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Divestment fordert Kohle- und Ölmultis heraus

7. Mai 2017

Kohle, Öl und Gas belasten das Klima. Die Divestmentbewegung will Unternehmen schwächen, die damit Geld verdienen. "Wir haben Erfolg", sagt Melanie Mattauch im DW-Interview."Wir sind eine Bedrohung für diese Konzerne."

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Pressebild 350.org Divestment
Bild: 350.org

Deutsche Welle: Frau Mattauch, was hat Ihre Bewegung bisher erreicht?

Wir sind eine junge Bewegung. Seit dem Start 2012 an US-Universitäten, die ihre Geldanlagen aus fossilen Unternehmen begannen abzuziehen, wächst alles sehr rasant und ist eigentlich völlig außer Kontrolle geraten. Zuerst schwappte die Bewegung nach Australien, Großbritannien und Europa und hat inzwischen viele Erfolge und ein sehr großes Netzwerk. In Deutschland gibt es mittlerweile 25 Kampagnen. In dieser Woche hat Göttingen beschlossen nicht länger in Kohle, Öl und Gas zu investieren. Nach Münster, Berlin und Stuttgart ist es die vierte Großstadt in Deutschland.

Ganz spannend finde ich hier auch die Kampagnen im Ruhrgebiet, wo die Städte etwa ein Fünftel an RWE halten, also dem größten CO2-Emittenten Europas. Und selbst da fangen jetzt die Städte an, ihre Anteile abzustoßen. 

Melanie Mattauch, Sprecherin von Global Divestment
Melanie Mattauch, Sprecherin von Global Divestment Bild: 350.org

Mittlerweile gibt es aber auch in Asien, Lateinamerika und Afrika Divestment-Kampagnen. In Japan laufen sie seit etwa einem Jahr und breiten sich in Asien aus. Spannend ist auch die Entwicklung in Brasilien. Dort engagieren sich viele Bischöfe und katholische Gruppen. Sie wollen, dass auch der Vatikan als große moralische Instanz und großer Investor reagiert.

Es gibt wirklich viele Kampagnen überall. Leute sind inspiriert und möchten gerne Teil dieser Bewegung werden. Jetzt bei der globalen Mobilisierung im Mai haben wir auch neue Aktionen in Ländern wie Somalia und Nigeria, wo wir bisher noch keine starken Kampagnen hatten. 

Was ist Ihr Ziel? 

Die Divestmentbewegung geht an das Kernproblem heran. Unsere politischen Prozesse auf nationaler Ebene oder auf der Ebene der Klimakonferenzen stehen sehr stark unter dem Einfluss der Kohle- Öl- und Gasindustrie. Und genau dieser Einfluss muss geschwächt werden, um beim Klimaschutz weiterzukommen. 

Das Ziel der Divestmentbewegung ist es, die soziale Akzeptanz für Kohle-, Öl- und Gaskonzerne zu schwächen und damit auch deren politischen Einfluss. Die Bewegung will allen Menschen auf der Welt eine Möglichkeit geben, vor Ort aktiv zu werden. Jeder hat eine Stadt oder Universität. Oder es gibt einen Pensionsfonds oder ein Museum, und diese haben Verbindungen zur fossilen Industrie. Und damit gibt es auch eine Möglichkeit für eine Debatte über das unmoralische Geschäftsmodell dieser Konzerne vor Ort in der Öffentlichkeit.

Die Kernbotschaft ist, dass die Kohle- Öl und Gasreserven dieser Konzerne schlichtweg nicht mehr verbrannt werden dürfen, weil es einfach unvereinbar ist mit einem sicheren Klima. Ich glaube in diesem Punkt hat die Bewegung schon sehr viel erreicht.

Infografik Wie viele fossile Energien dürften für Klimaziele noch verbrannt werden?

Wie viel Kapital wurde bereits abgezogen?

Mittlerweile haben über 700 öffentliche institutionelle Anleger ihre Gelder aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie komplett abgezogen oder stark zurückgefahren. Das sind zum Beispiel kirchliche Anleger, Universitäten, Städte, Stiftungen oder Pensionsfonds. Zusammen verfügen sie über ein Vermögen von etwa 5500 Milliarden Dollar. 

Hat sich bei den Kohle-, Öl- und Erdgasunternehmen dadurch etwas verändert?

Nein. Diese Unternehmen fördern weiter. Shell wird nicht freiwillig die Ölförderung einstellen. Ganz im Gegenteil. Wir haben gesehen, dass diese Unternehmen solange und so viel CO2 freisetzen wie sie nur können. Wir machen uns keine Illusionen, dass sie von sich aus einsehen, dass ihr Handeln nicht gut ist und sie die Produktion zurückfahren. Damit hätten sie schon vor 30 Jahren anfangen können. Schon damals wussten sie, welche Auswirkungen ihr Geschäftsmodell auf unser Klima hat.

