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Mikrokredite in Indien

5. Januar 2010

Es ist das größte Mikrofinanzprogramm der Welt: Etwa 50 Millionen Haushalte in Indien nehmen am "bank linkage"-Programm für Selbsthilfegruppen teil. In den Gruppen haben sich vor allem Frauen organisiert.

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Inderinnen sitzen in einem Raum auf dem Boden (Foto: Peter Weitzmann) Eine Straße in einem Dorf in Indien (Foto: Peter Weitzmann)
Die Frauen aus Doli Ka BasBild: Peter Weitzmann

Ein kleines Dorf, eine staubige Straße und mutige Frauen. Noch vor ein paar Jahren haben die Bewohner des indischen Örtchens Doli Ka Bas von der Hand in den Mund gelebt, ohne finanzielle Rücklagen. Doch heute ist die Situation eine andere: Die Frauen des Ortes haben ihr Schicksal in die Hand genommen und damit den ganzen Ort verändert.

Gemeinsam sparen

Eine Frau trägt etwas in ein Kontobuch ein (Foto: Peter Weitzmann)
Frauen sind zuverlässiger als Männer bei der Rückzahlung der KrediteBild: DW/Peter Weitzmann

Zwanzig Frauen aus dem Ort in Rajasthan, der etwa 170 Kilometer von Neu Delhi entfernt liegt, haben vor sechs Jahren mit Hilfe der Nichtregierungsorganisation Jan Sambal eine sogenannte Selbsthilfegruppe gegründet. Sie haben kleinste Geldbeträge gespart, die sie vom Haushaltsabkommen abgezweigt haben. Sie haben sich gegenseitig Geld geliehen und darüber Buch geführt. Damals ging es nur um umgerechnet ein paar Eurocents.

Heute arbeiten die Frauen mit mehr als nur ein paar Cents. Als sie bewiesen hatten, dass ihre Selbsthilfegruppe funktioniert, wurden sie mit einer lokalen Genossenschaftsbank verbunden. Sie waren nun "bank linked", wie die Experten sagen: Anders als in anderen Mikrofinanzprogrammen wird im "bank linkage"-Programm keine eigene Mikrofinanzinstitution aufgebaut, sondern der bestehende Bankensektor mit tausenden kleinen Filialen auf dem Land wird genutzt. Das spart Geld und ermöglicht eine direkte Anbindung ans Wirtschaftsleben.

Saris besticken oder Masala herstellen

Blaue Saris mit goldenen Stickereien (Foto: Peter Weitzmann)
Handarbeit: bestickte SarisBild: DW/Peter Weitzmann

Die Frauen können als Gruppe zu den marktüblichen Zinsen Kleinkredite aufnehmen - ohne Sicherheiten vorzulegen. Dieses Geld wird in der Gruppe verteilt oder für gemeinsame Projekte genutzt. Die Frauen aus Doli Ka Bas haben sich so ein Geschäft aufgebaut, das ihnen ein regelmäßiges Einkommen garantiert. Sie besticken Saris, die mit Hilfe der NGO weiterkauft werden. Und auch für die Bank hat dieses Programm einen Vorteil: Sie kann die gesamte Gruppe für die Rückzahlung des Kredits in Anspruch nehmen. Innerhalb der Gruppe sorgt der soziale Druck dafür, die Schulden wieder zurückzuzahlen. Das System funktioniert: In Doli Ka Bas gab es noch nie Zahlungsausfälle und die Kleinkredite wurden fast immer zurückgezahlt.

Die Nichtregierungsorganisationen, mit denen die Frauen zusammenarbeiten, unterstützen die Gruppen bei der Umsetzung der Geschäftsideen und bei der Vermarktung der Produkte. Vorgaben, was mit dem Geld passieren soll, machen sie nicht. Während die eine Selbsthilfegruppe Saris bestickt, stellen die Frauen in Khutbav Ta. Daund im Bundesstaat Maharashtra Gewürzmischungen her, die sie in ganz Indien verkaufen. Auch sie haben dafür Kredite aufgenommen: der größte beträgt 520.000 Rupien, etwa 7500 Euro. Die Bank weiß mittlerweile, dass sie den Frauen vertrauen kann.

Frauen nach vorne

Eine Straße in einem Dorf in Indien (Foto: Peter Weitzmann)
Im Dorf Doli Ka Bas hat sich in den vergangenen sechs Jahren viel verändertBild: DW/Peter Weitzmann

80 Prozent der Mitglieder in Selbsthilfegruppen in Indien sind Frauen. Sie gelten als die besseren Schuldner, weil sie das Geld zuverlässiger zurückzahlen. Außerdem scheint es ihnen leichter zu fallen, ohne große Konflikte in einer Gruppe zusammenzuarbeiten. Aus einem Programm, mit dem die Armut bekämpft werden soll, wird so nicht ganz zufällig auch ein Programm, das die Frauen in Indien stärkt. Das scheinen auch die Männer zu sehen: Anfangs haben sie die Selbsthilfegruppen skeptisch beäugt, heute unterstützen die meisten ihre Frauen, wo sie können - zum Wohle des eigenen Geldbeutels, des ganzen Dorfes und weiten Teilen des ländlichen Indiens.

Autor: Peter Weitzmann
Redaktion: Julia Kuckelkorn