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Dienstleistungsrichtlinie: Durchbruch für ein neues Europa?

Bernd Riegert5. April 2006

Die EU-Kommission hat einen neuen Entwurf für die heftig umkämpfte Dienstleistungsrichtlinie vorgelegt. Dieser folgt in weiten Teilen einem Kompromiss, den das Europäische Parlament im Februar gefunden hatte.

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Diensleister sollen ihre Arbeit auch im Ausland anbieten könnenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Das derzeit wichtigste Gesetzgebungsvorhaben der EU soll den Markt für grenzüberschreitende Dienstleistungen neu ordnen und zahlreiche Hindernisse abschaffen, an denen die Mitgliedsstaaten heute noch festhalten.

Verhasst: "Bolkestein-Richtlinie"

Demonstrationen gegen neue Dienstleistungsrichtlinie in Straßburg
Noch im Februar wurde in Straßburg gegen die "Bolkestein-Richtlinie" demonstriertBild: AP

Der ehemalige EU-Kommissar Frits Bolkestein hatte in der vorigen EU-Kommission die Dienstleistungsrichtlinie auf den Weg gebracht, die fortan seinen Namen trug. "Bolkestein" wurde in Frankreich geradezu zu einem Schimpfwort, weil die angestrebte Dienstleistungsfreiheit mit sozialem Dumping und Arbeitsplatzverlusten gleichgesetzt wurde. Auch in Deutschland und anderen alten Mitgliedsstaaten regte sich Widerstand.

Inzwischen ist Frits Bolkestein längst aus dem Amt geschieden - und seine Dienstleistungsrichtlinie durch mehrere Fegefeuer gegangen. Das Europäische Parlament hat ihr auf Druck der Gewerkschaften die schärfsten Zähne gezogen.

Anfeindungen

Proteste in Berlin gegen neue Dienstleistungsrichtlinie
Der Druck der Gewerkschaften führte zur Abschwächung der RichtlinieBild: AP

Diese Version hat jetzt der inzwischen zuständige Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy übernommen. "Die Entscheidung, Arbeitsrecht und Dienstleistungsrichlinie nicht länger aneinander zu koppeln, ist eine der wichtigsten Änderungen, wie ich finde. Wir können die Anfeindungen wegen angeblicher Senkung der sozialen Standards jetzt hinter uns lassen. Diese Befürchtung war schon immer falsch, hat sich aber sehr hartnäckig gehalten und die Debatte vergiftet."

Die Sozialisten im Parlament feiern die Dienstleistungsrichtlinie jetzt als Durchbruch für ein soziales Europa. Die Liberalen kritisieren die vielen Ausnahmen, die für Sicherheitsfirmen, Zeitarbeitsfirmen, Glücksspiel, das komplette Gesundheitswesen und öffentliche Aufgaben wie die Müllabfuhr gemacht werden. Die Richtlinie gewährt nun jedem Unternehmer innerhalb der EU freien Marktzugang, wenn er in seinem Heimatland zugelassen ist. Bei der Ausführung der Dienstleistung muss er sich aber an die Vorschriften des Landes halten, in dem er tätig wird.

Einige Länder halten an Kritik fest

Großbritannien, einige nördliche und vor allem die neuen EU-Staaten im Osten halten die Richtlinie für zu restriktiv. Der rechtsgerichtete polnische Abgeordnete Adam Bielan warf den alten Mitgliedstaaten unfaires Einigeln vor: "Der neue Gesetzentwurf ist eine Sammlung von schwammigen und zweideutigen Bestimmungen, die von all jenen Ländern missbraucht werden können, die sich gegen einen freien Dienstleistungssektor sträuben."

Die nächste Hürde kommt im Frühsommer: Dann müssen die Fachminister der 25 Mitgliedsstaaten den nun gefundenen Kompromiß billigen. Die EU-Kommission hatte sich von der Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes ursprünglich rund 600.000 neue Arbeitsplätze versprochen. Rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung werden in der EU vom Dienstleistungssektor erbracht.