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Politik

Die Welt mit Trump

9. November 2016

Nach Schock oder Freude über Donald Trumps Wahlsieg fragt man sich überall auf der Welt, welche Veränderungen der künftige Präsident bringen wird.

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USA Außenpolitik
Bild: Fotolia/mucft

John Emerson, der amerikanische Botschafter in Berlin, brachte das Entscheidende auf den Punkt, was Politiker rund um den Globus jetzt denken. Bei Trump, so Emerson bei einer Wahlparty des Aspen-Instituts, "wissen wir nicht, was wir zu erwarten haben". Der Botschafter, der politisch neutral sein muss, ging damit ziemlich weit und fügte hinzu, unter Trump sei eine eher isolationistische Politik zu erwarten, bei der sich Amerika von der Welt abwende. 

Der britische Historiker Simon Schama wurde in der BBC konkreter. Da die Republikaner nach der Wahl nicht nur das Weiße Haus, sondern auch beide Kammern des Kongresses kontrollieren werden, werde sich einiges grundlegend ändern: "Die NATO wird unter Zerfallsdruck stehen, der Klimaschutz wird zurückgefahren, die Bankenregulierung wird abgeschafft. Soll ich fortfahren?"

Was ist, wenn er das wirklich so meint?

Trump hat nach seinem Wahlsieg gesagt, er wolle "fair" mit der Weltgemeinschaft umgehen. Aber was heißt das? Trumps Äußerungen aus dem Wahlkampf haben viele in helle Aufregung versetzt, etwa sein Lob für den russischen Präsidenten Putin und seine abfälligen Äußerungen über die NATO. Putin war denn auch einer der ersten Staatschefs weltweit, die Trump gratuliert haben. Ob die kollektive Beistandspflicht der NATO unter Trump noch gelten wird, steht inzwischen in Zweifel, nachdem Trump angedeutet hat, die USA würden NATO-Mitglieder wie die baltischen Staaten nur dann verteidigen, wenn diese "ihre Verpflichtungen uns gegenüber erfüllen".  

Trump hat auch gesagt, er werde möglicherweise eine nukleare Aufrüstung Japans und Südkoreas akzeptieren - ein Tabubruch gegenüber dem bisherigen Grundsatz, weitere nukleare Proliferation unter allen Umständen zu vermeiden; er will das Atomabkommen mit dem Iran neue verhandeln, mehrere Handelsabkommen beenden und Zölle auf chinesische oder mexikanische Importwaren aufschlagen. Einige dieser Bemerkungen könnten nur Wahlkampfgetöse gewesen sein. Doch Niels Annen, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schließt mit einem sarkastischen Unterton nichts aus: "Wir müssen uns auch mit der Möglichkeit befassen, dass das, was er gesagt hat, tatsächlich seine Meinung ist."

Litauen Graffiti von Putin und Trump
Trump-Putin-Einigung auf Kosten Dritter? Graffito im NATO-Land LitauenBild: Getty Images/AFP/P. Malukas

In der Klimapolitik hat sich Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bereits ein Urteil gebildet: Er erwarte nun kein "positives Handeln in Klimadingen" mehr von Washington. "Die Welt muss sich nun ohne die USA vorwärtsbewegen."

NATO-Beistand wird bezweifelt

Die künftige Rolle der USA innerhalb - oder außerhalb? - der NATO in Verbindung mit Trumps Putin-Bewunderung löst vielleicht die größte Sorge überhaupt aus, jedenfalls in Europa. Niels Annen wies darauf hin, schon unter Präsident Obama "sind wir gezwungen und gedrängt worden, mehr Verantwortung zu übernehmen". Die Zeiten würden jetzt schwieriger. Weiter geht Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die bereits rätselt, ob der Trump-Sieg das Ende der "Pax Americana" einläuten wird.

Roland Freudenstein vom Brüsseler Martens Centre hat vor wenigen Tagen über den Fall eines Trump-Sieges gemutmaßt, was das für die NATO bedeuten könnte: "Natürlich wissen Trumps Berater um die Angst der Verbündeten Amerikas und würden ihn drängen, zunächst einmal alle Alliierten in Sicherheit zu wiegen: 'Nein, die USA treten nicht aus der NATO aus und ziehen auch nicht ihre verbliebenen Truppen aus Europa ab.' Die Frage ist nur, wie lange der Chef diese Linie dann durchhält." Freudenstein glaubt, dass es früher oder später einen Gipfel Trump-Putin geben wird, und dann würden sich "Differenzen zu Ukraine, Syrien etc. schnell 'erledigen' – so lange, bis sich Trump von Putin irgendwann hintergangen fühlt."

Le Pen und Wilders sind begeistert

Die Beziehungen Amerikas zur EU werden sich auf breiter Front erst einmal abkühlen, glaubt Janis Emmanouilis von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre. Dazu zählen auch Handelsfragen. Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, das auch innerhalb Europas stark unter Druck steht, werde in seiner bisherigen Form jetzt "extrem auf Eis gelegt". Emmanoulidis sieht aber auch Rückwirkungen des Trump-Sieges auf europäische Nationalisten. Rechtspolitiker wie die Französin Marine Le Pen und der Niederländer Geert Wilders haben Trump begeistert beglückwünscht. "Diejenigen à la Trump erleben nun einen Aufwind", sagt Emmanouilidis, und es werde schwieriger werden, etwas gegen diesen Druck zu tun.

Containerschiff CSCL Globe
Trump könnte versuchen, den Welthandel zu beschneiden Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Manche in Europa versuchen, aus einer für sie schlechten Nachricht eine gute zu machen. Manfred Weber etwa, Fraktionschef der konservativen Volkspartei im Europaparlament, ergeht sich in europäischer Selbstvergewisserung: "Die Botschaft ist klar: Jetzt kommt es auf Europa an. Wir müssen selbstbewusster werden und mehr Verantwortung übernehmen. Wir wissen nicht, was wir von den USA erwarten sollen."

Abschied von der Führungsrolle?

In der Unklarheit über die künftige Politik des Weißen Hauses sehen manche amerikanischen Beobachter auch den entscheidenden Schwachpunkt der neuen Administration. "Die größte Gefahr einer Trump-Präsidentschaft ist ihre Unberechenbarkeit und der schiere Mangel an Stabilität, den unsere Verbündeten und Gegner empfinden", warnt Aaron David Miller, früherer Nahostunterhändler sowohl unter republikanischen als auch demokratischen Präsidenten und heute Politikwissenschaftler am Woodrow Wilson Center for Scholars in Washington. Noch deutlicher wird der frühere CIA-Direktor John McLaughlin: "Wenn er alles tut, was er angekündigt hat, dann können wir uns von unserer weltweiten Führungsrolle verabschieden. Hoffen wir also, dass er es nicht so meint, oder dass jemand ihn davon abbringt."