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Politik

Die Universiade in Taipeh beginnt

Klaus Bardenhagen
20. August 2017

Auftakt zu einem der größten Turniere im Weltsport: Tausende Athleten kommen nach Taiwan – und erfahren dort, wie kompliziert und vielschichtig der Konflikt mit China ist.

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Taiwan Eröffnungsveranstaltung der Universiade in Taipeh
Chinesischer Kulturkreis: Szene der Eröffnungsveranstaltung der Universiade in TaipehBild: DW/K. Bardenhagen

Plötzlich kamen keine Athleten mehr ins Stadion von Taipeh. Beim Einzug der Nationen lief alles nach Plan – bis "B" wie Burundi. Dannach wurden ohne weitere Erklärung nur noch Flaggen hereingetragen, eine nach der anderen, fast eine Stunde lang. Auch das deutsche Banner wurde nicht von Sportlern begleitet.

Angespannte Verwirrung breitete sich aus im Rund. War Taiwans lange vorbereitete Universiade gescheitert, schon bevor sie begonnen hatte? Steckte gar China dahinter?
Schließlich löste die Situation sich doch noch auf, und großer Jubel brandete auf, als die Athleten wieder ins Stadion strömten, geballt, als hätte ein Flaschenpfropf sie aufgehalten. Der Grund der Verzögerung waren innenpolitische Proteste vor dem Stadion: Gegner einer Beamtenpensions-Reform hatten der Zugang der Athleten blockiert.

Eröffnungsfeier Universiade Taiwan
Die deutsche Flagge wird ohne Sportler ins Stadion getragen – so wie auch die Fahnen anderer NationenBild: DW/K. Bardenhagen

Die Universiade, die Weltsportspiele der Studierenden, findet seit 1959 alle zwei Jahre statt. Sie gilt als größtes "Multisportereignis" nach den olympischen Spielen. Mehr als 7500 Athleten aus 142 Nationen sind nach Taipeh gereist. In den unterschiedlichsten Sportarten von B wie Badminton bis W wie Wushu (chinesische Kampfkunst) kämpfen sie bis zum 30. August um Medaillen. Wer hier dabei ist, muss studieren und vor allem Spitzensportler sein. Sogar einige olympische Goldmedaillengewinner zogen ins Stadion von Taipeh.

Eröffnungsfeier Universiade Taiwan
Trotz der Verzögerung zieht die deutsche Mannschaft freudig ins Stadion einBild: DW/K. Bardenhagen

Auch die 126 Deutschen kamen dann doch noch fröhlich winkend ins Stadion. Darunter die ursprünglich auserkorene Flaggenträgerin, Turnerin Kim Bui, die schon bei den olympischen Spielen in Rio angetreten war. Die Basketballer sind Deutschlands A2-Nationalmannschaft und wollen ihre vor zwei Jahren bei der letzten Universiade in Südkorea errungene Silbermedaille verteidigen. Einige Leichtathleten hatten damals sogar Gold gewonnen. Dennoch sei es ein sehr junges Team, sagt Malin Hoster vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband der Deutschen Welle. Das Durchschnittsalter liege unter 23.

China boykottiert die Feier

Ein Team fehlte, und das war keine Überraschung: China hatte schon im Vorfeld angedeutet, dass es die Eröffnungsfeier boykottieren würde. Dass Taiwans Präsidentin ganz offiziell im Stadion vorgestellt und beklatscht wurde, will Peking seinen Athleten nicht zumuten. Schließlich ist das demokratische Taiwan aus Sicht der Volksrepublik kein vollwertiger Staat und darf es auch nicht sein.

