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Das Sterben begleiten

Rachel Baig11. Februar 2013

Der Tod ist keine Frage des Alters: Das Kinderhospiz "Balthasar" betreut unheilbar kranke Kinder. Es ist ein Ort zum Weinen und Abschied nehmen, aber auch zum Leben und Lachen.

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Kinderhospiz Balthasar in Olpe Bild: 22.11.2012, Olpe, Deutschland, Rachel Yasmin Baig, DW
Kinderhospiz Balthasar in OlpeBild: DW/ R.Y.Baig

In großen bunten Holzbuchstaben steht "Tobias" an einer der Türen. Im Zimmer selbst sind bunte Vorhänge an den Fenstern. Kuscheltiere bevölkern es, wie ein ganz normales Kinderzimmer. Dies ist aber ein Hospizzimmer. Eines von acht in diesem Haus für Kinder, die unheilbar krank sind. Der zehnjährige Tobias leidet an dem sogenannten ADSL-Mangel. Eine seltene Stoffwechselerkrankung, die sehr verschiedene Ausprägungsformen hat. "Wir wussten schon sofort nach der Geburt, dass Tobias schwer krank ist", sagt Susanne L., die Mutter von Tobias. "Die endgültige Diagnose bekamen wir aber erst, als er vier Jahre alt war. Das war für uns Anlass, uns an ein Kinderhospiz zu wenden."

Ein zweites Zuhause

Das Kinderhospiz "Balthasar" in Olpe öffnete vor 15 Jahren seine Pforten - damals das erste seiner Art. Man hatte erkannt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und deshalb eine andere Betreuung benötigen. Im Vergleich zu einem Erwachsenenhospiz wird hier die ganze Familie aufgenommen. Das Kinderhospiz ist ein Ort zum Sterben, gleichzeitig will es aber auch ein Haus voll Lebensfreude sein. Überall stehen große Stofftiere, in den Fluren und in den Kinderzimmern hängen bunte Bilder. Auf dem Außengelände können die Kinder spazieren gefahren werden, auf rollstuhlgerechten Spielplätzen spielen oder einfach nur entspannen. Es gibt aber auch Räume, die zur Entspannung und zum Spielen genutzt werden. Am liebsten liegen die Kinder in einem der Gemeinschaftszimmer auf einem Wasserbett, lauschen der beruhigenden Musik und beobachten die bunten Wassersäulen oder Lichtspiele an der Decke.

Kinderhospiz Balthasar in Olpe Musik- und Spielzimmer Bild: 22.11.2012, Olpe, Deutschland, Rachel Yasmin Baig, DW
Räume zum Entspannen und SpielenBild: DW/ R.Y.Baig

Spenden sichern die Existenz

Die Kosten für maximal vier Wochen Kinderhospiz im Jahr übernehmen die Krankenkassen - allerdings nur für das Kind. Der Aufenthalt der Eltern wird meist über Spenden finanziert. Im Gegensatz zum Erwachsenenhospiz werden Kinderhospize nur zu 30 Prozent bezuschusst. Der Rest der Kosten muss über Spenden finanziert werden.

Die Spender, die solche Häuser am Leben erhalten, sind ganz unterschiedlich: Das ist der Dauerauftrag von fünf Euro, den Menschen erteilen, bis hin zu Prominenten, die eine Patenschaft für das Hospiz übernehmen. Diese nutzen ihre Bekanntheit, um auf die Arbeit des Kinderhospizes aufmerksam zu machen. Das Hospiz, das in Trägerschaft des Ordens der Franziskanerinnen in Olpe ist, dankt den Spendern und Unterstützern mit Namenstafeln im Eingangsbereich.

Kinderhospiz "Balthasar" in Olpe

Die Unterstützung für die Familien

Neben Tobias sind zurzeit noch sieben weitere Kinder im Hospiz. Der Zehnjährige kommt seit fünf Jahren immer wieder für ein paar Tage mit seiner Familie hierher. Denn Kinderhospize begleiten eine Familie schon ab dem Zeitpunkt einer Diagnose und nicht erst in der finalen Phase. "Ich denke, Tobias fühlt sich hier sehr wohl", sagt Susanne L. und lächelt. "Er wird hier richtig verwöhnt. Er bekommt Massagen, kann Schwimmen gehen und ausgiebig baden. Und mein Mann und ich können dann meistens auch ein bisschen Abschalten."

Da sich im normalen Leben alles permanent um das kranke Kind dreht, kommen die Geschwister, aber auch die eigene Beziehung häufig zu kurz. Ziel des Kinderhospizes sei es auch, die Eltern von der Pflege des schwerkranken Kindes zu entlasten, sagt Rüdiger Barth, Leiter des Kinderhospizes. "70 Prozent der Ehen scheitern, wenn eines der Kinder tödlich erkrankt. Es ist wichtig dass die Eltern auch wieder Zeit für die gesunden Geschwisterkinder finden."

Lachen und Weinen

Die jungen Hospizgäste, aber auch ihre Eltern, Geschwister und Angehörige setzen sich hier bewusst mit Krankheit und Tod auseinander. "Zu Hause leben wir vom Verdrängen, weil das oft nicht anders geht im Alltag. Es fehlt meistens die Zeit, sich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Hier hat man Mitarbeiter, die gesprächsbereit sind, was es einfacher macht, sich mit dem Thema zu beschäftigen", erklärt Susanne. Die vielen Gespräche mit geschulten Trauerbegleitern helfen also beiden - Kindern und Eltern - mit dem "schwierigsten Thema des Lebens" umzugehen.

Dazu gehört auch, dass die Familie in Ruhe Abschied nehmen kann, wenn ihr Kind verstorben ist. Auf Wunsch kann bis zur Beisetzung ein Abschiedsbereich genutzt werden. "Es ist wichtig, dass die Familie in Ruhe Abschied nehmen kann. Alle Familien nutzen dieses Angebot", sagt Rüdiger Barth. Dieser Abschiedbereich ist sehr hell und freundlich eingerichtet: Neben dem Bett mit Kuscheltieren ist ein Baum an die Wand gemalt. Der Bereich kann aber von jeder Familie individuell gestaltet werden. "Es ist so eine intime Situation, und jede Familie trauert anders. Je nachdem, welche Religion oder welche Kultur die Familien haben, sieht der Raum dann ganz unterschiedlich aus", erklärt Rüdiger Barth.

Kinderhospiz Balthasar in Olpe Engelsfigur Bild: 22.11.2012, Olpe, Deutschland, Rachel Yasmin Baig, DW
Detail aus dem AbschiedsbereichBild: DW/ R.Y.Baig

Jedes der Kinder, das zu Gast im Hospiz war, hat im Eingangsbereich des Hauses einen Hand- oder Fußabdruck hinterlassen, unter dem sein Name mit dem Datum des ersten Besuchs im Hospiz steht: Pia S. 07.05.2000, Sascha K. 02.04.2000, Roland S. 09.10.1998 - Spuren des Lebens an einem Sterbeort der ganz besonderen Art.