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Die vielleicht letzte Chance für den Iran

16. Mai 2010

Der brasilianische Präsident vermittelt im Atomstreit in Teheran. Die Initiative gilt als letzte Chance, Sanktionen abzuwenden. Der Iran ließ unterdessen nach zehn Monaten eine Französin ausreisen.

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Lula da Silva und Ajatollah Chamenei (Foto: dpa)
Lula da Silva und Ajatollah Chamenei sprechen über den AtomstreitBild: dpa

Luiz Inacio Lula da Silva kam am Sonntag (16.05.2010) in der iranischen Hauptstadt zu ersten Gesprächen mit Präsident Mahmud Ahmadinedschad und dem geistlichen Oberhaupt des Landes, Ali Chamenei, zusammen. Nach Angaben der brasilianischen Delegation sollen die Verhandlungen am Montag fortgesetzt werden. Vor einer abschließenden Bewertung der brasilianischen Vermittlungsbemühungen müsse das Ende der Gespräche abgewartet werden. Präsident Lula bleibe "optimistisch".

Keine Erklärungen zum Stand der Gespräche

In einer Erklärung zur ersten Runde der Gespräche wurde der Atomstreit nicht erwähnt. Lula und Ahmadinedschad teilten lediglich mit, dass beide Länder ihren bilateralen Handel auf ein Volumen von zehn Milliarden Dollar pro Jahr ausbauen wollten. Ahmadinedschad bezeichnete den Iran und Brasilien als zwei Mächte der Zukunft. Übereinkünfte zu weltweit wichtigen Themen würden in Zukunft ohne solche Länder nicht mehr möglich sein. Ajatollah Chamenei erklärte bei dem Treffen mit Lula nach Angaben des staatlichen Fernsehens, die derzeit von den USA und wenigen anderen Ländern beherrschte Weltordnung könnte durch eine engere Zusammenarbeit eigenständiger Staaten wie Brasilien und dem Iran verändert werden

Satellitenfoto mit der wahrscheinlichen Lage einerneuen Atomanlage des Iran (Archivfoto: dpa)
Das Satellitenfoto zeigt die wahrscheinliche Lage einer neuen iranischen Atomanlage bei Ghom (Archivbild)Bild: picture-alliance / dpa

Lula will den Iran dazu bewegen, die festgefahrenen Verhandlungen über einen Kompromissvorschlag der UN-Atombehörde wieder aufzunehmen. Dieser sieht vor, dass der Iran niedrig angereichertes Uran für einen medizinischen Forschungsreaktor nicht selbst weiter verarbeitet, sondern in Russland und Frankreich höher anreichern lässt. Damit wäre eine internationale Kontrolle des Nukearmaterials möglich. Der Iran lehnt dies bislang ab.

Arbeit an neuer Resolution

Die internationale Gemeinschaft verdächtigt den Iran, unter dem Deckmantel seines zivilen Atomprogramms Nuklearwaffen bauen zu wollen. Nach Beteuerungen der Regierung in Teheran dient das Atomprogramm ausschließlich zivilen Zwecken. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland beraten derzeit über weitere neue UN-Sanktionen, weil der Iran umfassende Kontrollen seines Atomprogramms verweigert. Erst am Freitag hatte US-Außenministerin Hillary Clinton nach einem Treffen mit ihrem neuen britischen Kollegen William Hague in Washington erklärt, die Arbeit an einer neuen UN-Resolution gegen den Iran mache weiter Fortschritte.

Der Westen sieht in der Initiative Lulas denn auch eine letzte Chance, doch noch eine Einigung mit Teheran zu erzielen und damit auf neue UN-Sanktionen verzichten zu können. Brasilien gehört dem höchsten UN-Sicherheitsrat derzeit als nicht-ständiges Mitglied an.

Festgehaltene Französin wieder in Paris

Clotilde Reiss und Außenminister Kouchner (Foto: dpa)
Clotilde Reiss und Außenminister Kouchner (li) in ParisBild: picture alliance/dpa

Unterdessen ließ der Iran die Französin Clotilde Reiss ausreisen, die seit zehn Monaten wegen des Vorwurfs der Spionage festgehalten worden war. Die 24-jährige Universitätsdozentin traf an Bord einer französischen Regierungsmaschine in Paris ein und wurde anschließend von Präsident Nicolas Sarkozy im Elysee-Palast empfangen.

Reiss war im Juli 2009 im Zusammenhang mit den Unruhen nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad festgenommen worden. Der 24-Jährigen wurde vorgeworfen, in E-Mails Berichte und Fotos über die Proteste der Opposition verbreitet und damit zum Aufruhr angestiftet sowie Spionage betrieben zu haben. Mitte August konnte Reiss gegen Kaution das Gefängnis verlassen, musste aber unter Hausarrest in der französischen Botschaft auf ihr Urteil warten.

Demonstration der Opposition im Juni 2009 in Teheran (Archivforo: AP)
Demonstration der Opposition im Juni 2009 in Teheran (Archivbild)Bild: AP

Dieses wurde nach Angaben ihres Anwalts am Samstag gesprochen und lautete auf zehn Jahre Haft. Die Gefängnisstrafe sei jedoch "aufgrund der persönlichen Situation" der jungen Frau in eine Geldstrafe in Höhe von knapp 250.000 Euro umgewandelt worden. Reiss erhielt ihren Pass zurück und konnte den Iran verlassen.

Kouchner: Keine Gegenleistungen

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner wies Spekulationen zurück, die Ausreise der Universitätsdozentin sei durch die Freilassung eines in Paris inhaftierten Iraners erreicht worden. "Es gab keine Gegenleistung", betonte Kouchner. In der vergangenen Woche hatte die französische Justiz die Auslieferung des iranischen Ingenieurs Majid Kakavand an die USA abgelehnt. Die USA werfen ihm Militärspionage vor.

Autor: Michael Wehling (dpa, afp, apn, rtr)
Redaktion: Gehard Friese