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Die unsichtbaren Folgen des Irak-Krieges

Christina Bergmann13. Februar 2009

Fast jeder vierte US-Soldat, der im Irak oder Afghanistan stationiert war, leidet unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Eine tickende Zeitbombe für die US-Gesellschaft.

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US-Soldaten sind im Irak immer wieder Ziel von Anschlägen. Das Erlebte führt bei vielen zu psychischen Langzeitfolgen.Bild: AP

Für das US-Militär ist das Posttraumatische Stress-Syndrom kein neues Problem. Zum ersten Mal wurde es nach dem Ende des Vietnam-Kriegs beschrieben. Auf bis zu 375.000 wird die Zahl der Soldaten geschätzt, die unter dem sogennanten PTSD leiden. Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Niemand kann voraussagen, ob sich diese Zahl nicht noch verändert, wenn die Kriege erst einmal beendet sind, sagt Matthew J. Friedman. Der Psychiatrie-Professor ist Direktor des Nationalen Zentrums für posttraumatische Belastungsstörungen des US -Ministeriums für Veteranen-Angelegenheiten.

Posttraumatisches Stress-Syndrom oder kurz PTSD ist ein junger Name für ein altes Phänomen. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist klar, dass Menschen auf traumatische Ereignisse mit Verhaltensänderungen reagieren können. Doch erst durch die Arbeit mit Vietnam-Veteranen in den 80er Jahren wurde PTSD in den USA als eigenes klinisches Krankheitsbild beschrieben, das sich zum Beispiel von Depressionen unterscheidet. Die wichtigste Lehre aus dem Vietnam-Krieg ist, sagt Matthew Friedman, dass PTSD ein chronisches, sehr ernstes und extrem kräftezehrendes Problem sein kann. "Deswegen ist es wichtig, PTSD früh zu erkennen und zu behandeln.“

Verletzte Soldaten kommen auf der US Air Base in Ramstein an
Nicht nur die sichtbaren Kreigsverletzungen müssen von Spezialisten behandelt werdenBild: AP

Das US-Militär hat für seine Truppen dafür eine Routine-Prozedur eingeführt, erläutert Matthew Friedman: "Wenn die Soldaten aus dem Einsatz zurückkommen, werden alle körperlich und psychisch untersucht. Drei bis sechs Monate später wird diese Untersuchung wiederholt. Und wenn die Soldaten das Militär verlassen und in ein Militär-Krankenhaus kommen, werden sie dort ebenfalls auf PTSD, Depressionen, Drogen-Missbrauch und traumatische Hirnverletzungen untersucht.“

Psychische Probleme werden häufig vertuscht

Das Militär hat eine eigene Webseite, die bei der Rückkehr von der Kriegsfront ins normale Leben helfen soll. Wer hier "PTSD" eingibt, sieht einen Film mit dem Titel “Das Stigma niederreißen“.

Denn in der westlichen Gesellschaft, sagt Friedman, geben Menschen nicht gerne zu, dass sie psychische Probleme haben. Das gilt besonders für das Militär - und noch viel stärker für Berufssoldaten. Sie haben Angst, ihre Karriere zu gefährden, wenn sie ihrem Vorgesetzten von psychischen Problemen erzählen. Untersuchungen belegen, so Friedman, dass viele Soldaten in anonymen Befragungen zugeben, dass sie psychische Probleme haben. Aber nur ein Viertel von ihnen denkt überhaupt darüber nach, professionelle Hilfe aufzusuchen. Und paradoxer Weise nutzen die Soldaten mit den heftigsten Problemen die Hilfsangebote am allerwenigsten.

Den Soldaten müsse klar gemacht werden, erklärt Friedman, dass PTSD nicht ungewöhnlich und kein Zeichen von Schwäche ist. Und vor allem, dass es inzwischen erfolgreiche Therapien gibt. PTSD das Stigma zu nehmen sei also besonders wichtig, sagt der Psychiater: "Deswegen hat man sowohl bei den Veteranen als auch bei den aktiven Soldaten angefangen, PTSD-Behandlung nicht in einer psychiatrischen Abteilung anzubieten, sondern in einem Gebäude, in dem normale medizinische Hilfe geleistet wird und wo auch Patienten mit einer schlimmen Erkältung oder einem anderen Problem hingehen würden.“

Prävention ist die beste Medizin

Posttraumatische Störungen bei Soldaten - Umgang mit PTSD in den USA
Irakkriegs-Veteran Jeffrey Lennon leidet unter posttraumatischen StressymptomenBild: picture-alliance/ dpa

Noch sinnvoller als eine Behandlung ist natürlich die Vorbeugung, die Soldaten also auch auf die psychischen Belastungen während ihres Einsatzes vorzubereiten. Denn niemand käme auf die Idee, so Friedman, sie ohne körperliches Training in den Kampf zu schicken. "Wir denken inzwischen verstärkt darüber nach, dieses Basis-Training um ein psychologisches Training zu erweitern, um auch hier die Belastbarkeit der Soldaten zu fördern. Eine Möglichkeit ist, die Menschen auf die Gedanken und Gefühle vorzubereiten, die sie in einem Kriegsgebiet haben werden, und ihnen Wege zu zeigen, wie sie damit umgehen können.“

Doch auch während des Einsatzes kann das offene Gespräch über das Erlebte helfen, die Geschehnisse besser zu verarbeiten. Das US-Militär hat deshalb Psychiater in die Kriegsgebiete in Irak und Afghanistan gesandt. Und es gibt zwei Faktoren, so erläutert Friedman, von denen die Experten schon seit langem wissen, dass sie die Psyche schützen. Der eine ist ein kompetenter Anführer, der die Soldaten unterstützen und ihnen Vertrauen vermitteln kann. Und der andere ist der Zusammenhalt der Gruppe. "Je stärker sich eine Person als Teil der Kampfeinheit fühlt und von ihr Unterstützung erfährt, um so größer ist auch der psychologische Schutz.“

Das gilt auch, so ergänzt Friedman, für die Zeit nach dem Einsatz: Wer stark in eine soziale Gruppe eingebunden ist und von ihr unterstützt wird, der ist auch besser gegen PTSD geschützt.