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Die Angst der Yeziden

31. Juli 2009

Flüchtlinge aus Syrien sollen in großem Stil aus Deutschland abgeschoben werden. Betroffen sind vor allem die Yeziden. Diese seien nicht bedroht, meinen die Gerichte. "Zynisch" finden das die Yeziden selbst.

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Foto copyright free. Jennifer Rose Emick About.com Guide to Alternative Religion altreligion.guide@about.com
Der Pfau symbolisiert Taus-i Melek, den obersten von Gott erschaffenen EngelBild: altreligion.about.com

Seit Anfang Januar 2009 gilt das deutsch-syrische Rückführungsabkommen. Die Vereinbarung zwischen den beiden Staaten vereinfacht es, bundesweit etwa 7000 geduldete Flüchtlinge abzuschieben. Der niedersächsische Landkreis Ammerland hat erste Aufforderungen zur Ausreise verschickt. Betroffen sind überwiegend Yeziden.

Doppelt verfolgt

Yeziden sind von der Volkszugehörigkeit Kurden und leben heute im Irak, in Syrien, in der Türkei, im Iran sowie in den ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Georgien und Russland. Vor allem aus der Türkei und aus Syrien sind Yeziden nach Westeuropa geflohen, weil sie wegen ihrer Ethnie und wegen ihrer Religion verfolgt werden.

Demonstration mit Fahnen (Foto: Holger Hollemann dpa)
In Deutschland lebende yezidische Kurden demonstrieren gegen ihre drohende AbschiebungBild: picture-alliance / dpa

Die Ursprünge des Yezidentums liegen etwa 4000 Jahre zurück. Im Mittelpunkt des yezidischen Glaubens steht der Erzengel Taus-i Melek. Er wird als Stellvertreter Gottes auf Erden verehrt und als Pfau symbolisiert. Yezide kann nur sein, wer als Kind yezidischer Eltern geboren wird. Für fanatische Muslime sind Yeziden Sektierer, die zwangsweise bekehrt oder vernichtet werden müssen.

Lebensgefährlicher Alltag

Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet, dass Yeziden wie anderen Kurden in Syrien alle sprachlichen und kulturellen Rechte vorenthalten würden. Wer sich friedlich für Bürgerrechte engagiere, müsse mit willkürlicher Inhaftierung und Folter oder sogar Verschleppung und Ermordung rechnen. Das Yezidische Forum Oldenburg in Niedersachsen hat Beispiele alltäglicher Verfolgung in Syrien dokumentiert. Die Bandbreite reiche von Mord, Körperverletzung, Landraub und beruflicher Diskriminierung bis zur Zwangsteilnahme am Islamunterricht, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Yeziden in Deutschland, Telim Tolan.

Kurswechsel deutscher Gerichte

Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass Gerichte seit einiger Zeit die in Syrien bedrohliche Situation für Yeziden verharmlosten. So vertritt etwa das für Niedersachsen zuständige Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Auffassung, das Yezidentum sei eine Geheimreligion, die nicht öffentlich ausgeübt werden müsse. Das Gericht folgere daraus, dass die Religionsfreiheit nicht gefährdet und eine besondere Schutzbedürftigkeit für Yeziden nicht bestehe, erläutert der Oldenburger Rechtsanwalt Ekkehard Hausin. "Zynisch", nennt der Zentralrat der Yeziden diese Argumentation. Sie verwechsle Ursache und Wirkung. "Wer um Leib und Leben fürchten muss, tritt nicht öffentlich in Erscheinung", sagt Vorsitzender Tolan.

Humanitäre Fehlentscheidung

Grabanlage mit Türmchen in grüner Landschaft (Foto: Jan B. Vindheim)
Grab von Scheich Adi (1075-1162) im nordirakischen Lalisch. Er gilt als Reformer und Reinkarnation des Taus-i MelekBild: Jan B. Vindheim

Im Niedersächsischen Landkreis Ammerland sind 100 Flüchtlinge vom deutsch-syrischen Rückführungsabkommen betroffen. Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Oldenburg kritisiert die Engherzigkeit der Ausländerbehörde. Beispiele aus anderen Landkreisen zeigten, dass in vergleichbaren Fällen die Flüchtlinge ein Bleiberecht bekommen hätten, betont der für Migrationsarbeit zuständige Mitarbeiter Theo Lampe. Aufgebracht ist Lampe vor allem wegen der betroffenen Kinder, die hier aufgewachsen und integriert sind und fragt: "Ist es richtig, dass der Staat so eingreift, dass die Kinder jegliche Zukunftsperspektive verlieren?"

Autor: Brigitte Lehnhoff

Redaktion: Klaus Krämer