine Stimme als Auslandsdeutscher? Gab es schon einmal die Situation, dass Auslandsdeutsche wahlentscheidend waren, das "Zünglein an der Waage" vielleicht?

Nein, das kann man so nicht sagen, denn Sie müssen bedenken, dass wir in Deutschland 50 Millionen Wahlberechtigte haben und da fallen dann die rund 50.000 Erst- und Zweitstimmen der Deutschen im Ausland nicht so ins Gewicht, weil sie sich ja über das gesamte Bundesgebiet verteilen, sie konzentrieren sich ja nicht in einem Wahlkreis. Aber es gilt natürlich für jeden Bürger, wie auch hier in Deutschland: Jede Stimme zählt, sowohl die Erst- wie auch die Zweitstimme. Deshalb ist es schon wichtig, dass möglichst viele Auslandsdeutsche an der Bundestagswahl teilnehmen.

Noch eine letzte Frage: Inwiefern unterscheidet sich eigentlich das Wahlverhalten der Auslandsdeutschen vom Rest der Wähler? Kann man da einen Trend ausmachen? Sind Briefwähler vielleicht eher konservativer als Nicht-Briefwähler oder sind sie eher links, oder wählen sie eher grün?

Nein, die Stimmabgabe bei uns ist ja geheim ist und das bedeutet, dass wir jetzt auch nicht unterscheiden können bei der Stimmenauszählung, kommt diese Briefwahlstimme nun von einem Deutschen, der sich nun gerade im Urlaub im bayrischen Wald befindet und deshalb nicht in das Wahllokal gehen kann oder kommt die Briefwahlstimme aus Ozeanien, also von sehr weit her oder aus den USA. Diese Unterscheidung ist nicht möglich und deshalb kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob bei den Deutschen, die vom Ausland her wählen es bestimmte Parteipräferenzen gibt. Ich kann Ihnen nur sagen, wo die Anträge auf Eintragung ins Wählerverzeichnis überwiegend herkommen: Das ist ganz interessant: In Europa kommen die meisten Anträge aus Frankreich und aus der Schweiz, in Übersee sind es die USA, und was Asien angeht, kommen die meisten Anträge mittlerweile aus China.