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Ungleicher Deal

Eugen Theisen16. Mai 2008

Die Ukraine wird 152. Mitgliedsstaat der Welthandelsorganisation WTO. Zahlreiche Kleinbauern werden das nicht überleben und auch für erfolgreichere Farmer beginnt jetzt ein harter Kampf - gegen europäische Bauern.

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Symbolbild: Die Ukraine tritt der WTO bei, Quelle: DW
Die Ukraine wird 152. Mitglied der WTO
Der Grenzübergang Polen- Ukraine, Foto: dpa
Auch die Exporte werden steigen - vor allem in die EUBild: picture-alliance/ dpa

Als im Februar das Beitrittsprotokoll im ukrainischen Parlament ratifiziert wurde, rieben sich die Ukrainer verwundert die Augen. Alle Fraktionen, mit Ausnahme der Kommunisten, stimmten geschlossen für den Beitritt zur WTO, der am Freitag (16.05.08) vollzogen wird. Für die zutiefst zerstrittenen ukrainischen Politiker, die sich seit mehreren Monaten im Parlament gegenseitig blockieren, ein bemerkenswerter Akt. Die umfangreichen Reformen, die Kiew vor dem WTO-Beitritt durchgeführt hat, tun der Wirtschaft des Landes gut, meint Veronika Mowtschan vom Institut für Wirtschaftsforschung und Politikberatung in Kiew: "Der Beitritt zur WTO wird nach unseren Einschätzungen mittelfristig sieben Prozent zusätzlichen Wohlstandzuwachs bringen. Das Bruttoinlandsprodukt wird um zusätzliche 2,5 Prozent wachsen“.

Schatten Russlands

Ein Ukrainischer Bauer in Grygorovka, Foto: AP
Viele ukrainische Bauern werden den WTO-Beitritt nicht überlebenBild: AP

Auch die Exporte werden ihrer Ansicht nach steigen. Die ukrainische Wirtschaft werde sich unter den neuen Bedingungen effektiver entwickeln, meint Mowtschan. Die Expertin betont die Bedeutung der WTO-Mitgliedschaft für die Handelsbeziehungen mit den beiden wichtigsten Partnern der Ukraine – der Europäischen Union und Russland. Mit Brüssel spricht die Ukraine bereits über eine weit reichende Freihandelszone. Und Moskau, das ebenfalls einen WTO-Beitritt anstrebt, ist in dieser Frage auch auf die Zustimmung Kiews angewiesen. Nach vielen Handelskriegen mit dem großen Nachbarn könnten sich hier neue Spannungen abzeichnen, befürchtet Mowtschan: "Ich weiß nicht, ob die ukrainische Regierung mit Russland über dessen Beitrittsbedingungen feilschen wird", sagt sie. Es gebe natürlich einige offene Fragen zwischen den beiden Ländern, auch in den Handelsbeziehungen, aber die Ukraine sei am Beitritt Russlands interessiert: "Das würde uns in unseren Beziehungen auf gemeinsame Rechtsgrundlagen bringen. Das wäre sehr praktisch“, sagt sie.

Oft genug wurde in den vergangenen Jahren der Handel zwischen den beiden Ländern aus politischen Gründen behindert: Mal waren Bonbons plötzlich giftig, mal war der Käse nicht mehr in Ordnung.

Stahl und Agrarprdukte sind Exportschlager

Neben der Stahlindustrie sehen die Experten insbesondere im Agrarsektor die Stärken der Ukraine im internationalen Wettbewerb. Angesichts der weltweit gestiegenen Lebensmittelpreise sind die Blicke der Investoren auf die einstige Kornkammer der Sowjetunion gerichtet. Trotzdem schauen ausgerechnet die ukrainischen Bauern dem WTO-Beitritt mit Sorge entgegen. So auch der Präsident des ukrainischen Bauernverbandes, Jaroslaw Kardasch. Die ukrainischen Bauern seien mehrheitlich noch nicht in der Lage, nach den WTO-Regeln zu arbeiten, gibt er zu bedenken und es gebe kaum Labors, die die Produktion ukrainischer Agrarunternehmen nach internationalen Standards zertifizieren: "Ohne eine solche Zertifizierung kann diese Produktion nach den WTO-Regeln nicht exportiert werden“, warnt er.

Gasstreit zwischen Ukarine und Russland, Foto: AP
Ukrainisch-russischer Zankapfel: Das GasBild: AP

Die ukrainischen Bauern stehen vor großen Herausforderungen. Die stärkere internationale Konkurrenz werden viele der mehr als 43.000 ukrainischen Agrarunternehmen, darunter zahlreiche Kleinbauern, nicht überleben. Die Technologien sind veraltet. Die Erträge der Ernten liegen trotz des guten Bodens nur bei etwa der Hälfte der westlichen Konkurrenten. Aber auch die erfolgreicheren Farmer werden um die europäischen Märkte erst noch kämpfen müssen. Da sind die EU-Produzenten in der Ukraine im Moment viel besser aufgehoben. Denn der Import europäischer Waren übersteigt die ukrainischen Exporte bereits heute deutlich. Ob es der Ukraine gelingt, nach dem WTO-Beitritt eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz vorzulegen, ist offen.