Eröffnungsfeier Universiade Taiwan
Nach langer Verwirrung ziehen die Athleten ins Stadion ein. (Hier das Team aus Chile)Bild: DW/K. Bardenhagen

Für den - aufgrund von Chinas Machtansprüchen - politisch international isolierten Inselstaat sind diese Spiele eine seltene Gelegenheit, auf großer internationaler Bühne Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit insgesamt über 11.000 Teilnehmern, inklusive Betreuern und Offiziellen, ist es wohl das größte internationale Ereignis, das je in Taiwan stattfand. Vor acht Jahren richteten Kaohsiung und Taipeh zwei andere internationale Sportwettkämpfe aus, die World Games und die Deaflympics, die aber jeweils nur etwa halb so viele Teilnehmer hatten. Nur einige Messen wie der IT-Branchentreff Computex mit mehr als 40.000 ausländischen Besuchern bringen noch mehr Menschen nach Taiwan.

"Natürlich macht uns das stolz", sagt Taipehs Tourismus-Dezernentin Chian Yu-yan im Gespräch. "Wir Taiwaner wollen diese Gelegenheit nutzen, uns der Welt zu präsentieren. Es ist eine besondere Gelegenheit, weil wir ja kein Mitglied der UNO sind."

"Chinese Taipei" statt Taiwan

Taiwans komplizierte politische Situation und das heikle Verhältnis zu China sollen bei der Universiade nicht im Vordergrund stehen, spielen aber doch ständig eine Rolle. Dass etwa die Zuschauer in den Sportstätten ihre rot-blaue Nationalflagge schwenken, wenn sie ihre heimischen Athleten anfeuern, ist nicht selbstverständlich. Bei anderen internationalen Sportereignissen in Taiwan verbieten die Veranstalter das gelegentlich in vorauseilendem Gehorsam. Denn auf internationaler Bühne dürfen Taiwans Sportler nicht als "Taiwan" und auch nicht unter dem offiziellen Staatsnamen "Republik China" antreten, sondern nur unter der Bezeichnung "Chinese Taipei". So auch bei dieser Universiade.

Der ungeliebte Kunstname geht auf eine Entscheidung des Internationalen Olympischen Kommitees von 1981 zurück. Die Volksrepublik hatte sich gegen die Bezeichnung "Republik China" gesperrt. Die damals per Kriegsrecht herrschende nationalistische Regierung in Taipeh lehnte "Taiwan" ab, da sie an der Illusion festhielt, noch immer ganz China zu repräsentieren. Am Ende einigte man sich auf die Formel "Chinese Taipei". Die meisten Taiwaner haben sich damit arrangiert, dass ihre Mannschaften so genannt werden – aber dabei bleibt es nicht immer.

Chian Yu-yan Tourismus-Dezernentin von Taipeh ChianYuYan.jpg: Chian Yu-yan, Tourismus-Dezernentin von Taipeh (2.v.l.) bei einem Pressetermin mit dem Universiade-Maskottchen in Taipeh. © Klaus Bardenhagen 15.8.17
ChianYuYan.jpg: Chian Yu-yan, Tourismus-Dezernentin von Taipeh (2.v.l.) bei einem Pressetermin mit dem Universiade-Maskottchen in TaipehBild: DW/K. Bardenhagen

"Mein Land nennt sich Republik China", sagt Lokalpolitikern Chian, "aber meine Insel heißt natürlich Taiwan." Wie viele ihrer Landsleute fand sie es befremdlich, was sie vor gut zwei Wochen im offiziellen englischsprachigen Medien-Handbuch zur Universiade lesen musste. Als Folge vom Übereifer, "Taiwan" auf jeden Fall zu vermeiden, standen dort absurde Sätze wie "Unsere Insel - Chinese Taipei" oder "Chinese Taipei ist lang und schmal und erstreckt sich von Nord nach Süd". Dort reingeschrieben hatte das angeblich in letzter Minute der Studierendensport-Weltverband FISU. Politiker und Medien hatten ein Aufregerthema gefunden. So viel Selbstverleugnung war auch Taipeh als Veranstalter zu viel. Die Broschüre wurde eingestampft und mit "Taiwan" als geographischer Bezeichnung neu gedruckt.

