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Schlechtes Image der USA

Sabrina Pabst 24. Juni 2015

Die USA verlieren ihr positives Ansehen unter der deutschen Bevölkerung. Im DW-Interview erklärt USA-Experte Karsten Voigt, wie es zu dem Image-Schaden kam und was Amerika tun muss, damit sich das USA-Bild verbessert.

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Symbolbild Skandal um Spähaktion NSA-Geheimdienst (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Eine aktuelle Studie des amerikanischen "Pew Research Centres" belegt, dass das globale Ansehen der USA als führende Wirtschaftsmacht steigt, in Deutschland und weiten Teilen Europas aber abgenommen hat. Wie kommt es zu diesem zunehmend negativen USA-Image?

Karsten Voigt: Die Entwicklung zu diesem Ansehensverlust der USA begann schon durch die Kriege des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush im Nahen Osten. Viele denken, dass die Amerikaner zu der Instabilität dieser Staaten, besonders dem Krieg im Irak und dem Konflikt in Syrien, beigetragen haben. Auch die Entwicklung und das militärische Vorgehen in Libyen, obwohl es ursprünglich keine amerikanische, sondern eine europäische Idee war, wird häufig den Amerikaner zugeschrieben. Hinzu kamen die ganzen Enthüllungen von Edward Snowden und die gesamte NSA-Affäre.

Warum konnte US-Präsident Barack Obama das Ansehen der USA in Deutschland nicht positiv beeinflussen?

Als deutsch-amerikanischer Koordinator der Bundesregierung habe ich damals davor gewarnt, überzogene und unrealistische Erwartungen an einen amerikanischen Präsidenten zu richten. Aufgrund der anderen politischen Kultur der USA und auch der anderen Rolle der USA als Weltmacht kann er sie nicht erfüllen. Danach war die Enttäuschung umso größer. Die USA sind nach wie vor unsere wichtigsten Verbündeten. Im Vergleich zu China und Russland stehen sie uns mit ihren Werten wesentlich näher. Aber es gibt Unterschiede, die viele Deutsche nicht verstehen. Auch ich habe in Deutschland große Probleme, die US-Kultur zu erläutern.

Welche Erwartungen hatten die Europäer?

Die Gesetze, die damals nach 9/11 in den USA eingeführt worden sind, um den Terrorismus zu bekämpfen, hatten viele rechtsstaatlich problematische Aspekte. Die Erwartungen waren, dass all diese Gesetze durch die Regierung Obama rückgängig gemacht würden. Das ist jetzt zum Teil im US-Kongress geglückt, indem einige der Vollmachten der Nachrichtendienste durch den US-Kongress eingeschränkt wurden. Aber natürlich ist in der inner-amerikanischen Diskussion die Balance zwischen den Rechten der Geheimdienste und den Freiheitsrechten nach wie vor in einer Weise geregelt, die ich als problematisch empfinde. Sie entsprechen nicht dem, was die Mehrheit der Deutschen von ihrer eigenen Regierung erwartet.

Kritisch betrachtet werden auch der Patriot Act und Guantanamo. Besonders umstritten ist die Folter von Gefangenen, um Informationen über terroristische Aktionen zu erhalten. In Amerika befürworten 58 Prozent der Befragten diese Methode, in Deutschland lehnen 68 Prozent sie ab. Warum gehen europäische und amerikanische Wertvorstellungen bei dem Thema so weit auseinander?

Wir haben nicht immer die gleiche Hierarchie von Wertvorstellungen. In den USA ist es so, dass der US-Kongress versucht, Initiativen einzubringen, die Folter prinzipiell ablehnen. Das wird besonders durch den doch sehr konservativen John McCain, der selber der Folter in Vietnam durch den Vietkong ausgesetzt war, forciert. In der Schärfe und Klarheit ist er dort aber nicht durchgedrungen, weil die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit ausgesetzt wird - mit Zustimmung der Bevölkerung.

Karsten Voigt DW TV Archiv 2013 (Foto: DW)
Karsten Voigt, ehemaliger Koordinator der deutsch-amerikanischen BeziehungenBild: DW

Haben die USA Interesse daran, ihr Image in Deutschland zu verbessern?

Ja, das haben sie. Das ist ganz eindeutig. Ein großer amerikanischer Think-Tank macht sich große Sorgen über die Meinung innerhalb Deutschlands. In den USA wächst das Interesse, weil sie Deutschland als Partner für ihre Europapolitik und auch für ihre Konflikte mit Russland und die Konflikte am Rande Europas brauchen.

Die Amerikaner haben sich in den letzten Jahren bis zur Ukraine-Krise für Europa sehr wenig interessiert. Sie waren auf China fixiert und haben sich auf Russland konzentriert. Trotzdem haben sie Entwicklungen dort nicht sorgfältig genug verfolgt und sich mit den Problemen nicht beschäftigt.

Wie wirken sich diese Entwicklungen aus?

Im Russland-Konflikt denken Amerikaner und Europäer nicht identisch, aber ähnlich. Es gab intensive deutsch-russische Handelsbeziehungen. Zwischen zwei und drei Millionen Menschen leben in Deutschland, die in der Sowjetunion großgeworden und damals 1989 aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion ausgewandert sind. So gesehen bestehen noch Familienbeziehungen miteinander. Trotzdem sehen Amerikaner und Deutsche im gleichen Maße besorgt die autoritäre Entwicklung innerhalb Russlands und beobachten gleichermaßen die aggressive Politik Russlands gegenüber der Ukraine, aber auch - zumindest rhetorisch - gegenüber anderen Nachbarn Russlands.

Dass die russische Führung, Putin insbesondere, den Schutz von russischsprachigen Minderheiten in den Nachbarstaaten zu einer seiner Aufgaben erklärt hat, wird von den baltischen Staaten sowie Polen und Rumänien als Drohung wahrgenommen. Ich bin für eine enge deutsch-russische Zusammenarbeit, aber nicht unter Missachtung der Interessen unserer unmittelbaren Nachbarn. Denn dann wären wir sehr schnell wieder von misstrauischen und sehr feindseligen Nachbarn umgeben. Das kann nicht das Interesse deutscher Politik sein. Hier brauchen wir ein enges Zusammenwirken von Europa und den USA. Das man im Detail Meinungsverschiedenheiten hat, ist normal. Europa, besonders Deutschland, und die USA müssen am gleichen Strang ziehen und gemeinsame Konzepte entwickeln.

Der Sozialdemokrat Karsten Voigt koordinierte bis 2010 für die Bundesregierung die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Davor war er jahrelang Mitglied des Deutschen Bundestags. Währenddessen gehörte er der Parlamentarichen Versammlung der Nato an und war außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.