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Diktatur des Gesetzes in Russland

13. Januar 2002

Der letzte unabhängige landesweit ausstrahlende Fernsehsender TW-6 in Russland muss schließen. Das Oberste Schiedsgericht in Moskau bestätigte am Freitag (11.1.2002) ein früheres Urteil. Ein Einspruch ist nicht möglich.

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Jewgenij Kisseljow, Direktor von TW-6Bild: AP

Die Anwälte des Senders kündigten jedoch an, sie wollten den Fall möglicherweise dem Verfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorlegen.

Gewinne oder Verluste?

Das Oberste Schiedsgericht bestätigte die frühere Entscheidung, wonach TW-6 aufgelöst werden muss. Das Liquidationsverfahren war im Mai von der Pensionskasse des Ölkonzerns Lukoil, Lukoil-Garant, angestrengt worden, weil der Sender bankrott sei und keine Profite mache. Lukoil-Garant hält einen 15-Prozent-Anteil an TW-6. Dem hielt der Direktor von TW-6, Jewgenij Kisseljow, entgegen, der Kanal gehöre zu den führenden des russischen TV-Marktes und habe sehr wohl Gewinn erwirtschaftet. Außerdem erklärte der Sender, ein neues Gesetz verbiete es Minderheitseignern, ein Liquidationsverfahren gegen ein Unternehmen einzuleiten. Die Anwälte von Lukoil sagten dazu, die Entscheidung solle nach dem alten Gesetz fallen, weil sie das Verfahren schon im vergangenen Jahr angestrengt hätten. Einzelheiten über die Auflösung des Senders sollten am Montag auf einer Aktionärsversammlung geklärt werden. TW-6 will seinen Sendebetrieb erst einstellen, wenn die Liquidation abgeschlossen ist, was nach dem Gesetz spätestens in sechs Monaten geschehen muss.

Die politische Dimension der Entscheidung

Der Fernsehsender wird von dem aus Russland geflohenen Großunternehmer Boris Beresowskij kontrolliert. Während Beresowskij noch im Frühjahr 2000 Putin bei dessen Präsidentenwahlkampf unterstützt hat, kam es später zum Bruch zwischen den beiden. Immer häufiger trat Beresowskij mit regierungskritischen Äußerungen hervor. Als der bedeutendere unabhängige Fernsehsender NTW Anfang 2001 durch den staatlichen Gazprom-Konzern übernommen wurde, bot Beresowskij den Journalisten von NTW als neue Heimat TW-6 an. Daraufhin wechselten zahlreiche populäre Journalisten zu TW-6. Kritiker werfen der Staatsmacht vor, mit Hilfe der politisch gelenkten Justiz gegen unbequeme Medien vorzugehen. Beresowskij erklärte am Freitag, die Entscheidung sei ausschließlich politisch motiviert. (dpa/ap/im)