Sie kämpfen gegen mächtige Gegenspieler…

Wir haben unser Ziel noch lange nicht erreicht. Unser Ziel ist es, dass diese Konzerne nicht weiter ihr Geschäftsmodell ausspielen können. Es muss darum gehen, dass RWE seine Kohle im Boden lassen muss. Bisher setzt die Politik diese Regeln eben noch nicht. 

Klar ist aber auch, dass wir eine starke Bedrohung für diese Konzerne sind. Erst letzten Monat sagte der Chef von Shell, die größte Herausforderung für Shell sei, dass die öffentliche Akzeptanz für das fossile Geschäftsmodell einfach verschwindet. Und genau das wollen wir auch erreichen. Ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind. Aber wir müssen noch viel stärker werden und dieser Einfluss muss sich auch politisch niederschlagen, dass eben die Kohle-, Öl- und Gasreserven dieser Konzerne im Boden bleiben. 

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Klimaschützer fordern von der Stadt Bochum Divestment, den Verkauf von RWE-AktienBild: Wolfgang Lange - Greenpeace Düsseldorf

Welche Rolle übernehmen Sie beim Divestment?

Wir wollen die moralische Frage in die öffentliche Debatte bringen und sind keine Finanzberater. Die Umschichtung der Gelder überlassen wir den Profis. Die Finanzmärkte haben sich seit dem Start der Kampagne sehr bewegt, nicht zuletzt nach dem Pariser Klimaabkommen. Mittlerweile ist es auch viel einfacher für Anleger zu deinvestieren. Es gibt viel mehr Angebote als noch vor fünf Jahren und auch große Anleger wie die Rockefellers ziehen ihr Geld ab.

In Deutschland ist die Stadt Münster mittlerweile Experte und hilft mit ihrem Know how anderen Kommunen. Die Stadt Berlin hat gerade bei der Bundesbank einen neuen Aktienindex einrichten lassen. Dort kann jetzt einfach jede Stadt und jedes Bundesland deinvestieren. Die Beamtenfonds können über diesen Index verwaltet werden. In diesem Bereich gibt es viele Vorreiter und viel Know how. Die Umschichtung ist heute kein großes Problem mehr.

Wie reagiert Ihre Bewegung jetzt auf Trump?

Trump hat die Divestmentbewegung sehr gestärkt. Die Regierung Trump ist das beste Beispiel, wie verbandelt die fossile Industrie mit der Politik ist und wie stark ihr Einfluss ist. In den USA ist das jetzt ein Extremfall. Aber auch in Deutschland hat die Lobbyarbeit der fossilen Industrie erreicht, dass wir noch keinen Kohleausstieg verabschiedet haben. Trump hat der Klimabewegung Aufwind gegeben. Es sind sehr viele neue Menschen dazugekommen und wollen sich engagieren.

Mit Trump sind die Fronten noch klarer dargestellt und der Wille zur Mobilisierung ist gestärkt. Auch in vielen Städten der USA sehen wir Initiativen für erneuerbare Energien und diese Bewegung wird Donald Trump auch nicht stoppen können. 

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Klimaschützer protestieren in Paris gegen die Partnerschaft zwischen dem Louvre und dem Ölkonzern Total Bild: 350.org

Wie blicken Sie auf die kommenden Jahre?

Ich glaube, dass die Kampagne weiter rasant wächst und die Anzahl der Institutionen, die ihre finanziellen Verbindungen in die Kohle- Öl- und Gasindustrie abbrechen, immer schneller steigt. Und dies wird immer mehr Einfluss auf die soziale Akzeptanz dieser Industrie haben und damit auch auf ihren politischen Einfluss.

Auch glaube ich, dass die Kampagnen immer mehr eskalieren. Immer mehr Gruppen werden bereit sein mehr aufs Spiel zu setzen, um dieses Thema in den Mittelpunkt zu bringen. Gerade weil die Auswirkungen des Klimawandels ja immer schlimmer werden und wir bereits einen Vorgeschmack davon bekommen, was uns in den nächsten Jahren erwartet.

Darüber hinaus glaube ich, dass die Art der Kampagnen vielfältiger werden. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass es jetzt auch um kulturelle Einrichtungen geht. In Paris wird derzeit das Louvre unter Druck gesetzt, dass es seine Partnerschaft mit dem Total-Konzern beendet. Und in Amsterdam wurde das Van-Gogh-Museum aufgefordert, dass es sich nicht länger von Shell sponsern lässt. Hinter all dem steckt natürlich ganz viel Potenzial, dass eben auch die Welt der Kunst mit einbezogen wird.

Melanie Mattauch ist Sprecherin der globalen Divestmentbewegung in Europa. Vom 5. bis 15. Mai mobilisiert die globale Bewegung mit verschiedenen Aktionen in über 39 Ländern auf sechs Kontinenten. 

Das Interview führte Gero Rueter.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion