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Die vergessenen Geiseln

12. Februar 2010

Vor drei Jahren wurde der junge Deutsch-Iraker Sinan Krause verschleppt. Wo ist er? Und was geschah mit der fünfköpfigen Familie und dem Briten, die im Jemen entführt wurden? Geiseln, über die kaum jemand mehr spricht…

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Geisel mit Geiselnehmern (Foto: ap)
Entführt, gequält, vergessen: Deutsche Geiseln im Irak

Bis zum Februar 2007 war die Welt für Familie Krause noch in Ordnung - trotz Krieg, Bombenanschlägen, Gewalt und Terror in ihrer Wahlheimat Irak. Die Deutsche Hannelore Krause, ihr irakischer Mann Mohammed Kadim al-Tornachi und der 20-jährige Sohn Sinan lebten in Bagdad, bis im Februar 2007 ihr Leben auf den Kopf gestellt wurde. Vermummte, bewaffnete Männer stürmten die Wohnung der Krauses in Bagdad und nahmen Mutter und Sohn gefangen. Der Vater entging der Entführung nur knapp, da er nicht zu Hause war.

Hannelore und Sohn Sinan verschwanden, als Geiseln der islamistischen Gruppe "Pfeile der Rechtschaffenheit", die dem El-Kaida-Spektrum zuzuordnen ist. Als Bedingung für die Freilassung forderten die Geiselnehmer, die deutsche Bundesregierung müsse alle Truppen aus Afghanistan sofort abziehen.

Erfolglose Verhandlungen

Krause (Foto: ap)
Hannelore Krause wurde im Juli 2007 frei gelassenBild: PA/dpa

Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes schaltete sich ein, monatelang wurde verhandelt. Schließlich, im Juli 2007, wurde Hannelore Krause völlig entkräftet freigelassen - vermutlich wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes. Sohn Sinan blieb in der Hand der Entführer: Bis heute fehlt von ihm jede Spur.

Anfang 2008 riss der Kontakt zu den Entführern endgültig ab, das Auswärtige Amt schaffte es nicht, Sinan auszulösen. In völliger Verzweifelung wandte sich sein Vater in einer Videobotschaft an die Entführer und flehte, den Sohn freizulassen: "Bitte meldet euch bei uns. Wir wollen eine gemeinsame Lösung. Wir denken jeden Tag an unseren Sohn, er ist in unseren Herzen." Auch die Ehefrau von Sinan vermisse ihren Mann so sehr. Die Entführer reagierten nicht.

Auf eigene Faust

Vater Krause mit Schwiegertochter (Foto: ap)
Vater Krause wendet sich zusammen mit der Ehefrau von Sinan an die EntführerBild: AP/ ZDF

Im vergangenen Jahr beschloss der Vater, nach Bagdad zu fliegen, um Druck auf die Behörden auszuüben und seinen Sohn auf eigene Faust zu suchen - ein frustrierender Versuch. In Bagdad fühle sich niemand zuständig, klagte der Vater. Die Bundesregierung hülle sich "aus Rücksicht auf die Geisel" in Schweigen. Der Mensch Sinan Krause sei zu einem bürokratischen Fall geworden, zu einer Akte, die von Behörde zu Behörde weitergereicht werde. Es gebe nach Angaben der Behörden einen Mittelsmann, der noch Kontakt zu den Entführern habe - genaueres wisse niemand.

Jetzt will sich der Vater in seiner Verzweifelung an die Stammesführer wenden und versuchen, über sie etwas über Sinan herauszufinden. Bis jetzt blieben alle Versuche erfolglos. Im Internet wird verbreitet, dass die deutschen Behörden mittlerweile davon ausgehen, Sinan Krause lebe nicht mehr. Offiziell bestätigt wurde das natürlich nicht.

Entführte Familie im Jemen

Westerwelle (Foto: ap)
Westerwelle zu Gast im JemenBild: AP

Etwas mehr Engagement von politischer Seite gibt es im Fall der fünfköpfigen Familie aus Sachsen, die zusammen mit einem Briten, einer südkoreanischen Lehrerin und zwei deutschen Pflegehelferinnen im Juni 2009 im Jemen verschleppt wurden. Die beiden Helferinnen und die Südkoreanerin wurden nur wenig später ermordet aufgefunden. Von der Familie und dem Briten fehlt jede Spur.

Bei seinem Besuch im Jemen thematisierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Januar die entführten Deutschen. Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih behauptete, man kenne mittlerweile den Aufenthaltsort der Entführer und würde die Geiseln bald befreien. Westerwelle zeigte sich skeptisch. Medienberichten zufolge verlangen die Entführer zwei Millionen Dollar Lösegeld.

Unklarer Grund

Niemand weiß allerdings, ob die Familie überhaupt noch am Leben ist. Im Dezember tauchte ein Video mit den Kindern der Familie auf, sie machten einen völlig erschöpften Eindruck. Die Kleinen sind gerade mal fünf, drei und ein Jahr alt. Wie es den Eltern geht, ist unklar.

Die Familie lebt schon seit Jahren im Jemen, die Eltern arbeiten in einem Krankenhaus, das eine niederländische Hilfsorganisation betreibt.

Autorin: Anna Kuhn-Osius (ap/afp/dpa/rtr)
Redaktion: Diana Hodali