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Spekulanten

20. Juli 2010

Kakao und Stahl haben eines gemeinsam: Beide Rohstoffe sind im Moment sehr teuer. Die Ursache ist Knappheit – und das liegt nicht nur an der großen Nachfrage.

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Kakaobohnen (Bild: Transfair)
Kakaobohnen - ein begehrter RohstoffBild: TransFair

Spekuliert wird immer schon. Auf steigende oder fallende Preise und Aktienkurse zu wetten, ist keine Erfindung der Neuzeit. Diese sogenannten Termingeschäfte sind nichts Neues: Vorab auf einen Preis – sagen wir für Getreide – zu setzen, wenn die Saat gerade mal in die Erde gebracht wurde. Oder: Airlines, die eine bestimmte Menge Kerosin zu einem bestimmten Preis zu einer festgesetzten Zeit kaufen. Solche Geschäfte, auch Hedging genannt, gehören zum wirtschaftlichen Alltag. Man kann damit Währungsschwankungen ausgleichen und Risiken minimieren. Manchmal aber übertreiben es die Spekulanten und lösen damit Krisen aus. Das war schon so in den Niederlanden anno 1637: In der Hoffnung auf explodierende Gewinne setzte ein wahrer Run auf Tulpenzwiebeln ein, der Preis für eine Zwiebel stieg ins Unermessliche. Floristen verkauften Tulpen, die sie gar nicht hatten. Dann platzte die Blase, die Preise fielen um 95 Prozent. Viele, die mitgezockt hatten bei diesem Spiel, verloren alles. Ein wirtschaftlicher Niedergang über Jahre war die Folge.

Nichts gelernt

Verkaufsschild vor einem Haus in den USA (Foto: AP)
Mit dem US-Häusermarkt fing es anBild: AP

Gelernt haben die Spekulanten aus der Vergangenheit nichts. Schließlich ist die Ursache der jüngsten Weltfinanzkrise eine gigantische Übertreibung gewesen: Die Hoffnung auf immer weiter steigende Preise auf dem US-Häusermarkt. Investmentbanken und Hedge-Fonds strichen die fetten Renditen ein. Dann platzte die Blase, die Zeche muss der Steuerzahler begleichen. Noch sind die Wunden nicht verheilt, da kann man schon der nächsten Blase beim Wachsen zuschauen. Es ist eine gigantische Rohstoff-Blase.

Aus Liebe zum Kakao?

Logo des Hedge-Fonds Armajaro. Quelle: http://www.armajaro.com
Logo des Hedge-Fonds Armajaro

Auf seiner Internetseite preist sich der Hedge-Fonds Armajaro als Kämpfer gegen die weltweite Armut an und sieht sich als Helfer, um die Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen zu erfüllen. Der Fonds ist auf Rohstoffe spezialisiert, vor allem auf Kakao, Kaffee und Zucker. Rohstoffe, die in der Tat aus Ländern kommen, in denen es viel Armut gibt. Ob es allerdings die reine Menschenliebe ist, die den in London ansässigen Fonds antreibt, darf durchaus hinterfragt werden. Jedenfalls hat sich Armajaro – so berichtete es die Financial Times Deutschland Anfang der Woche – an der Londoner Warenterminbörse Liffe eine riesige Lieferung Kakaobohnen gesichert: 240.100 Tonnen – das sind mal eben sieben Prozent der Weltproduktion. Die Reaktion des Marktes folgte sogleich: Der Preis für Kakao stieg auf den höchsten Stand seit 33 Jahren. Die Fondsmanager hoffen so, von einem weiteren Preisanstieg zu profitieren und den jetzt gehorteten Rohstoff alsbald zu einem noch höheren Preis weiter zu verkaufen.

Steigende Lebensmittelpreise – verursacht von Spekulanten, hatten schon 2006 vor allem in armen Ländern für Unruhe gesorgt. Und auch derzeit steigen die Preise für Getreide, Reis oder Mais wieder. Zum einen, weil die Nachfrage wieder gewachsen ist. Aber auch das Wetter ist Schuld: Die Hitzewelle in Europa lässt erhebliche Ernteausfälle befürchten – auch das treibt die Preise. Wenn in einer solchen Phase dann noch die Spekulanten einsteigen, wirkt das wie ein Katalysator.

Auch Eisenerz ein Spekulationsobjekt

ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz (Foto: AP)
ThyssenKrupp-Chef Ekkehard SchulzBild: AP

Ähnlich verhält sich die Sache auf dem Rohstoffmarkt. Auch hier tummeln sich neuerdings verstärkt Spekulanten. Unlängst beklagte der Chef des größten deutschen Stahlkonzerns ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel, das Preisdiktat der Eisenerz-Anbieter. Schloss man früher kalkulierbare Jahresverträge ab, in denen der Preis für eine gesamte Laufzeit festgelegt wurde, so gäbe es nunmehr nur noch Quartalsverträge. Der Preis werde dabei jedes Mal an einem extrem schwankenden Spotmarkt ausgerichtet – mit fatalen Folgen. Der Preis für eine Tonne Eisenerz verdoppelte sich innerhalb eines Jahres.

Spekulation ad absurdum

Händler der Warenterminbörse in Sao Paulo, Brasilien (AP Photo)
Hier wird Zukunft gehandelt: Terminbörse in Sao PauloBild: AP

Damit nicht genug: Der ThyssenKrupp-Chef berichtete von Investmentbanken, die offenbar neue Renditechancen wittern und sich auf einen Einstieg in den Eisenerz-Markt vorbereiten. Sie heuerten Rohstoff-Spezialisten an, kauften Handelshäuser und mieteten Lagerflächen in großen Häfen, um Erze dort in großen Mengen zwischenzulagern. Das Rezept ist dasselbe wie bei den Jungs vom Kakao-Kontor: Man kauft den Markt leer und verknappt das Angebot. Das erhöht die Preise - und dann wird wieder verkauft. Damit wird das durchaus sinnvolle, weil preisbildende System der Spekulation ad absurdum geführt. Man entkoppelt die Rohstoffe vom realen Verbrauch. Beispiel Nickel: Von diesem Rohstoff wird inzwischen 30mal mehr umgeschlagen, als tatsächlich gebraucht wird. Es winken Milliardengewinne. Das man auf diesem Weg große Blasen erzeugt, ist den Hedge-Fonds offenbar egal. Bis es soweit ist, haben sie ordentlich verdient.

Autor: Henrik Böhme

Redaktion: Monika Lohmüller