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Junger Mann gegen Putin

18. Dezember 2008

Die KGB-Leute, die Russland regierten, seien blind und taub für Kritik. Das sagte der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin bei einem Besuch in der Deutschen Welle.

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Ilja Jaschin will Opposition stärkenBild: DW/Sergej Morosow

Ilja Jaschin hat Politikwissenschaft studiert und ist heute publizistisch tätig. Er war vor kurzem mit dabei, als sich in Moskau die neue Oppositionsbewegung "Solidarnost" gründete. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen erfahren, was wirklich im Land passiert. In Russland herrscht das totale Informationsvakuum. Was wir im Putinschen Fernsehen sehen, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Seine große Leidenschaft für Politik hat Jaschin zum Beruf gemacht, auch wenn das in Russland lebensgefährlich sein kann, wie das Beispiel der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja zeigt: "Ich habe das große Glück, dass meine Eltern und Freunde mich lieben und meine Arbeit unterstützen. Keiner versucht, mich von meinem Weg abzubringen. Selbst dann nicht, wenn ich zusammengeschlagen oder verhaftet werde. In meiner Familie denken alle, dass einer diese Arbeit machen muss."

Opposition zu Zusammenhalt aufgerufen

Jaschin ist der Vorsitzende der Jugendorganisation der links-liberalen Partei "Jabloko". In den frühen neunziger Jahren war sie eine hörbare Stimme der Freiheit und der Demokratie. Inzwischen ist die Partei wie so viele Oppositionsparteien in Russland zerstritten und in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Deswegen betont er im Zusammenhang mit der Gründung der neuen Oppositionsbewegung "Solidarnost": "Wir müssen dafür sorgen, dass wir uns nicht wieder zerstreiten. Diese Bewegung muss überleben. Wenn ‚Solidarnost’ kaputtgeht, dann ist das das Ende der Demokratie in Russland. Die russischen Demokraten haben es über 15 Jahre lang nicht geschafft, zusammenzuarbeiten. Und das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die alten KGB-Leute Russland wieder kontrollieren."

Kritik an einstigen Weggefährten

Der 25-jährige Ilja Jaschin schloss sich der "Jabloko"-Jugend 1999 an, als Russland seinen zweiten Tschetschenien-Feldzug startete und das Land in militärischer Hysterie versank, wie Jaschin selbst es formuliert. Ihm gefiel, dass "Jabloko" damals so offen gegen den Krieg war. Inzwischen hat er sich von der Parteiführung aber entfernt. Dort sitzen immer noch viele, die eine Zusammenarbeit mit anderen Oppositionskräften ablehnen und die daran glauben, dass man das System durch Mitarbeit von innen verändern kann.

"Aber wir können diesen Machtapparat nicht von innen beeinflussen. Diese Macht ist so total, dass sie alles vernichtet. Sie hat das Parlament zertrümmert, sie hat uns die Wahlen geraubt, sie hat das freie Fernsehen und die Justiz zerstört. Die KGB-Leute, die das Land regieren, sind blind und taub für Kritik von innen", so Jaschin.

"Jetzt müssen wir für unsere Freiheit kämpfen"

Ilja Jaschin weiß, worüber er redet. Als seine Freundin auf einer Demonstration verhaftet wurde, bekam er Besuch vom Geheimdienst: "Die Geheimdienstler schilderten mir damals in allen Farben, was sie mit meiner Freundin im Gefängnis machen würden, wenn ich nicht mit ihnen zusammenarbeite." Der junge Mann redete, es gab mehrere Treffen. Sobald seine Freundin wieder draußen war, schrieb er in der unabhängigen Zeitung "Nowaja Gaseta" über seine Treffen mit der Staatsicherheit, um sich aus ihrer Umklammerung zu befreien.

So etwas, und noch Schlimmeres, kann jederzeit wieder passieren. Ilja Jaschin weiß, dass die Gefahr wachsen wird, wenn die neue Oppositionsbewegung "Solidarnost" tatsächlich ein Erfolg wird: "Freiheit wird nicht auf dem Teller serviert. Als die Sowjetunion Anfang der 90-er Jahre zerfiel, gab es urplötzlich Freiheit und Demokratie. Wir haben sie so schnell verloren, weil sie so leicht zu haben war. Jetzt müssen wir für unsere Freiheit und Demokratie kämpfen. Und wenn wir uns alles zurückerkämpft haben, werden wir unsere Freiheit ehren und verteidigen."

Sandra Petersmann