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Die WM als Wirtschaftsfaktor

Jan Friedmann28. Juni 2002

Mit dem Endspiel in Yokohama am 30.6.2002 geht die Fußball-Weltmeisterschaft zu Ende. Deutschland rüstet sich für das nächste Turnier - mit Milliardeninvestitionen. Ob sich die WM auf längere Sicht rechnet, ist unklar.

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Miyagi-Stadion in JapanBild: AP

Eine Fußball-Weltmeisterschaft ist für das Gastgeberland eine attraktive Sache: Die Welt schaut zu, ausländische Gäste kommen zu Besuch - bei der WM 2006 in Deutschland schätzungsweise drei Millionen. Dazu kommen rund 18.000 Medienschaffende, die ihre Berichte in alle Winkel der Welt verbreiten. Im veranstaltenden Land werden dem Ballzauber magische Kräfte zugetraut: Er soll die Stimmung verbessern, die Wirtschaft ankurbeln und am besten noch Arbeitsplätze schaffen.

Kosten-Nutzen-Analyse

Wirtschaftswissenschaftler stehen solchen Hoffnungen eher skeptisch gegenüber. Eine Forschungsgruppe der Universität Paderborn unter Federführung des Finanzwissenschaftlers Bernd Rahmann hat die voraussichtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der WM 2006 für einen Zeitraum von 15 Jahren (2000 bis 2015) untersucht. Ihre Kosten-Nutzen-Analyse versucht, alle quantifizierbaren Variablen, also etwa Investitionskosten, Betriebskosten für die Stadien, Einnahmen im Tourismus, in einer Größe zu erfassen, dem "Nettogegenwartswert."

Das Ergebnis: Der Nettogegenwartswert der WM 2006 ist nicht notwendigerweise positiv: Unter dem Strich kann auch eine rote Zahl stehen - und die WM als Zuschussgeschäft enden. Im günstigsten Fall erwartet die Studie einen Gesamt-Überschuss von rund 2,3 Milliarden Euro. Bei einer Steuerquote von rund 22 Prozent hätte Staat dann Steuereinnahmen von ungefähr 500 Millionen Euro zu erwarten. Es könnte aber auch anders ausgehen, sagt Wirtschaftswissenschaftler Rahmann im Interview mit DW-WORLD: "Bei negativen Verlauf, also etwa bei geringer Nachnutzung der Stadien, könnte die Bilanz ab 2010 auch negativ ausfällt."

Stadien sind Verlustbringer

Auf der Ausgabenseite stehen vor allem die WM-Stadien: 1,7 Milliarden Euro betragen die Bau- und Renovierungskosten für alle WM-Stadien. Davon bringt der Steuerzahler rund die Hälfte auf, nämlich 800 Millionen. Eine durchaus überschaubare Summe, wenn man sie mit den Investitionen in Japan und Südkorea vergleicht. Die beiden Länder haben sich die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 rund acht Milliarden Euro kosten lassen - so viel wie nie zuvor. 20 Stadien wurden neu gebaut oder renoviert. Frankreich kam 1998 noch mit der Hälfte des Geldes aus.

Da Deutschland schon über gut ausgebaute Stadien verfügt, fällt die Investitionssumme geringer aus. Doch die dicke Rechnung kommt womöglich erst, nachdem der Ball ruht: Dann konkurriert nämlich ein Dutzend kostspieliger Arenen um lukrative Großveranstaltungen. "Mittlerweile gilt es als gesichert, dass ein Fussballstadion nicht kostendeckend betrieben werden kann", sagt Rahmann. Die Fußball-Bundesliga allein reicht dafür nicht aus.

Trikots und Hot-Dogs

Auf der Einnahmenseite stehen Einnahmen durch den Kartenverkauf und die Ausgaben der Fußballfans. Das deutsche Organisationskomitee (OK) hat keinen Zweifel daran, dass alle 3,1 bis 3,2 Millionen Eintrittskarten für das Mega-Ereignis abgesetzt werden können.

Noch bedeutender sind die Einnahmen von Gastronomie und Hotelgewerbe, Telekommunkations- und Transportunternehmen, verschiedener Dienstleister und der Sportartikelhersteller: Der Fußballfan ist ein ausgabefreudiges Wesen. Zuflüsse entstehen durch ausländische Fans: Sie halten sich nach Erfahrungswerten bisheriger Weltmeisterschaften durchschnittlich zehn Tage im Gastgeberland auf und geben dabei ungefähr 1.800 Euro aus.

Kurzfristiger Effekt

Der Werbeeffekt für die Spielorte ist dagegen schwer quantifizierbar. "Es ist sogar ein Negativeffekt möglich, wie im Falle der französischen Stadt Lens, die bei der WM 1998 durch Ausschreitungen in die Schlagzeilen geriet", sagt Rahmann.

Die Gretchenfrage bleibt: Schafft die WM Jobs? "Da bin ich sehr skeptisch", sagt Rahmann. "Es ist riskant, davon auszugehen, dass durch die WM zusätzliche Arbeitsplätze entstehen." Der unmittelbare Ankurbelungseffekt verpuffe nach zwei bis drei Jahren.