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Die Welt blickt auf Deutschland

Sabine Kinkartz13. Juni 2012

In Spanien droht den Banken der Bankrott, Griechenland wehrt sich gegen das Spardiktat, Italien fürchtet, das nächste Opfer der Finanzmärkte zu werden. Deutschland ergeht sich derweil in parteipolitischem Gezänk.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel schaut auf ihre Uhr. REUTERS/Fabian Bimmer
Bild: Reuters

Die Lage ist ernst. So ernst, dass die Bundeskanzlerin sogar ihre Teilnahme am UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Rio abgesagt hat. Sie habe sich die Entscheidung, nach dem G20-Gipfel in Mexiko kommende Woche nicht nach Brasilien weiterzureisen, nicht einfach gemacht, sagte Angela Merkel in Berlin. Es gebe jedoch "verschiedene Herausforderungen auf dem europäischen Gebiet zu bewältigen". Eine Begründung, die allerdings nur einen Teil der Wahrheit offenbart.

Während es in Europa brennt, streiten sich in Berlin Regierung und Opposition darüber, ob, wann und unter welchen Bedingungen der europäische Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Deutschland in Kraft gesetzt werden kann.

Tauziehen um Fiskalpakt in Deutschland

Der Bundestag muss ein entsprechendes Gesetz verabschieden, kann das aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Da die Regierung diese alleine nicht hat, braucht sie Stimmen aus den Reihen der Opposition. Die aber fordert Gegenleistungen. Sie will die Bundesregierung unter anderem dazu zwingen, sich für die Einführung einer Finanzabgabe auf alle Börsengeschäfte und eines ökologischen Wachstumspaktes auf europäischer Ebene einzusetzen.

Schnelle Einigung nicht in Sicht

Bei einem Treffen an diesem Mittwochvormittag (13.06.2012) im Kanzleramt sollten die Fronten zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP auf der einen sowie SPD und Grünen auf der anderen Seite eigentlich abschließend geklärt werden. Doch daraus wird wohl nichts. "Ich möchte bekräftigen, dass es morgen nicht zu einem Abschluss der Gespräche mit der Bundeskanzlerin kommen kann", ließ die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast wissen. "Wir befinden uns immer noch in einem sehr frühen Verhandlungsstand."

Gleichzeitig forderte Künast die Bundesregierung auf, "keine Spielchen" zu betreiben, sondern "ernsthaft, ehrlich und ohne Tricks" zu verhandeln. Das habe man in den letzten Tagen vermissen müssen. Ein Vorwurf, den derzeit allerdings beide Seiten erheben. "Das kleinkarierte Taktieren der Opposition ist angesichts der Kapitalmarktsituation verantwortungslos", erklärte Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzender Philipp Rösler. Fiskalpakt und ESM müssten fristgerecht verabschiedet werden.

Former German Finance Minister Peer Steinbrueck (L-R), Social Democratic (SPD) leader Sigmar Gabriel and SPD faction leader Frank-Walter Steinmeier are pictured during an election rally in Elmshorn April 25, 2012. State elections in Schleswig-Holstein will be held on May 6, 2012. REUTERS/Fabian Bimmer (GERMANY - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Drei potenzielle SPD-Kanzlerkandidaten: Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier (v.l.) wollen sich auch international profilierenBild: Reuters

Roter Pakt gegen Merkel: SPD-Troika nach Paris

Die Bundesregierung will das Gesetz zum Fiskalpakt und die gesetzliche Umsetzung des dauerhaften Rettungsschirms ESM noch vor der Sommerpause in einem Paket vom Bundestag absegnen lassen. Grundsätzlich sei das auch möglich, meint der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. "Ich habe keinen Ehrgeiz, das über die Sommerpause hinwegzuschieben." Doch während er das sagt, ist Steinmeier anzusehen, wie sehr er als Oppositionsführer die Situation auskostet, die Regierung am Haken zu haben.

Die SPD will sich allerdings auch nicht nachsagen lassen, sie vernachlässige über dem Muskelspiel mit der Regierung die eigentlichen europäischen Aufgaben. Unmittelbar nach dem Treffen im Kanzleramt an diesem Mittwoch wollen Steinmeier, SPD-Chef Sigmar Gabriel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück nach Paris fliegen, um dort mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande zu sprechen. Dabei gelte es, "eine Koalition der Willigen" für die Finanztransaktionssteuer zu schmieden, kündigte Steinmeier an. Man könne die Kontakte zu den europäischen Partnern nicht der Bundesregierung überlassen.

Wie schnell kann eine Börsensteuer eingeführt werden?

Ob solcher Ankündigungen werden in den Regierungsparteien Befürchtungen wach. "Ich hoffe, dass die Sozialdemokraten, egal wohin sie reisen, sich der Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung bewusst sind", mahnt die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt. Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle erinnerte noch einmal daran, dass eine Finanztransaktionssteuer so schnell gar nicht eingeführt werden könne. "Das erfordert intensive Verhandlungen auf europäischer Ebene, bei denen wir nicht immer Herren des Verfahrens sind und selbst wenn wir neun Mitgliedsländer zusammenbringen können, brauchen wir mindestens noch einmal ein Jahr Vorlaufzeit zur Realisierung dieser Steuer."

Das aber würde tatsächlich bedeuten, dass die Finanztransaktionssteuer in der laufenden Legislaturperiode, die bis September 2013 dauert, nicht mehr umgesetzt würde. Nicht mehr und nicht weniger hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende gemeint und damit den erneuten Streit zwischen Regierung und Opposition erst losgetreten. Nun wird es auch von der Bundeskanzlerin abhängen, ob sie die verhärteten Fronten aufweichen kann. "Wir sind mitten in der Arbeit", wurde Merkel nach einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag zitiert. Auch sie habe aber Erwartungen gedämpft, dass es am Mittwoch eine Einigung mit der Opposition geben werde. Viel Zeit können sich die Kontrahenten allerdings nicht mehr lassen. Um es mit den Worten des CDU-Politikers Barthle zu sagen: "Die Welt blickt auf Deutschland."