Peking macht Taiwan das Leben schwer

Chinas Eröffnungsfeier-Boykott war keine Überraschung. Zum einen war bei World Games und Deaflympics 2009 das gleiche passiert, zum anderen fallen die Spiele sowieso in eine Zeit, in der Peking Taiwan bei allen Gelegenheiten Steine in den Weg legt. Seit dem Amtsantritt von Präsidentin Tsai vor etwas mehr als einem Jahr und ihrer Weigerung, Taiwan als Teil eines "Einen China" zu definieren, weht vom Festland ein eisiger Wind. Nur einige von zahlreichen Beispielen: Mit Panama hat man Taipeh einen wichtigen diplomatischen Verbündeten abgeworben. Taiwans Teilnahme an Interpol- und WHO-Tagungen wurde blockiert. Chinas Marine und Luftwaffe umkreisen Taiwan und proben Vorstöße auf den Pazifik. Und ein taiwanischer Demokratieaktivist ist seit fast einem halben Jahr in chinesischen Gefängnissen verschwunden.

Dass China nur einzelne Athleten und keine Sportmannschaften zur Universiade schickte, kann auch daran liegen, dass man ihnen Pfeifkonzerte ersparen wollte. Bei einem Jugend-Eishockeyspiel in Taipeh war es im März zu unschönen Szenen gekommen. Nach dem Foul an einem Taiwaner prügelten sich Spieler, Zuschauer warfen Gegenstände aufs Eis, und die Chinesen entfalteten provokativ ihre Nationalflagge.

Deutsche halten sich politisch zurück

An Ausflügen aufs politische Glatteis hat das deutsche Team kein Interesse. Vor der Abreise habe man eine Taiwan-Unterweisung von einem Professor erhalten, erzählt Malin Hoster der Deutschen Welle. Dessen Tipp: "Wir sollen hier nicht sagen, Taiwan gehöre eigentlich zu China. Wenn wir uns da zurückhalten und keine politischen Diskussionen lostreten, dann wären wir auf der sicheren Seite."

Referentin Malin Hoster
Referentin Malin Hoster vom deutschen Universiade-Team vor den Häusern des Athleten-Dorfs in LinkouBild: DW/K. Bardenhagen

Dass Taiwan diese Universiade besonders ernst nimmt, ist den Deutschen schon Tage vor der Eröffnung aufgefallen. Untergebracht sind sie im Athleten-Dorf vor den Toren Taipehs, das eher eine kleine Stadt ist. Mehr als 20 Hochhäuser wurden eigens aus dem Boden gestampft. Nach den Spielen sollen sie als Sozialwohnungen genutzt werden. Auch die vielen freiwilligen Helfer, zum großen Teil von Universitäten rekrutiert, hinterlassen Eindruck, "Egal wo man hingeht, überall sitzen vier oder fünf Volunteers, die sofort aufspringen", sagt Hoster. "An manchen Infoschaltern sind es 20 oder 30, die immer ganz bemüht sind und helfen wollen."

Große Bedeutung für Sportler

Obwohl die Universiade in der breiten Bevölkerung wenig bekannt sei, habe sie doch große Bedeutung für die jungen Teilnehmer, erklärt Hoster. Für viele sei es die erste Gelegenheit, bei einem großen Turnier internationale Erfahrungen zu sammeln. "Und vor allem lernen sie bei so einem Multisportereignis auch Athleten aus ganz anderen Disziplinen kennen. Bei einer EM oder WM ist man ja immer unter sich."

Sportliches Ziel sei, dass möglichst viele Deutsche die Finalphase erreichten, also unter den ersten acht oder zwölf landen. Es gebe von der Sportpolitik keine Vorgaben für Medaillen. Besonders in der Leichtathletik, beim Judo, Taekwondo und beim Schwimmen mache man sich aber durchaus Hoffnungen auf Edelmetall. Die deutsche Hymne werde übrigens selbst bei einem Sieg nicht in Taiwan erklingen, sagt Hoster. Bei der Universiade spiele man stets nur eine FISU-Hymne.

Vielleicht ein kleiner Trost für die taiwanischen Zuschauer und Athleten: So sind sie ausnahmsweise nicht die einzigen, die bei einem Turnier ihre Nationalhymne nicht zu hören bekommen.