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"Die Ukraine hat keine Wahl: sie muss mit Nijasow verhandeln"

24. März 2005

In einem Interview analysiert Roland Götz, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), den Besuch Juschtschenkos in Turkmenistan. Nicht die Menschenrechte, sondern das Erdgas ist im Fokus des ukrainischen Interesses.

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Bild: DW

DW-RADIO/Russisch: Hat der Besuch Juschtschenkos in Turkmenistan eine politische Komponente?

Roland Götz: In diesem Fall geht es um wirtschaftliche Angelegenheiten, und nicht um Menschenrechte oder weitergehende politische Fragen. Es geht in einem sehr engen Bezug um das Gas, das Turkmenistan in die Ukraine, oder über Russland in die Ukraine liefert. Und hier stehen einige wichtige Entscheidungen an. Deswegen hat dieser Besuch wahrscheinlich einen sehr eingegrenzten Charakter.

Das bedeutet?

Es geht in diesem Fall wirklich nicht um Ethik, etwa um die Übertragung von Freiheit nach Turkmenistan. Das steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Es geht um rein wirtschaftliche Fragen. Ob das natürlich eine gute Grundlage ist, mit einem solchen Menschen wie Nijasow zu verhandeln, ist eine ganz andere Frage. Denn jemand wie Nijasow hält sich ja auch nicht an internationale Abmachungen, wie man gesehen hat. Und deswegen ist ein solcher Verhandlungspartner immer problematisch. Aber die Ukraine hat einfach keine andere Wahl – sie muss mit ihm verhandeln.

Es geht um Erdgas-Lieferungen aus Turkmenistan Richtung Westen. Turkmenistan liefert schon seit einiger Zeit Erdgas über Russland in die GUS-Staaten, und die Ukraine erhält davon einen gewissen Anteil – im Augenblick sogar einen sehr großen Anteil, etwa 36 Milliarden Kubikmeter Gas. Aber diese Vereinbarung läuft 2006, also nächstes Jahr, bereits aus. Und dann ist gar nicht klar, welches Gas die Ukraine weiter erhalten wird. Es gab oder gibt eine Vereinbarung zwischen Russland und Turkmenistan über eine sehr langfristige Lieferbeziehung bezüglich Erdgas. Es geht da um einen 25-Jahres-Vertrag. Und die Lieferung von Erdgas von Turkmenistan nach Russland soll ansteigen von gegenwärtig etwa 10 Milliarden Kubikmeter auf bis zu 100 Milliarden Kubikmeter. Und dann würde die Ukraine über Russland, geliefert durch (den staatlichen russischen Energiekonzern) Gasprom ihr Gas erhalten, damit aber sehr abhängig werden von Russland. Das ist so vorgesehen. In der Regierungszeit Kutschmas, bis zur orange Revolution, war das alles so ausgemacht. Aber jetzt versucht Juschtschenko, eine neue Vereinbarung und Direktlieferungen von Turkmenistan in die Ukraine zu erhalten, also eine eigene Vereinbarung abzuschließen, sich nicht abhängig zu machen von Russland.

Was würde eine solche Vereinbarung für das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine bedeuten?

Wenn dieser Besuch erfolgreich ist, ist das nicht ganz im Interesse von Gasprom und Russlands, wenn man das geopolitisch und auch ökonomisch sieht. Denn damit wird die wirtschaftliche Abhängigkeit der Ukraine von Russland natürlich vermindert, und damit auch der Einfluss Russlands. Allerdings ist im Augenblick wohl die Lage so, dass Russland versuchen muss, auch aus eigenem Interesse mit Juschtschenko, mit der Ukraine zu einem neuen, gleichberechtigten Verhältnis zu kommen. Eine solche Abmachung mit Turkmenistan würde in diese Richtung gehen, das heißt, in diese Richtung der Politik, die Putin ja auch schon angedeutet hat, und für die er sich schon ausgesprochen hat, nämlich gleichberechtigte Beziehungen. Insofern liegt das in der Tendenz der gegenwärtigen Politik beider Seiten.

Das Interview führte Michail Buschujew
DW-RADIO/Russisch, 22.3.2005, Fokus Ost-Südost