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Anwalt der Soldaten

Nina Werkhäuser18. Dezember 2014

In Deutschland kontrolliert das Parlament die Armee - auch mithilfe eines "Wehrbeauftragten". Ihm vertrauen die Soldaten ihre Probleme an. Jetzt hat der Bundestag Hans-Peter Bartels zum neuen Wehrbeauftragten gewählt.

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Der designierte Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Der Sozialdemokrat Hans-Peters Bartels (im Artikelbild) ist ein ausgewiesener Kenner der Materie: Als erfahrener Verteidigungspolitiker kennt er die Probleme der Bundeswehr ebenso gut wie die sicherheitspolitischen Anforderungen an die Streitkräfte. Derzeit steht Bartels, der seit sechzehn Jahren im Bundestag sitzt, dem einflussreichen Verteidigungsausschuss vor. Der 53-jährige Sozialdemokrat aus Kiel wird nicht nur für seine Sachkompetenz, sondern auch für seine besonnene und verbindliche Art über die Parteigrenzen hinweg geschätzt.

Sein Mandat wird Bartels vor der Amtsübergabe im Mai 2015 niederlegen, da er als Wehrbeauftragter kein Mitglied des Bundestags ist. Ihm steht dann ein eigenes Büro mit etwa 50 Mitarbeitern im Berliner Regierungsviertel zu. Der Sozialdemokrat folgt dem FDP-Politiker Hellmut Königshaus nach, der das Amt sei 2010 innehat. Gemäß der überparteilichen Sonderstellung des Wehrbeauftragten blieb Königshaus auch dann im Amt, als die FDP im vergangenen Jahr aus dem Bundestag ausschied. Im kommenden Januar wird Königshaus zum letzten Mal seinen Jahresbericht vorlegen.

Parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr

"Wohl kaum eine andere Volksvertretung weltweit ist ihren Streitkräften so nah wie der Bundestag", schreibt Bartels in seinem Buch zur deutschen Sicherheitspolitik. Als Wehrbeauftragter kann er künftig seinen Teil dazu beitragen: Er wird das Parlament regelmäßig über Probleme in der Bundeswehr informieren und auf Verbesserungen drängen. Dass es dieses Amt überhaupt gibt, ist eine Folge des Zweiten Weltkriegs. Nie wieder sollte eine deutsche Armee als Machtinstrument missbraucht werden, nie wieder Kadavergehorsam den Geist der Truppe prägen.

Als die Bundeswehr zehn Jahre nach Kriegsende gegründet wurde, richtete das Parlament vorsorglich Kontrollmechanismen ein. Ein Politiker - und nicht etwa ein Militär - sollte als Verbindungsmann zwischen der Bundeswehr und dem Bundestag fungieren. Eine solche Kontrollinstanz hatte es in Deutschland nie zuvor gegeben, weshalb die Befürworter sich auf das schwedische Vorbild eines Militär-Ombudsmanns beriefen.

Bundeswehr-Soldaten im Tarnfleck, Foto: dpa
Können sich jederzeit mit ihren Sorgen an den Wehrbeauftragten wenden - die 180.000 Soldaten der BundeswehrBild: picture-alliance/dpa/Maurizio Gambarini

Durch die Verfassung geschützt

Der Wehrbeauftragte leitet seine Legitimation direkt aus dem Grundgesetz ab, was ihn unabhängig von der jeweiligen Regierung macht. Er kann also auch dann nicht entlassen werden, wenn er deutliche Kritik am Verteidigungsminister oder am Zustand der Armee übt. So nimmt der derzeit amtierende Wehrbeauftragte, Hellmut Königshaus, kein Blatt vor den Mund, wenn es um veraltetes Material, falsch geplante Rüstungsprojekte oder übermäßige Belastungen für die Soldaten geht. Dem Ansehen des Amtes hat das nicht geschadet. Inzwischen, konstatiert Hans-Peter Bartels, habe sich der Wehrbeauftragte "zu einer Beschwerde- und Abhilfe-Institution entwickelt, die in der Welt ihresgleichen sucht".

Unangemeldeter Besuch

Der Wehrbeauftragte ist nicht nur das Auge und Ohr des Parlaments in der Truppe, sondern auch eine Vertrauensperson für die Soldaten. Die können sich jederzeit direkt an ihn wenden und müssen dabei, anders als in der Truppe, keinen Dienstweg einhalten. Von diesem Recht machen die Soldaten regen Gebrauch: 2013 erreichten mehr als 5000 Eingaben das Berliner Büro des Wehrbeauftragten, darunter Klagen über mangelhafte Ausrüstung, unangemessene Behandlung durch Vorgesetzte und eine überbordende Bürokratie bei der Bundeswehr.

Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus im Gespräch mit Soldaten im Auslandseinsatz
Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (ganz rechts) im Gespräch mit Soldaten im AuslandseinsatzBild: Bundeswehr/Bernd Berns

Diesen Beschwerden geht der Wehrbeauftragte nach und genießt dabei weitreichende Rechte: Unangemeldet kann er jede Kaserne besuchen und mit den Soldaten sprechen, ohne dass Vorgesetzte dabei sind. Vom Bundesminister der Verteidigung und allen ihm unterstellten Dienststellen darf er Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Aus den Eingaben der Soldaten und eigenen Recherchen entsteht ein Gesamtbild, das die Probleme und die Stimmung in der Truppe sehr genau widergibt.

Seismograph und Mahner

In seinem alljährlichen Bericht fasst der Wehrbeauftragte die Ergebnisse zusammen und legt sie dem Bundestag und anschließend der Öffentlichkeit vor. Auf diese Weise erfährt das Parlament Details über die Bundeswehr, die die militärische Führung niemals preisgeben würde. Viele Mängel werden abgestellt, weil der Wehrbeauftragte immer wieder an die Tore des Verteidigungsministeriums klopft und beharrlich Verbesserungen einfordert.