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Die Verwertungskette bricht

Kay-Alexander Scholz6. Februar 2004

Videotheken könnten bald der Vergangenheit angehören. Schuld sind die Gesetze der digitalen Welt. Doch so ganz hat die Filmindustrie diesen Vertriebskanal noch nicht aufgegeben.

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Ausleihen oder lieber "rippen"?Bild: AP


Erst war es nur eine Ecke, dann ein Regal, dann ein ganzer Flur: Inzwischen haben DVDs in vielen Videotheken die Oberhand gewonnen - auf Kosten der ausleihbaren Videokassetten. Das Unternehmen Video World wird im laufenden Jahr 2004 nach Angaben von Mitarbeitern noch einen Schritt weiter gehen und keine neuen Filme mehr auf Video einkaufen. Ulrich Mahne, Pressesprecher des Interessenverbands des deutschen Video- und Medienfachhandels (IVD), spricht von "einer Hand voll Geschäften, die in diesem Jahr umstellen werden". Erste DVD-Shops haben inzwischen eröffnet.

Markt der Vergangenheit

Allein in Deutschland gibt es derzeit etwa 4500 Videotheken mit rund 15.000 Menschen Beschäftigten. Doch der gesamte Markt steht unter Druck. Trotzdem werden die Videotheken nicht ganz sterben, prognostiziert Mahne. In 80 Prozent aller deutschen Haushalte steht ein Videorekorder – und der wandert nicht gleich auf den Schrott. Aber vielleicht ins Kinderzimmer. DVDs seien für verschmierte Kinderhände zu empfindlich, so Mahne im Gespräch mit DW-WORLD. Der Disney-Blockbuster werde deshalb auch weiterhin auf VHS geguckt.

Die Marke "Video-" wird verschwinden

Wenn es in den Videotheken bald keine Videos mehr zu leihen gibt, dann müssen die Geschäfte ihre ihre Außenreklame überarbeiten, manch ein Unternehmen gar seinen kompletten Firmennamen verändern. Branchenvertreter Mahne plädiert für das Etikett "Mediathek". Schon heutzutage mache ohnehin das reine Verleihgeschäft nur noch einen Teil von dem aus, was über die Ladentheke gehe. Neu hinzugekommen sind der An- und Verkauf gebrauchter Videos und DVDs, Musik-CDs sowie das wachsende Marktsegment der Spiele-CDs und -DVDs.

Da Computergames in der Regel recht teuer sind, kommen viele Leute in die "Videothek" um die Ecke, um gegen Entgeld das neueste Ballerspiel zu testen. Damit macht so mancher Verleiher bereits jetzt 20 Prozent seines Umsatzes. Aber es ist nicht alles eitel Sonnenschein: Illegale Raubkopien machen den Verleihern das Leben schwer (Lesen Sie dazu den DW-WORLD-Artikel "Videos aus dem Netz gefischt"). Allerdings hat die Computerfirma Apple den Unterhaltungskonzernen mit dem iTunes-Musicstores demonstriert, dass sich im Netz nicht nur potenzielle Urheberrechtsverletzer, sondern auch zahlungskräftige Kunden tummeln. Andere Anbieter wie Real Networks zogen nach – das Geschäftsmodell funktioniert.

Marktentkrampfung durch hohen Convenience-Faktor

Auf dem deutschen Markt gibt es seit November 2003 T-Online-Vision. Auf dem Breitbandportal der Telekom kann der User für ein paar Euro – bei entsprechender Internetanbindung – Videos downloaden. Da hinter dem Angebot auch Majors wie Universal und Dreamworks stehen, ist die Filmauswahl attraktiv. Zwar sei es zu früh, konkrete Zahlen zu veröffentlichen, aber man sei sehr zufrieden, sagt T-Online-Pressesprecher Michael Schlechtriem DW-WORLD. Ob es ein Zukunftsgeschäft wird, bleibt abzuwarten. Einen hohen Convenience-Faktor für den Coach-Potato zuhause bedeutet das Modell allemal. Bald soll eine SetTopBox auf dem TV-Gerät dafür sorgen, dass die Filme z. B. nachts über den DSL-Anschluss auf die Festplatte ins Wohnzimmer wandern und dann in DVD-Qualität abrufbar sind.

Schneller = erfolgreicher?

Derweil versuchen deutsche Videothekenbetreiber durch kürzere Verwertungsketten Umsätze zu steigern. Ein Kinofilm ist bisher nach sechs Monaten als DVD oder Video erhältlich. Dieses Zeitfenster soll noch kürzer werden, ähnlich wie in den USA. Auch soll es nicht mehr Monate dauern, bis der Film on Demand z. B. beim Bezahlfernsehen Premiere abrufbar ist. Erst 18 bis 24 Monate nach der Kinoausstrahlung darf bislang eine Produktion im Free-TV platziert werden.