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Die WM schreibt Vereinsgeschichte

Andreas van Hooven26. Juni 2002

Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea streifen Fußballprofis ihr Nationaltrikot über – ihr Vereinstrikot legen sie ab. Doch für wen schlägt ihr Herz?

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Ahns Tor gegen Italien verstimmte den ArbeitgeberBild: AP

Im Nationaltrikot sind Fußballer Amateure – für Ehre und Vaterland wird gekickt. Auf diese Tugenden zählt man auch im Verein. Nun kaufen Erstligaklubs wie Italiens AC Perugia ihre Spieler nicht ausschließlich in der heimischen Nationalmannschaft ein. Einige stammen aus fremden Ländern.

Ein AC-Spieler war es, Jung-Hwan Ahn, der sein "Golden-Goal" in der WM für die Heimat Südkorea schoss – und Italien damit aus dem Turnier. In Perugia ruhten darauf die Geschäfte, der Nationalstolz zürnte: "Wer Italien eliminiert", meinte Perugias Chef Luciano Gaucci, "kommt nicht mehr zu uns zurück." Bei Freundschaft hört das Geld also auf.

Zwei Seelen in einer Brust?

Gibt nun ein patriotisches oder finanzielles Herz im Profifußball den Takt an? Es ist bei dieser bunten Fußball-WM so eine Sache mit der Loyalität. Da drohte Deutschlands Torhüter Kahn dem Paraguayer Santa-Cruz vor dem Achtelfinale beider Länder mit Kabinenverbot. Nicht für die Spielstätte in Seogwipo, sondern das Stadion in München bei ihrem Arbeitgeber FC Bayern, sollte Santa-Cruz ein Tor gegen die Deutschen erzielen. Diplomatisch günstig, musste der Paraguayer im Spiel verletzt ausscheiden – torlos.

Auch schränkt die Frage nach dem Amateurstatus freundschaftliche Kontakte ein. Seit klar war, dass Deutschland den Ball ins Tor der US-Boys befördern musste, um das Halbfinale zu erreichen, unterbrach Sebastian Deisler – ab 1. Juli 2002 Bayern München – den Telefonkontakt zu Antoney Sanneh. Beide kennen sich aus vergangener Zeit bei Hertha BSC Berlin. Im Trikot der USA fuhr Sanneh zur WM, Sebastian Deisler hingegen blieb krank zu Hause.

Funkstille zwischen Deisler und Sanneh

"Er hat mir stets Glück gewünscht, nur für dieses Spiel nicht", beklagte Sanneh den ausgebliebenen Anruf. Nun lässt sich fragen, ob Deisler bis zum Abpfiff der Partie Deutschland-USA aus Patriotismus nicht mehr bei Sanneh anrief oder aus Angst, Bayern Münchens Oliver Kahn könnte ihm Kabinenverbot in München erteilen, sollte er mit Sanneh "kungeln". Wie war das noch mit dem AC Perugia? Wusste dessen Chef Luciano Gaucci eigentlich, dass seine Spieler auch mal mit Ahn reden, der Italiens Ehre kränkte?

Fußball geriet auch zum Politikum. Irlands Premier Ahern schaltete sich in den Disput um Kapitän Roy Keane ein, der – zu vorlaut – vorzeitig nach Hause geschickt wurde. Deutschlands FDP-Chef Westerwelle hoffte, "dass Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Wort von der uneingeschränkten Solidarität mit den USA wenigstens an dieser Stelle relativiert" – beim sportlichen Duell der zwei NATO-Staaten. Die USA regagierten prompt. Vor der Schlacht kündigte die "New York Post" den Solidarpakt der Deutschen auf und erhob Stürmer Klose zum "Staatsfeind Nr. 1".

Fußball global

Wer kam nicht in Verlegenheit bei dieser WM? Englands Trainer Eriksson, der bei einem Spiel gegen Mutterland Schweden seine oder beide oder doch die englische Hymne zur Auswahl gehabt hätte. Koreas niederländischer Trainer Hiddink stand nicht vor Tribünen mit holländischen Fans in "Oranje"-Trikots (Die Niederlande waren für das Turnier nicht qualifiziert).

Erwarten könnte uns noch die Frage, ob Türkeis Mittelfeldstar Yildiray Bastürk seine Vereinskollegen Schneider und Neuville (Bayer Leverkusen) im Finale Deutschland-Türkei austrickst oder "Ladehemmungen" hat. Und da ist Reserve-Mittelstürmer Oliver Bierhoff. Der spielt global und loyal und verdient beim AS Monaco im Zwergstaat des Fürsten Rainier: Dieses Land kickt ja nicht international.

Fußball ist für alle da!

Steckt nun der Fußball in einer Loyalisierungsfalle, abseits des Geldes? Die Profi-Ligen sind jung im dicken Finanzgeschäft – und lernen dazu. "Golden-Goal"-Schütze Jung-Hwan Ahn darf nun doch in Perugia bleiben. "Die Missverständnisse sind ausgeräumt", teilte der AC Perugia am Dienstag (25. Juni 2002) vor dem WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Südkorea mit. Am Ende gewinnt immer der Fußball: Mit einem Jahresvertrag bekannte sich der Verein zu Ahn und dessen – zukünftigen – Toren.